Urmiasee
Der Urmiasee (persisch درياچهٔ اروميه, DMG Daryāče-ye Orūmīye; mittelpersisch Čēčast;[1] aserbaidschanisch: Urmiye Gölü; kurdisch: Gola Urmiyê), zur Zeit der Pahlavi-Dynastie Rezaiye-See nach Reza Schah, ist der größte Binnensee des Iran. An dem See liegt die Stadt Urmia. Deren Name leitet sich von den syrisch-aramäischen Wörtern ur für „Stadt“ und mia für „Wasser“ ab und bedeutet „Stadt am Wasser“.
Urmiasee | ||
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Teile der Brücke, die quer über den See führt (2007). | ||
Geographische Lage | Ost-Aserbaidschan, West-Aserbaidschan (Iran) | |
Zuflüsse | Zarrineh | |
Abfluss | keinen | |
Ufernaher Ort | Urmia | |
Daten | ||
Koordinaten | 37° 42′ N, 45° 19′ O | |
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Höhe über Meeresspiegel | 1280 m | |
Fläche | 5 470 km² | |
Maximale Tiefe | 16 m |
Beschreibung
Der See war bis vor wenigen Jahren 140 km lang, 55 km breit und hatte eine Fläche von 5470 km², war also zehnmal so groß wie der Bodensee. Seine durchschnittliche Tiefe lag bei nur rund 7 m, seine maximale Tiefe bei 16 m. Sein Wasserspiegel lag auf 1280 Metern Höhe. Der Salzgehalt des Sees beträgt bis zu 30 %, was etwa dem Salzgehalt des Toten Meeres entspricht. Messungen von 1999 zeigen aber eine Salinität von 21 bis 23 % an. Er bietet damit so gut wie keinen höheren Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Dem hohen Salzgehalt trotzen allerdings Salinenkrebse.
Der Urmiasee hat keinen Abfluss und bildet ähnlich wie der westlich der iranisch-türkischen Grenze in der Türkei liegende Vansee einen riesigen Steppensee. An seinen Ufern finden sich häufig Salzablagerungen. Der See entwässert ein Gebiet von 51.000 km². Der größte Zufluss ist der Zarrine-Rūd, der im Süden in den See mündet, gefolgt vom Aji Chay, der in den östlichen Teil mündet. Daneben gibt es noch 13 größere Zuflüsse und weitere Bäche. Durchschnittlich nimmt der See pro Jahr 6,9 km³ Wasser auf. Er zählt zu den endorheischen Gewässern, d. h., er wird nicht in ein Meer entwässert.
Drohende Versalzung und Rettungsbemühungen
Bedingt durch die Wasserkrise im Iran in den letzten Jahrzehnten durch klimatische und geographische Gegebenheiten, aber auch durch menschliche Ursachen kommt es zu einer Änderung des Miniklimas. Durch Aufstauung der Zuflüsse sank der Wasserpegel in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich. Im Jahr 2014 war die Oberfläche des Sees bereits auf ein Drittel der ursprünglichen Oberfläche geschrumpft. Dies hat zur Folge, dass in dem verbleibenden Seewasser die Konzentration des Salzes immer größer wurde und auf über 300 g pro Liter Seewasser stieg. Dies gefährdet unmittelbar die im See lebenden Salzwasserkrebse, die die Nahrung für viele Vogelarten am See darstellen.
Die Rettung des Sees rückte jedoch in den Fokus der Politik. Der iranische Präsident Hassan Rohani hat ein Dekret für erste Rettungsmaßnahmen auf den Weg gebracht. In einem 10-Punkte-Plan sollten 2014 neben einer Erhöhung der Zuflussmenge auch die Ausbeutung des Wassers durch Brunnen gestoppt werden.[2] Obwohl der Schaden für Landwirtschaft und Tourismus schon jetzt auf „mehrere hundert Milliarden Euro“ geschätzt wird und durch Salzstürme fast fünf Millionen Menschen von einer Umsiedlung bedroht sind, darunter die Metropolen Urmia und Täbris, verläuft die Finanzierung von Rettungsmaßnahmen schleppend. Bis 2017 seien nach Angabe von Khalil Saei, Mitglied der Expertenkommission, erst ein Fünftel der bereits zugesagten 400 Millionen Euro zur Verfügung gestellt worden. Insbesondere die Wiederaufforstungsmaßnahmen seien damit nicht finanzierbar. Wenn alle an einem Strang zögen, sei der See innerhalb von sieben Jahren für sechs bis sieben Milliarden Euro zu retten. Über die geeigneten Maßnahmen ist sich auch das Parlament uneins. So wurde der Plan, Wasser aus dem Fluss Aras in den Urmiasee umzuleiten, vom Parlament abgelehnt. Zudem hat ausgerechnet die Klassifizierung als Nationalpark weitere Hürden und Reglementierungen geschaffen, die die Rettung des Sees behindern.[3]
Demgegenüber beschreibt eine Hörfunkreportage des iranischen Fremdsprachenportals ParsToday (der ehemalige IRIB World Service) ebenfalls von 2017 ein deutlich positiveres Bild der Rettungsmaßnahmen, insbesondere bei Beginn der vierten Phase und unter Einbezug der Landwirtschaft, dem Stopp der Weiterleitung von Wasser und der Entschlammung von Kanälen. So verweise Gary Lewis, der im Iran residierende Vertreter der UNO, auf die Verbesserung der letzten Satellitenbilder.[4] Auch der Spiegel stellte 2020 fest, übermäßiger Niederschlag in den letzten zwei Jahren und das staatliche Rettungsprogramm hätten dazu „beigetragen, dass sich der See zumindest in kleinen Teilen rehabilitiert.“[5]
Geschichte
In der Antike waren die klimatischen Verhältnisse gemäßigter als heute. Der See, der in den assyrischen Quellen so wie der Vansee „Meer von Nairi“ heißt, war damals fischreich; in seiner Umgebung wuchsen Eichen- und Wacholderbäume. Die wurden, überwiegend in der Epoche der Sassaniden, zu 95 % abgeholzt. Die Besiedlung in Verbindung mit geringer werdendem Niederschlag führte zu einer Verschlechterung des Kleinklimas, was den See austrocknen und versalzen ließ. Einige Quellen sind der Meinung, dass der altpersische Prophet Zarathustra in der Nähe des Urmiasees geboren wurde.[6] Andere schreiben, dass er aus Baktrien stammte.[7]
Besonderheiten
Auf der im See gelegenen Insel Kabūdān wurde im Jahr 1265 Hülegü, der mongolische Herrscher des Iran, begraben. Die iranische Herrscherdynastie der Pahlavi hatte dort ihr Feriendomizil.
In den 1970er Jahren begann man damit, eine Brücke (Bozorgrah-e Shahid Kalantari 37° 47′ 32,8″ N, 45° 22′ 30,8″ O ) über den See zu bauen, um die Hauptstädte der Provinzen West- und Ost-Aserbaidschan, Urmia und Täbris schneller zu verbinden. Nach der Revolution 1979 wurde der Bau eingestellt (siehe Luftaufnahme 1984), doch 2000 wieder aufgenommen (siehe Satellitenbild 2003). Die erste der drei zentralen Stahlbrücken wurde am 17. November 2008 eröffnet, die Eröffnung der beiden anderen Brücken erfolgte in den darauffolgenden Jahren.
Ein Gebiet von 463.600 ha um den See ist seit 1976 als Unesco-Biosphärenreservat klassifiziert, das unter anderem Flamingos und Pelikanen eine Heimat bietet, die sich unter anderem von den Krebsen aus dem See ernähren. Auf einigen Inseln wachsen Pistazienwälder. Auf der Insel Kabūdān wurden Armenische Wildschafe angesiedelt, die sich daraufhin stark vermehrten. Als der Bestand etwa 3000 Tiere erreicht hatte und enorme Schäden an der Vegetation zu verzeichnen waren, wilderte man zwei Leoparden aus, in der Hoffnung, dass die Raubkatzen die Bestände der Wildschafe regulieren würden. Die Leoparden bekamen sogar mindestens ein Junges, doch blieb die Ansiedlung insgesamt erfolglos und seit 1984 verlor sich ihre Spur. Mittlerweile werden jedes Jahr etwa 200–500 Wildschafe durch die Parkverwaltung entfernt.[8] Auf der Insel wurde auch eine Population des seltenen Mesopotamischen Damhirschs ausgewildert.[9]
Die bekannteste Insel ist die am nordwestlichen Ufer gelegene Felsformation Kazem-Daschi (persisch کاظمداشی, auch Ghirkhlar 38° 3′ 26″ N, 45° 11′ 50″ O ) zwischen den Provinzen Ost- und West-Aserbaidschan. Das Massiv war einst ein in Ufernähe aus dem Wasser ragender markanter Felsen mit schrägem Hochplateau. Er bot in der Geschichte mehrfach sieben umliegenden Dörfern Schutz vor militärischen Gefahren, darunter im Ersten Weltkrieg, und wird deshalb auch „Lebensraum von vierzig Männern“ genannt. Die ehemalige Insel ist heute aufgrund des sinkenden Wasserspiegels mit dem Festland verbunden und gilt als historische Sehenswürdigkeit. Benannt ist sie nach dem Kommandeur der Dorfwache „Kazem Khan“.[10][11]
Weblinks
- Urmiasee. In: Ehsan Yarshater (Hrsg.): Encyclopædia Iranica. (englisch, iranicaonline.org – inkl. Literaturangaben).
- Liste der UNESCO Biosphärenreservate (engl.)
- Jürg Bischoff: Ökologische Katastrophe. Ein See in Iran wird zur Salzwüste. In: Neue Zürcher Zeitung. 19. August 2014.
- Tim van Olphen: Wie einer der weltweit größten Salzseen verschwindet In: Der Spiegel. 29. Oktober 2020.
Einzelnachweise
- Vgl. Encyclopædia-Artikel.
- Hilfe für den Urmia-See im Iran, Deutsche Welle, 18. Februar 2014.
- Kein Geld für die Rettung des Urmiasees. IranJournal, 4. Juni 2017, abgerufen am 11. Mai 2018
- Neues Leben für den Urmiasee – Hörfunkbeitrag mit Abschrift im Portal ParsToday, 22. April 2017 (deutsch)
- Tim van Olphen: Wie einer der weltweit größten Salzseen verschwindet. 29. Oktober 2020
- Seta B. Dadoyan: The Fatimid Armenians: Cultural and Political Interaction in the Near East. New York 1997, S. 156
- Wolfdietrich von Kloeden: Zarathustra. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 14, Bautz, Herzberg 1998, ISBN 3-88309-073-5, Sp. 344–355.
- D. M. Shackleton (Hrsg.) und IUCN/SSC Caprinae Specialist Group: Wild Sheep and Goats and their Relatives. Status Survey and Conservation Action Plan for Caprinae. IUCN, Gland, Switzerland/ Cambridge, UK 1997, S. 54.
- Dama mesopotamica in der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN 2006. Eingestellt von: Deer Specialist Group, 1996. Abgerufen am 12. Mai 2006.
- Photos: Kazem Dashi; huge rocky structure in middle of Lake Urmia. Fotogalerie im Redaktionsblog von theiranproject.com, 13. Juni 2018
- Kazem Dashi; Huge Rocky Structure in Middle of Lake Urmia. ifpnews.com, 10. Juni 2018