Transrapid Shanghai
Der Transrapid Shanghai ist eine Magnetschwebebahn, die am 31. Dezember 2002 auf einer 30 km langen Strecke von der Station Lóngyáng-Straße (chinesisch 龙阳路, Pinyin Lóngyáng-lù – „Straße des Drachen und Yáng“) in einem Außenbezirk Shanghais (VR China), nahe dem Messezentrum Shanghai New International Expo Centre (SNIEC) zum Flughafen Pudong mit dem Probebetrieb gestartet wurde. Betrieben wird der Shanghai Maglev Train (Magnetic Levitation Train – Magnetschwebebahn) von der Shanghai Maglev Transportation Co., Ltd.
Fahrzeit, Fahrkosten, Auslastung
Der Transrapid – in China Shanghai Maglev Train (SMT) bzw. Cixuanfulieche (chinesisch 磁悬浮列车) genannt – benötigt für die 30 km lange Strecke 7 Minuten und 18 Sekunden. Nach 3½ Minuten (zurückgelegte Strecke: 12,5 km) ist die Betriebshöchstgeschwindigkeit von 430 km/h erreicht. Sie wird für 50 Sekunden gehalten, bevor die Verzögerungsphase (wiederum 12,5 km) beginnt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf dieser Strecke beträgt 247 km/h. Mittlerweile verkehrt die Mehrzahl der Fahrten (47 von 59 pro Tag und Richtung) nur noch mit einer reduzierten Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h,[1] wodurch sich die Fahrzeit auf ca. 8 Minuten und 10 Sekunden erhöht. Die Höchstgeschwindigkeit von 430 km/h (Stand: August 2013) wird nur morgens und nachmittags in jeweils rund 45 Minuten langen Zeitfenstern erreicht.[1]
Zeitfenster | 06:45–08:45 | 09:00–10:45 | 11:00–14:45 | 15:00–15:45 | 16:00–19:00 | 19:00–21:40 |
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Reisedauer (Minuten) | 8:10 | 7:20 | 8:10 | 7:20 | 8:10 | |
Max. Geschwindigkeit | 300 km/h | 430 km/h | 300 km/h | 430 km/h | 300 km/h | |
Intervall | 20 Minuten | 15 Minuten | 20 Minuten |
Der Transrapid verkehrt auf der Strecke täglich 14 Stunden lang und kann pro Fahrt bis zu 440 Passagiere transportieren. Im Durchschnitt wurden (Stand Ende 2007) täglich rund 7500 Passagiere befördert. Eine einfache Fahrt 2. Klasse kostet 50 CNY (Yuan) (ca. 6 Euro), bei Vorlage eines gültigen Flugscheins 40 CNY (ca. 4,80 Euro), ebenso wenn man mit der Shanghai-Transportation-Card bezahlt. Das ist der 10-fache Preis einer innerstädtischen U-Bahn-Fahrt über 5–7 Stationen oder der 2,5-fache Preis des Flughafenbusses, welcher die Innenstadt direkt mit dem Flughafen Pudong verbindet.
Die Strecke ist nach Medienberichten wegen zu geringer Auslastung defizitär.[2] Welt Online nannte am 20. Januar 2009 unter Berufung auf China Business Journal einen Verlust der Betreiber von mindestens 100 Millionen Euro bis Ende 2007 und eine Auslastung von unter 20 Prozent.[3]
Bereits Mitte 2004 war der Fahrpreis infolge geringer Auslastung auf 50 CNY (Yuan) (etwa 6 Euro) gesenkt worden.[4]
Projekt
Die Transrapid-Strecke in Shanghai ist die erste kommerzielle Anwendung des Transrapid-Systems. Sie wurde jedoch auch „nur“ als Teststrecke entworfen, da China offiziell nicht als erstes Land die kommerzielle Anwendung ohne Erkenntnisse im Dauerbetrieb und Begegnungsverkehr (860–1000 km/h Differenzgeschwindigkeit) durchführen wollte. Als Gründe dafür werden die Trassierung mit maximalen Kurvenradien und die Fahrt mit maximaler Beschleunigung genannt, um die der Kürze der Strecke nicht angemessene Höchstgeschwindigkeit dennoch erreichen zu können. Offiziell wird deshalb ein wirtschaftlicher Betrieb auch nicht als Ziel angepeilt, sondern die Erprobung der Eigenschaften im Hochlastbetrieb.
Eine besondere Herausforderung für die Fahrstreckenbauer lag im weichen und wasserhaltigen Shanghaier Sedimentboden. Um den ca. 25 Meter voneinander entfernt stehenden Stelzen die nötige Standfestigkeit zu geben, hat man sie auf jeweils 8 m² große Betonplatten gesetzt. Die Kräfte werden pro Platte mit maximal 16 Stück bis zu 80 Meter tief reichenden Betonpfählen aufgefangen. Um die sehr engen Toleranzen der Fahrebene auch bei tektonischen Versetzungen (z. B. kleineren Erdbeben) zu gewährleisten, kann sie hydraulisch nachgeregelt werden.
Seit langem untersuchen chinesische Universitäten und Firmen, inwieweit Fahrzeugkomponenten in China lokal gefertigt werden können. Diese Lokalisierung soll das Know-how ins Land holen und Kosten sparen. Ob diese Maßnahme allerdings tatsächlich zu der gewünschten Kosteneinsparung führt, wird teilweise bezweifelt. Die Weiterentwicklung des Systems ist wesentlich von der Ingenieurleistung und Zusammenarbeit mit den deutschen Herstellern abhängig. So gilt China zwar im Fahrwegbau bereits als gut positioniert, bei der Steuerungs- und Regelungstechnik hingegen noch nicht als leistungsfähig genug. Trotzdem wird befürchtet, dass China teure eigene Entwicklungskosten spart und die Technologie kopiert.[5]
Projektverlauf
(Unter teilweiser Verwendung der Zeittafeln der Ausstellungshalle Shanghai Maglev Longyang-Station)
- Bei einem Besuch des damaligen Bundeskanzlers Schröder unterzeichneten Vertreter von Thyssen und des chinesischen Wissenschaftsministeriums eine Absichtserklärung über die Errichtung einer 50 bis 100 km langen Erprobungsstrecke für den Transrapid. Als Standorte wurden dabei Peking oder der Ballungsraum Shanghai in Erwägung gezogen.[6]
- 30. Juni 2000: Die deutsche und chinesische Regierung unterzeichneten eine Vereinbarung, eine gemeinsame Machbarkeitsstudie des Maglev Shanghai durchzuführen.
- August 2000: Die Shanghai Maglev Transportation Development Co. Ltd. wurde mit einem Kapital von 2 Mrd. CNY gegründet. Acht Teilhaber investierten in das Projekt.
- 20. November 2000: Die in deutsch-chinesischer Kooperation erstellte Machbarkeitsstudie des Maglev wurde veröffentlicht. Gleichzeitig begannen die Verhandlungen zwischen Deutschland und China über die Lieferungen der Bauteile und Service-Leistungen. Auf deutscher Seite waren die Firmen Max Bögl, Siemens AG, ThyssenKrupp Transrapid GmbH und Transrapid International GmbH & Co. KG beteiligt. Die Vertragssumme belief sich auf 1,293 Milliarden DM.
- 23. Januar 2001: Deutsche und chinesische Vertragspartner unterzeichneten den Vertrag über die Lieferung von Bauteilen und Service-Leistungen. Das Auftragsvolumen für die vier sechsteiligen Fahrzeuge (geliefert durch Thyssen-Krupp) sowie die Steuerungs- und Antriebs- und Signaltechnik (geliefert durch Siemens) wurde auf unter zwei Milliarden DM beziffert. Der Kosten des Fahrwegs in Höhe einer weiteren Milliarde DM wurde durch die chinesische Regierung finanziert.[7] Die deutsche Bundesregierung bezuschusste das Vorhaben mit 200 Millionen DM aus Zinserlösen der UMTS-Versteigerungen.[8] Der erste Zug sollte am 1. Januar 2003 über die Strecke schweben, der reguläre Betrieb sollte Anfang 2004 aufgenommen werden. Die Unterzeichnung war zunächst für Mitte Dezember 2000 erwartet worden und wurde verschoben, nachdem sich beide Seiten nicht über den Preis einig wurden.[9]
- 26. Januar 2001: Ein weiterer Vertrag zur Zusammenarbeit beim Trassenbau wurde geschlossen.
- Februar 2001: Auf Basis der Machbarkeitsstudie wurde ein erster Design-Entwurf des Projektes abgeschlossen. Mit Hilfe des deutschen Technologietransfers begann dann die endgültige Konstruktion von Trasse, Fahrweg, Wartungszentrum usw.
- 1. März 2001: Der Bau der Fabrikhalle für die Produktion der Fahrweg-Träger begann.
- März 2001: Der Ankauf der Grundstücke, die auf der Fläche des Fahrwegs liegen, wurde weitgehend abgeschlossen. Ebenso konnte der Abriss von Gebäuden in diesem Bereich abgeschlossen werden.
- 31. Dezember 2002: Ein so genannter VIP-Run in Anwesenheit von Ministerpräsident Zhu Rongji und Bundeskanzler Gerhard Schröder fand statt.[10]
- Juli 2003: Der automatisch gesteuerte und gesicherte Betrieb mit zwei Fahrzeugen und Zugbegegnung begann. Ab September 2003 wurde der automatische Umlaufbetrieb mit drei Fahrzeugen erprobt.
- November 2003: Eine Demonstrationsfahrt mit einem 8-Sektionen-Zug fand statt.
- Am 12. November 2003 erzielte der nicht modifizierte Transrapid in Shanghai mit 501 km/h einen neuen Rekord als schnellste kommerzielle Magnetschwebebahn. Zum Vergleich: 2007 fuhr der TGV 574,8 km/h als herkömmliches schienengebundenes, jedoch als speziell gebautes Rekordfahrzeug auf eigens hergerichtetem Fahrweg bei einer singulären Rekordfahrt.
- Dezember 2003: Die Freigabe zur kommerziellen Nutzung als fahrplanmäßig schnellstes spurgebundenes Fahrzeug der Welt erfolgte. In den ersten Betriebswochen blieb die Zahl der Fahrgäste mit etwa 500 bis 600 pro Tag deutlich hinter den Erwartungen zurück.[11] Der Betrieb war zunächst auf einige Stunden pro Tag beschränkt.[12]
- 3. Juli 2004: Einmillionster Passagier
- Mitte 2004 wies die Betreibergesellschaft Medienberichte zurück, wonach sich die Trasse aufgrund des weichen Untergrundes absenke. Dies sei bei der Planung der Strecke berücksichtigt worden, die Setzungen habe man im Griff.[4]
- Juli 2005: Viermillionster Passagier
- Juni 2006: Siebenmillionster Passagier
- Ende 2007: 13 Millionen Passagiere insgesamt befördert.
- Juli 2008: mehr als 15 Millionen Passagiere wurden bis Ende Juli befördert.
- Dezember 2010: 27 Millionen Passagiere insgesamt befördert.
- Januar 2011: Kommerzieller Einsatz eines vollständig in China gefertigten Magnetbahnfahrzeuges (4-Sektionen-Zug) auf der Strecke.
Bei Beginn der Planungen 2001 wurde mit 10 Mio. Fahrgästen im Jahr 2010 gerechnet; die tatsächlich im Jahr 2007 erreichte Auslastung liegt bei 4 Mio. Fahrgästen. Nach Zeitungsberichten sollen hohe Verluste erwirtschaftet werden. Einer wirtschaftlich aussichtsreicheren Streckenführung stünden berechtigte Anwohnerproteste wegen des hohen Lärms bei Hochgeschwindigkeiten entgegen. Als Hauptproblem gilt der gebrochene Verkehr, da die Strecke nur an die äußere östliche Grenze der innerstädtischen Bebauung führt und ein Umsteigen in Busse oder U-Bahn erforderlich ist. Um in die westlichen Citybereiche zu gelangen, wären weitere rund 9 Kilometer Strecke auf schwierigem Terrain sowie die Flussüberquerung erforderlich.[13]
Im Rahmen der Kooperationsverträge mit den deutschen Systemherstellern wurde ein Technologietransfer vereinbart, der es der chinesischen Seite ermöglichen soll, Magnetbahnzüge weitgehend eigenständig zu bauen. Das erste vollständig in China gefertigte Fahrzeug wurde im Frühjahr 2010 der Öffentlichkeit vorgestellt und befindet sich seit Januar 2011 im Alltagseinsatz auf der Strecke. Es entspricht optisch weitestgehend dem „deutschen“ Transrapid.
Ausbaupläne
Versuche des Transrapid-Konsortiums, die chinesische Regierung vom Einsatz der Transrapid-Technologie auf der geplanten Strecke nach Peking zu überzeugen, scheiterten.
Anfang 2004 erhoffte sich das Konsortium stattdessen, den Transrapid für Strecken von Shanghai nach Hangzhou oder Nanjing einsetzen zu können.[12] Die geplante Erweiterung in die 170 Kilometer entfernte Nachbarstadt Hangzhou wurde jedoch im Januar 2011 aufgegeben.[14]
Ein weiterer Ausbauplan beinhaltet die Verbindung der rund 53 Kilometer voneinander entfernten Flughäfen Shanghais (den Internationalen Flughafen Pudong mit dem westlich der Innenstadt liegenden Inlandsflughafen Hongqiao). Thyssen-Krupp und die Shanghai Maglev-Betreibergesellschaft sollten sich nach früheren Berichten auf einen Ausbau vor der Weltausstellung Expo 2010 in Shanghai geeinigt haben; das Projekt wurde mit dieser Terminierung jedoch aufgegeben.[2] Um die Belästigung der Anwohner gering zu halten, wurde die ursprüngliche Streckenplanung gekürzt und in weiten Teilen eine unterirdische Trassenführung geplant. Die Verbindung zum zweiten Flughafen soll insbesondere die Wirtschaftlichkeit der dann zentraler verlaufenden Gesamtstrecke wegen der momentan unbefriedigenden Auslastung verbessern. Im Januar 2008 kam es zu Demonstrationen gegen den Transrapid-Ausbau in Shanghai. Anwohner befürchten insbesondere gesundheitliche Beeinträchtigungen. Die Kosten des weiteren Streckenbaus sollen auch in China bei mittlerweile 46 Mio. Euro je km liegen und sich gegenüber ursprünglichen Planungen mehr als verdoppelt haben.[15][16] Es ist unbekannt, ob eine Realisierung des Projektplanes durch die chinesischen Betreiber weiter verfolgt wird. Die Euphorie ist jedenfalls vergangen, die Anlagen werden vernachlässigt.[17] Thyssen-Krupp hat das Transrapidwerk in Kassel 2012 geschlossen.
Zwischenfälle
Am 11. August 2006 kam es zu einem technischen Defekt, durch den ein Transrapid in Brand geriet. Augenzeugenberichten zufolge fing der zweite Waggon plötzlich Feuer. Der Zug konnte nach 500 Metern anhalten und der Brand schnell gelöscht werden. Trotz der starken Rauchentwicklung wurde niemand verletzt. Es entstand nur Sachschaden. Der Fahrweg wurde jedoch mehrere Tage durch den havarierten Zug blockiert und fiel somit für den Betrieb aus. Als Ursache gilt bisher eine defekte Batterie.
Siehe auch
- CM1 Dolphin, die chinesische Weiterentwicklung des Transrapid
- Transrapid München
- Transrapid-Versuchsanlage Emsland
- Pudong
Weblinks
Einzelnachweise
- Petra Kolonko: Der Zug endet hier. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 26. September 2013, ISSN 0174-4909, S. 7 (online).
- Harald Maas Shanghai stutzt den Transrapid im Tagesspiegel, erschienen am 2. Januar 2008.
- Johnny Erling: In China könnte der Transrapid zur U-Bahn werden. In Welt-Online, erschienen am 20. Januar 2009.
- Meldung Transrapid-Probleme. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 6/2004, ISSN 1421-2811, S. 274.
- Andreas Lorenz Chinas fast echter Transrapid auf Spiegel-Online, erschienen am 2. Juni 2007.
- Meldung Aktuelles in Kürze. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 2/2000, ISSN 1421-2811, S. 81.
- Ohne Quelle
- Bahnbudget. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 4/2001, ISSN 1421-2811, S. 146 f.
- Meldung „Grünes Licht“ für Transrapid. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 3/2001, ISSN 1421-2811, S. 130.
- Transrapid: Erster „Flug auf Höhe Null“. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 2/2003, ISSN 1421-2811, S. 67.
- Meldung Transrapid mit wenig Fahrgästen. In: Eisenbahntechnische Rundschau. 53, Nr. 3, 2004, S. 96.
- Meldung Peking – Shanghai: Kaum noch Chancen für Transrapid. In: Eisenbahn-Revue International, Heft 3/2004, ISSN 1421-2811, S. 126.
- Anwohnerproteste treiben Transrapid-Kosten in die Höhe (Memento vom 1. August 2012 im Webarchiv archive.today). In: Financial Times Deutschland. Online-Ausgabe, 4. Januar 2008.
- Maglev link plan is suspended in ShanghaiDaily, erschienen am 18. Januar 2011.
- Chinesen protestieren gegen den Transrapid in Süddeutsche Zeitung, erschienen am 13. Januar 2008.
- Andreas Lorenz Bürger demonstrieren vor Shanghais Rathaus auf Spiegel-Online, erschienen am 14. Januar 2008.
- Enttäuscht: Shanghai bereut die Transrapid-Bahn in Augsburger Allgemeine vom 4. Februar 2013.