Tretkurbel
Eine Tretkurbel ist ein an einer Welle angebrachter Hebel mit einem Tritt zum Aufsetzen eines Fußes am freien Ende. Durch kreisförmige Bewegung wird über die Kurbel ein Antriebsmoment in die Welle eingeleitet. Meist werden zwei um 180° versetzte Tretkurbeln verwendet, um beide Füße einsetzen zu können.
Der häufigste Anwendungsfall sind die zwei an den Enden einer kurzen Tretlagerwelle angebrachten Tretkurbeln am Fahrrad. Durch Treten der Fahrradpedale am Ende der Kurbeln werden Welle und Kettenblatt angetrieben.
Tretkurbeln dienen auch zum Antrieb von Tretbooten, Mofas, Fahrradergometern, Pedal-Generatoren und Waschmaschinentrommel-Antrieben in Dritte-Welt-Ländern. Früher dienten Pedalantriebe auch zum Betrieb von handwerklichen Geräten wie rotierenden Schleifsteinen von ambulanten Scheren- und Messerschleifern.
Die folgenden Ausführungen beschäftigen sich mit Tretkurbeln am Fahrrad.
Funktion
Die Person, die die Tretkurbeln betätigt, sitzt meist auf einem Sattel. Durch das wechselweise Treten der Pedale wird die “Lagerwelle” angetrieben. Beim stehenden Fahren kann das Antriebsmoment zusätzlich aus dem Körpergewicht gewonnen werden. Die Antriebskraft wird gewöhnlich über ein Ketten-, Zahnrad-, Kardan- oder Riemengetriebe auf das Hinterrad übertragen.
Material und Maße
Tretkurbeln wurden früher aus Stahl, bei Fahrrädern heute fast ausschließlich aus Aluminium, teilweise auch aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff gefertigt. Die Kurbellänge wird von der Mitte der Pedalachse bis zur Mitte der Tretlagerachse gemessen. Die meisten Kurbeln sind 170 bis 175 mm lang. Es gibt auch Tretkurbelarme ab 150 und bis 190 mm, was bei kurzen bzw. langen Beinen einen ergonomischen Vorteil bieten kann. Studien beim Bahnradsport belegen, dass kürzere Tretkurbelarme mit einer Länge zwischen 155 und 160 mm außer ergonomischen Vorteilen auch geringeren Luftwiderstand erzielen.
Der horizontale Abstand der äußeren Fläche der linken und rechten Tretkurbel ist der sogenannte Q-Faktor.
Erfinder
Belegt ist das erste Tretkurbelfahrrad Deutschlands von dem deutschen Mechaniker, Mundartdichter und Konstrukteur Heinrich Mylius für etwa 1845 in Themar.[1] Mylius soll ein Zweirad gebaut haben, das noch vor dem Fischer-Tretkurbelrad (1853) mit Tretkurbeln am Vorderrad ausgestattet war. Das Datum gilt heute als strittig. Im Vergleich zum Fischer-Rad fällt die eigenartige Hinterradgabel auf. Diese spricht für ein älteres Baujahr. Es ist zu vermuten, dass sich Mylius und Philipp Moritz Fischer (1812–1890) kannten, denn beide wohnten nur in etwa 80 Kilometer Entfernung zueinander.[2] Mylius floh im Zuge der Revolution 1848/1849 nach Amerika.[3]
Als Erfinder der Tretkurbel beim Fahrrad werden auch in Verbindung gebracht:
- Pierre Michaux (1813–1883), Frankreich – Pedalantrieb für Fahrräder 1861, da er bei der Weltausstellung 1867 zwei Exemplare seines Velocipedes publik machte, damit große und internationale Aufmerksamkeit erregte und zum Verkaufserfolg verhalf.[4]
- Pierre Lallement (1843–1891), Frankreich – US-Patent für ein pedalgetriebenes Fahrrad 1866
Technik
Die Verbindungsstelle zwischen Welle und Tretkurbel ist einer starken Wechselbelastung ausgesetzt. Siehe: Innenlager#Verbindung von Tretlagerwelle und Kurbeln.
Die meisten Fahrradkurbeln mit Vierkant-Verbindung zur Innenlager-Welle haben ein Innengewinde, das zum Einschrauben eines speziellen Schraub-Werkzeugs dient, mit dem die Kurbeln von der Welle abgezogen werden. Das feine Innengewinde wird leicht beschädigt, wenn das Werkzeug zum Abziehen der Kurbel verkantet angesetzt wird oder dessen Gewindegänge nach mehrfacher Verwendung oder durch Verwendung in unsauberen Innengewinden abgenutzt sind. Wenn das Abzieher-Werkzeug beim Anziehen der inneren Schraube im Innengewinde durchrutscht, dann muss auf eine andere Methode zum Entfernen der Kurbel zurückgegriffen werden:
- Die Kurbel wird rund um die Aufnahme der Welle von außen durch eine Flamme oder einen Heißluftfön erwärmt. Ein schnelles Erwärmen ist von Vorteil. Dann kann die Kurbel mit dem Hammer oder mit Hammer und Meißel von der Welle geschlagen werden, solange die Vierkantaufnahme der Kurbel sich durch die Hitze ausgedehnt hat, während die Welle selber noch kalt ist.
- Ein zweiarmiger oder dreiarmiger Abzieher kann von außen an der Kurbel angesetzt werden. Ebenso wie beim von innen eingeschraubten Abzieherwerkzeug wird dann ein Dorn im Inneren des Werkzeugs gegen die Welle geschraubt, um die Kurbel abzuziehen. Bei Kurbeln mit abgerundeten Kanten längsseits, ist es jedoch oft kaum möglich, die Arme des Abziehers an der Rückseite der Kurbel einzuhängen, ohne dass sie abrutschen. Zuverlässiger funktionieren Abzieher mit einem einseitig geschlitzten Zylinder, der über den Kopf der Kurbel geschoben wird und diesen dreiseitig umfasst (Kugelgelenk-Abzieher oder -Ausdrücker).
- Wenn die Kurbel nicht wieder verwendet werden soll, kann der Kopf beidseitig mit einem Trennschneider eingeschlitzt werden, bis sich die Kurbel abbrechen lässt.
- Wenn die Schraube, welche die Kurbel auf der Welle befestigt, gelockert oder entfernt wird, so löst sich die Kurbel in vielen Fällen von selber, wenn das Fahrrad eine Zeitlang so gefahren wird. Diese Methode des Kurbelabziehens ist aber nicht empfehlenswert, da sie zu einer Materialermüdung führt.
Form der Kurbeln
Bis in die 1980er Jahre waren die Tretkurbeln am Fahrrad üblicherweise gerade und verliefen parallel zum Rahmen. Seitdem werden überwiegend „low profile“-Kurbeln eingesetzt, die sich nach außen abspreizen und daher mit einer etwas kürzeren Tretlagerachse kombiniert werden. Hierdurch wird mehr Bewegungsfreiheit für die Ferse und eine gewisse Materialersparnis erreicht.[5]
Kurbellänge
Die Länge der Tretkurbeln sollte der Beinlänge angepasst sein. Dabei kommt es vor allem darauf an, die Kurbeln nicht zu lang zu wählen.[6]
Die genaue Länge der Kurbeln hat dann nur einen geringen Einfluss auf die Effizienz der Kraftübertragung.[7]
Auch wenn die Maximallänge nicht überschritten wird, kann die optimale Kurbellänge selten nach Formelwerten vorhergesagt werden, denn sie hängt von Geometrie, Bauart und Einsatzgebiet des Rades, von persönlichen Präferenzen und von weiteren verschiedenen Faktoren ab. Oft lässt sich erst nach längerer Gewöhnungszeit feststellen, wie gut der Körper mit einer bestimmten Kurbellänge zurechtkommt.[6]
Bei gleicher Trittfrequenz muss mit kürzeren Kurbel eine größere Pedalkraft aufgebracht werden. Dies wird jedoch dadurch ausgeglichen, dass die Beine bei kürzeren Kurbeln weniger stark angewinkelt werden. Durch den günstigeren Hebelarm bei gestrecktem Bein lässt sich die erhöhte Pedalkraft ohne weiteres aufbringen, ohne dass hierfür eine größere Muskelkraft erforderlich wäre. Zusätzlich kann mit kurzen Kurbeln eine erhöhte Trittfrequenz erreicht werden, wodurch sich die erforderliche Pedalkraft wieder vermindert.[8]
Während zu lange Kurbeln zu Knieproblemen führen können, ergeben sich durch kurze Kurbeln keine gravierenden Nachteile.[9] Auch sehr große Menschen kommen daher in der Regel mit den Standard-Kurbellängen von 170, 172,5 und 175 mm gut zurecht und auch für Fahrer bis 1,90 m Körperlänge kann es sich lohnen noch kürzere Kurbeln auszuprobieren.
Es ist wichtig, darauf zu achten, dass Fahrräder für Kinder, für kleine Menschen und für Menschen mit verhältnismäßig kürzeren Beinen mit entsprechend kürzeren Kurbeln ausgestattet werden.[6]
Je nach Geometrie und Sitzposition kommen viele Liegeradfahrer ebenfalls besser mit kürzeren Kurbeln zurecht.[5] Eine typische Kurbellänge für Liegeräder ist 155 mm.[8] Gelegentlich wird angegeben, dass die Kurbellänge bei Liegerädern 19–21 % der Schrittlänge betragen und dass das Bein im „oberen“ Totpunkt nicht über den rechten Winkel hinaus gebeugt sein sollte, um Knieprobleme zu vermeiden.
Bruch durch Materialermüdung am Kurbelarm
Der Übergang von der Kurbel auf die Welle ist hohen Belastungen und einer hohen Zahlen von Lastspielwechseln unterworfen. Typische Drehmomente liegen im Straßenradsport bei 100 Nm, im Bahnsport beim Anfahren bei bis zu 500 Nm, daher kommt es hier häufiger zu Schäden und Materialermüdung. Den Bruch unter Lastwechsel-Beanspruchung am Kurbelarm wird als Schwingbruch, auch als Schwingungsbruch oder umgangssprachlich als Ermüdungsbruch bezeichnet.
Literatur
- Fritz Winkler, Siegfried Rauch: Fahrradtechnik Instandsetzung, Konstruktion, Fertigung. 10. Auflage, BVA Bielefelder Verlagsanstalt GmbH & Co. KG, Bielefeld, 1999, ISBN 3-87073-131-1
Weblinks
Fußnoten
- https://fahrzeug-museum-suhl.de/fahrrad.htm
- Wolfgang Gronen, Walter Lemke, S. 41.
- mylius-schleiz.net
- https://www.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mvi/intern/Dateien/PDF/PM_Anhang/161021_Fahrrad_Jubilaeum_Geschichtlicher_Hintergrund.pdf
- Sheldon Brown: Bicycle Cranks, In: SheldonBrown.com
- Bicycle cranks: Check your Cranks!, In:Myra-Simon.com
- Stephan Goldmann: Die richtige Kurbellänge beim Rennrad finden – Wie jedes Teil am Rennrad sollten auch die Kurbeln auf den Fahrer abgestimmt sein. Einige der angeblichen Vorteile der Kurbellänge sind aber Mythen., In: Triathlon-Tipps.de
- Kurbellänge – Eine anatomische Betrachtung, Diskussion im Velomobilforum.de ab Januar 2017
- Heiko Brechtel: Die Frage nach der optimalen Kurbellänge …, In: Customcranks.de