Ulrich von Augsburg
Der heilige Ulrich von Augsburg, lateinisch Uodalricus, althochdeutsch Uodalrîh, in der Augsburger Bischofsliste als Ulrich I. geführt, (* 890 in Wittislingen oder Augsburg[1]; † 4. Juli 973 in Augsburg) war von 923 bis 973 Bischof von Augsburg.
Ulrich von Augsburg | |
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Ulrich, dargestellt in der Kapelle St. Agatha bei Disentis (um 1460) | |
Geboren | 890 |
Heiligsprechung | 993 durch Johannes XV. |
Festtag | 4. Juli (evangelisch, katholisch) |
Verehrungsstätte | Basilika St. Ulrich und Afra, Augsburg |
Schutzpatron | für Reisende, Wanderer, Fischer, Weber, Winzer und Sterbende; Bistum Augsburg, Stadt Augsburg |
Attribute | Fisch und Buch |
Meriten erwarb er sich durch die wiederholte entschlossene Verteidigung der Stadt Augsburg zu Zeiten der Ungarneinfälle im 10. Jahrhundert. Am Sieg von König Otto I. über die Ungarn bei der Schlacht auf dem Lechfeld (8. bis 10. August 955) hatte er Anteil, indem er gegnerische Kräfte noch unmittelbar vor Kampfbeginn an der Stadtbefestigung band. Seine Rolle bei der Schlacht verklärte sich bald zur Legende, um die sich im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Mythen und künstlerische Darstellungen rankten, ausgedrückt besonders prominent im Ulrichskreuz.
Ulrich gilt in vielen Darstellungen als der erste in einem Heiligsprechungsverfahren (Kanonisierung) bestätigte Heilige. Papst Johannes XV. soll das Ergebnis am 3. Februar 993 beurkundet haben, aber der Wortlaut der Urkunde ist nur im Rahmen von späteren Abschriften überliefert.
Kirchengeschichtliche Zeitumstände
Ulrich übernahm das Bistum Augsburg im Jahre 923 durch Ernennung durch den ostfränkischen König Heinrich I. Das Bistum litt damals unter den häufigen Einfällen der Ungarn ins Reich. Wegen dieser permanenten Gefahr initiierte Ulrich den Bau eines schützenden Mauerrings anstelle vorhandener Palisaden um die Stadt. Seinen auch staatlichen Verpflichtungen als Bischof dem jeweiligen Herrscher gegenüber kam Ulrich vorbildlich nach. Er gehörte zu deren Beratern und war auch Missionar.
Leben
Ulrich war der Sohn des Gaugrafen Hupald von Dillingen. Er stammte aus dem Adelsgeschlecht der Hupaldinger, den Vorfahren der Grafen von Dillingen. Seine Mutter Dietburga (auch Thietburga) war laut Pupikofer die Tochter Burchards aus dem Haus der Burchardinger.[2] Sein Vater bereitete eine kirchliche Karriere für ihn vor und schickte ihn in die Abtei St. Gallen, wo Ulrich von 900 bis 908 studierte. Nach einem Intermezzo als Kämmerer seines Onkels, des Augsburger Bischofs Adalbero, zog er sich 909 nach dessen Tod auf die elterlichen Güter zurück. Fürsprachen beim König bewirkten, dass ihm 14 Jahre später das durch den Tod des Bischofs Hiltin vakant gewordene Amt des Augsburger Bischofs anvertraut wurde. Am 28. Dezember 923 fand seine Bischofsweihe statt.
Ulrich führte eine starke Politik und stand bei den deutschen Königen Heinrich I. und Otto I. in hohem Ansehen. Er konnte sich gegen Herzog Arnulf durchsetzen, der damals das Recht auf Klösterweihung ins Weltliche übertragen wollte, und ließ Augsburg im Jahre 926 während der Ungarneinfälle befestigen. Vor allem gilt er als enger Vertrauter und Weggefährte Ottos I. So ist Ulrich mindestens fünfzehnmal im Gefolge Ottos nachweisbar.
Er nahm seine seelsorgerischen und auch die staatlichen Aufgaben ernst und verstärkte die Missionsarbeit bei Klerus und Volk. Er sorgte für Klöster und unterstützte die Armen. Auf die Gestaltung der Liturgie nahm er starken Einfluss.
Im Liudolfinischen Aufstand (952–954) schlug sich Ulrich auf die Seite des Königs, obwohl damals ganz Schwaben, Franken und Bayern vom König abfielen. Später konnte er gemeinsam mit dem Churer Bischof Hartbert einen Waffenstillstand zwischen Otto I. und dessen rebellischem Sohn Liudolf vermitteln.
Im August 955 erreichten die Ungarn, die damals durch ganz Südeuropa zogen, auch Augsburg. Sie belagerten die Stadt, scheiterten aber bei der Einnahme am Mauerring. Ulrich befehligte hoch zu Ross die Verteidiger. Die Ungarn hielten sich im Umland plündernd schadlos. So zerstörten sie auch die außerhalb der Stadt gelegene Kirche der heiligen Afra. Ulrich ließ die Kirche nach dem Ende der Kämpfe wieder aufbauen. Auch den Dom in Augsburg und die von den Ungarn zerstörten Klöster und Dörfer seines Gebietes ließ er wieder errichten und war zeitweise Abt vom Kloster Kempten und vom Kloster Ottobeuren.
Dass es Ulrich und den Augsburgern gelungen war, die überlegenen Angreifer erfolgreich abzuwehren, war für den triumphalen Sieg des herbeigeeilten Ottos am 10. August 955 in der Schlacht auf dem Lechfeld über die Ungarn vermutlich eminent wichtig. Nach diesen Kämpfen stieg Ulrich endgültig in die obere Schicht der Mächtigen Deutschlands auf. Wohl wegen dieser Leistungen erhielt Ulrich von Otto das Privileg der Münzprägung.
Um 958 stiftete er aus eigenen Mitteln einen Schrein aus Gold und Silber für Reliquien des hl. Mauritius. Im Jahr 969 gründete er das Augsburger Kanonissenstift St. Stephan.
Ab 960 etwa begann Ulrich sich mehr und mehr zugunsten seiner geistlichen Aufgaben zurückzuziehen: 963 verlieh er die Verwaltung von Heeres- und Hofdienst an seinen Neffen Adalberto. Im Folgenden widmete er sich ganz den spirituellen Aufgaben: Er pilgerte mindestens viermal nach Rom, von wo aus er auch diverse heilige Reliquien nach Augsburg überführen konnte. Ferner reiste er viel durch sein Bistum, predigte selbst, spendete überall die Firmung etc. All das machte ihn beim Volk überaus beliebt.
Nach mittelalterlicher Quelle, dem Anonymus von Herrieden (um 1075), bestattete er 966 den befreundeten Eichstätter Bischof Starchand in Eichstätt.[3]
971 ging Ulrich noch einen Schritt weiter und übertrug die Verwaltung des Bistums und alle weltlichen Aufgaben des Bischofs an Adalbero. Im September 972 scheiterte er mit dem Vorhaben, auch das Bischofsamt an sich auf jenen zu übertragen und sich ins Klosterleben zurückzuziehen, am Veto des Kaisers. Am 4. Juli 973 starb Ulrich in Augsburg und wurde in der wiederaufgebauten Augsburger Kirche St. Afra beigesetzt.
Ulrich, der schon zu Lebzeiten der wohl einflussreichste deutsche Kleriker war, schrieb auch nach seinem Tod Geschichte: Einer späteren historiographischen Überlieferung zufolge soll er am 3. Februar 993, keine zwanzig Jahre also nach seinem Tod, auf einer römischen Synode vom Papst heiliggesprochen worden sein. Ein solches formales Heiligsprechungsverfahren ist sonst aus dieser Zeit noch nicht bekannt. Ulrich wäre gegebenenfalls der erste, der von einem Papst persönlich heiliggesprochen wurde. Unter den Fachgelehrten herrscht Uneinigkeit über die Glaubwürdigkeit dieser Überlieferung. Für eine Heiligenverehrung wurde noch im 11. Jahrhundert eine formale Heiligsprechung (Kanonisation) durch den Papst nicht für erforderlich gehalten.
Die Erinnerung an sein asketisches Leben, seine Mildtätigkeit und Frömmigkeit führten schon bald darauf zu einer Verehrung als Heiliger im Volk, die sich über weite Teile in Europa verbreitete. Vor allem in Augsburg, aber auch sonst im süddeutschen Raum wurde sein Name als Vorname im späten Mittelalter höchst populär. 1575 schrieb Johann Fischart, dass die Augsburger alle Urli („Ulrich“) hießen.
Weit verbreitet war die Bischof Ulrich zugeschriebene Schrift Descriptio Udalrici,[4] die behauptete, der erzwungene Zölibat sei schriftwidrig und die Sittenlosigkeit der Geistlichen könne nur durch kirchliche Heirat der Weltpriester beendet werden. Das Konzil von 1079 verurteilte diese Schrift.[5]
Verehrung
Christentum
Die religiöse Verehrung Ulrichs setzte schon kurz nach seiner Beisetzung ein. Unmittelbar nach seinem Tod wird er bereits als sanctus bezeichnet und verehrt.[6] Schon zu Lebzeiten hatte er an der Südseite der neuerbauten Afrakirche seine Grabstätte errichten lassen, die unmittelbar nach seinem Tod zu einer beliebten Wallfahrtsstätte für viele Gläubige wurde.
Sein römisch-katholischer Gedenktag ist sein Todestag, der 4. Juli (nicht gebotener Gedenktag im Regionalkalender für das deutsche Sprachgebiet). Im Bistum Augsburg wird dieser Tag als Hochfest begangen („Ulrichstag“). Bis zum Reichsdeputationshauptschluss 1803 war dieser Tag auch der „Nationalfeiertag“ des Hochstifts Augsburg. Ulrich ist einer der drei Patrone der Stadt und des Bistums Augsburg. In den Alpenländern finden an diesem Tag Segnungen gegen Unwetter statt, weswegen der „Ulrichstag“ in Österreich auch „Alpensegentag“ genannt wird.
Ulrichs Gedenktag im Evangelischen Namenkalender der Evangelischen Kirche in Deutschland ist ebenfalls der 4. Juli. (Zum evangelisch-lutherischen Heiligengedenken siehe Confessio Augustana, Artikel 21.)
Die Bauernregel für seinen Gedenktag lautet: Regen am Sankt-Ulrich-Tag macht die Birnen stichig mad.
Ulrich ist der Heilige der Reisenden, Wanderer, Fischer, Weber, Winzer und Sterbenden. Er wird angerufen bei schwerer Geburt, gegen Fieber, Körperschwäche, Tobsucht und Tollwut, Ratten- und Mäuseplagen, Wassergefahren und Überschwemmungen.
Die Ulrichswoche wird jährlich zu Ehren des heiligen Ulrich begangen und erinnert an die Schlacht auf dem Lechfeld im Jahr 955, bei der auf Fürbitte Ulrichs der Ansturm der „heidnischen“ Reiterheere auf das christliche Abendland abgewehrt werden konnte.[7]
Zahlreiche Kirchen und der Ulrichsbrunnen wurden ihm gewidmet.
Voodoo
Im haitianischen Voodoo wird St. Ulrich in Gestalt des Loa Agwe verehrt; hierbei handelt es sich um einen Fall von Synkretismus.[8]
Ikonografie
Ulrich wird mit dem Ornat eines Bischofs und einem Fisch dargestellt.
Die Legende erzählt, dass er einem Sendboten an einem Freitagmorgen ein Stück Bratenrest, das von seiner Abendmahlzeit am Donnerstag noch auf dem Tisch stand, als Wegzehrung für den Rückweg mitgegeben habe. Als der Bote seinem Herrn, dem Herzog von Bayern, den Frevel zum Freitagsgebot durch Vorzeigen des Fleischstückes beweisen wollte, war dieses in einen Fisch verwandelt.[9]
Auch das Ulrichskreuz dient den Gläubigen zur Erkennung des Hl. Ulrich.
Quellen
- Gerhard von Augsburg: Vita Sancti Uodalrici. Die älteste Lebensbeschreibung des heiligen Ulrich. Universitätsverlag C. Winter, Heidelberg 1993, ISBN 3-8253-0018-8 (Editiones Heidelbergenses; 24).
- Grandaur, Georg: Das Leben Oudalrichs, Bischofs von Augsburg. Europäischer Geschichtsverlag, Paderborn, 2011, ISBN 978-3-86382-148-7
Literatur
- Werner Goez: Bischof Ulrich von Augsburg (923–973). In: Lebensbilder aus dem Mittelalter. Die Zeit der Ottonen, Salier und Staufer. Primus, Darmstadt 2010, ISBN 978-3-89678-701-9, Seite 28–40.
- Georg Kreuzer: Ulrich (Udalrich, Uodalricus). In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 14, Bautz, Herzberg 1998, ISBN 3-88309-073-5, Sp. 1560–1562.
- Bernhard Schimmelpfennig: Afra und Ulrich. Oder Wie wird man heilig?. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für Schwaben 86, 1993, S. 23–44.
- Manfred Weitlauff (Hrsg.): Bischof Ulrich von Augsburg 890-973. Seine Zeit – sein Leben – seine Verehrung. Festschrift aus Anlass des tausendjährigen Jubiläums seiner Kanonisation im Jahre 993. Weißenhorn 1993, ISBN 3-87437-321-5.
- Peter Rummel: Ulrich von Augsburg. Bischof, Reichsfürst, Heiliger. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 1992, ISBN 3-929246-01-5.
- Karl Uhlirz: Ulrich, Bischof von Augsburg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 39, Duncker & Humblot, Leipzig 1895, S. 215–221.
- Joachim Jahn: Ulrich. In: Karl Bosl (Hrsg.): Bosls bayerische Biographie. Pustet, Regensburg 1983, ISBN 3-7917-0792-2, S. 794 (Digitalisat).
Weblinks
- Werke von und über Ulrich von Augsburg in der Deutschen Digitalen Bibliothek
- Ulrich von Augsburg im Repertorium „Geschichtsquellen des deutschen Mittelalters“
- Veronika Feller-Vest: Ulrich von Augsburg. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Ulrich von Augsburg. In: Ökumenisches Heiligenlexikon.
- Ulrich von Augsburg auf erzbistum-muenchen.de
- Die Basilika St. Ulrich und Afra
- Ulrich der Heilige. In: Mittelalter-Genealogie
Einzelnachweise
- siehe Weblink Ulrich der Heilige in: Mittelalter-Genealogie
- Johann Adam Pupikofer: Geschichte des Thurgaus, Band I., S. 264
- Alfred Wendehorst: Das Bistum Eichstätt. Band 1: Die Bischofsreihe bis 1535. Berlin 2006, ISBN 978-3-11-018971-1 (Germania Sacra – Neue Folge, 45), S. 45.
- Epistola Pseudo-Udalrici de continentia clericorum. Pseudo-Udalrichs Brief über die Klerikerehe bei Monumenta Germaniae Historica
- Zölibat II – (Theologische Realenzyklopädie, Band 36, S. 728)
- Franz Xaver Bischof: Die Kanonisation Bischof Ulrichs auf der Lateransynode des Jahres 993. In: Weitlauff Manfred (Hrsg.): Bischof Ulrich von Augsburg 890-973. Seine Zeit – sein Leben – seine Verehrung. Festschrift aus Anlass des tausendjährigen Jubiläums seiner Kanonisation im Jahre 993. Weißenhorn 1993, S. 199.
- Mehr als 20.000 Gläubige kamen zur Ulrichswoche im Bistum Augsburg. In: bistum-augsburg.de, 14. Juli 2008.
- Webster University: Descriptions of Various Loa of Voodoo, 1990
- Stadlers Heiligen-Lexikon: Ulrich von Augsburg – Ökumenisches Heiligenlexikon. Abgerufen am 27. Juli 2019.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Hiltin | Bischof von Augsburg 923–973 | Heinrich I. |