Toilette (Eisenbahn)
Toiletten sind Teil der Sanitäreinrichtung vieler Reisezüge (meist im Mittelstrecken- und Fernverkehr). Bei klassischen Wagenzügen sind diese oft an den Wagenenden angeordnet. Mit dem Rollstuhl befahrbare, also barrierefreie Toiletten erfordern eine größere Fläche und ausreichend breite Zugänge, weshalb diese nicht in jedem Wagen vorhanden sind.
In einigen Ländern werden auch Triebfahrzeuge mit Toiletten ausgerüstet. Dies ist insbesondere in Netzen mit langen Laufwegen in dünnbesiedelten Gebieten der Fall. Beispiele finden sich u. a. in Skandinavien.
Systematik
Grundsätzlich wird zwischen offenen und geschlossenen Toilettensystemen unterschieden. Erstere entsorgen die Toilettenabfälle direkt auf die Gleisbettung. Bei letzteren werden die Toilettenabfälle im Fahrzeug gesammelt, um an einer vorgesehenen Eisenbahninfrastruktur entleert zu werden.[1]
Fallrohrtoilette
Die traditionelle Methode, Toilettenabfälle aus Zügen zu entsorgen, besteht darin, diese mithilfe einer sogenannten Fallrohrtoilette auf die Gleisbettung abzugeben.[2] Dies reicht von einem Loch im Boden bis hin zu einem vollflächigen System (evtl. mit Sterilisation). Es handelt sich somit um ein offenes Toilettensystem, da es Toilettenabfälle unbehandelt direkt an die Umwelt abgibt. Fallrohrtoiletten werden in vielen Teilen der Welt immer noch verwendet, insbesondere bei älteren Schienenfahrzeugen. Der Hauptnachteil ist, dass sie als unhygienisch, gesundheits- und umweltgefährlich angesehen werden – die Benutzung verunreinigt die Bahnstrecken und kann beim Über- oder Unterfahren einer schiffbaren Wasserstraße ernsthafte Gesundheitsrisiken mit sich bringen. Fahrgästen kann verboten werden, Toiletten zu spülen oder zu benutzen, während sich der Zug in einem Bahnhof befindet oder auf der Strecke steht. Um diese Einschränkung durchzusetzen, können Toiletten automatisch verriegelt werden, wenn der Zug in einen Bahnhof einfährt oder anderweitig hält. In den Vereinigten Staaten waren Bahnangestellte verpflichtet, die Toiletten immer dann zu verschließen, wenn ein Personenzug in einem Bahnhof oder an einem anderen im Fahrplan vorgesehenen Ort stand. Die Toiletten würden bei der Abreise umgehend aufgeschlossen.
Richtig konstruierte Fallrohrtoiletten saugen Luft wie ein Schornstein an, ziehen Luft durch die Toilettentüröffnungen nach unten durch die Toilette, wodurch Gerüche reduziert werden. Zur Verhinderung von Zugluft wurden die Toilettenbecken in vielen Ländern mit einer Klappe ausgerüstet, die erst beim Spülvorgang öffnet. Insbesondere in der Schweiz wurde darauf verzichtet, weil man insbesondere im Winter und im Hochgebirge befürchtete, dass der Verschluss einfriert.
In Großbritannien blieben bis Ende 2019 Fallrohrtoiletten im fahrplanmäßigen Personenverkehr in Gebrauch. Ein Plan zum Schutz aller Eisenbahnarbeiter und zur Verringerung der Risiken für die öffentliche Gesundheit wurde verzögert, da mehrere Betreiber Ausnahmen beantragten.
Geschlossene Toilettensysteme
Spüleinrichtung
Geschlossene Toilettensysteme besitzen eine Spüleinrichtung um die Fäkalien aus der Toilettenschüssel zu entfernen und diese möglichst sauber zu hinterlassen. Es werden Graviations- und Vakuumsysteme eingesetzt, wobei letztere überwiegen. Fallrohrtoiletten sind üblicherweise ebenfalls mit einer Spüleinrichtung ausgerüstet, sofern in den Wagen Wasserbehälter einzubauen waren. Bei Schmalspurwagen wurde häufig darauf verzichtet.
Bei Toiletten mit Wasserspülung wird die Toilettenschüssel entweder mit Frischwasser oder bei Umwälzspültoiletten mit Schwarzwasser gespült.
Gravitationssystem
Wird das Spülwasser durch einen Höhenunterschied beschleunigt, um die Toilettenschüssel zu reinigen, spricht man von einem Gravitationssystem. Bei wasserlosen Toiletten mit einer Gravitationsspüleinrichtung fallen die Fäkalien hingegen, ähnlich wie bei der Fallrohrtoilette, durch Betätigung einer Klappe in einen unter der Toilette liegenden Fäkalientank oder eine Behandlungseinrichtung.
Vakuumsystem
Die Vakuumsysteme der neuesten Wagen ähneln denen in Verkehrsflugzeugen: Die Toilettenabfälle werden mit einer Hochdruckpumpe in einen Auffangbehälter gezogen. Sie benötigen zum Betrieb eine ausreichende Stromversorgung zum Arbeiten und das Spülen von allem anderen als Wasser und menschlichen Abfällen (z. B. Toilettenpapier) kann die Pumpe leicht beschädigen.
Behandlungseinrichtung
Die Sammelbehälter einfacher geschlossener Toilettensysteme müssen regelmäßig geleert werden, um ein Faulen der Fäkalien mit allen Nebenwirkungen (Gasbildung, Geruchsbelästigung etc.) zu verhindern bzw. zu reduzieren. Um die Entleerungszyklen zu verlängern, wurden verschiedene Behandlungseinrichtungen entwickelt.
Chemikalientank
In wohlhabenderen und dichter besiedelten Teilen der Welt sind in der Regel chemische Haltetanks (Rückhaltetanks) in neueren Wagen und Triebwagen eingebaut. Mithilfe von Chemikalien wird die Fäulnisbildung reduziert und die Fäkalien desinfiziert. Ein Problem ist, dass die Tanks regelmäßig geleert werden müssen, oft an einer Endstation oder bei längeren Zwischenstopps. Wenn ein Zug schnell wieder eingesetzt werden muss, werden die Tanks möglicherweise nicht geleert. In diesem Fall können sich Toiletten zurückstauen, was dazu führen kann, dass Toiletten geschlossen werden.
Bioreaktor
Zur Verlängerung der Entleerungszyklen auf bis zu 3 Monate wird bei neuen Zügen ein geschlossenes Toilettensystem mit einem Bioreaktor eingebaut (z. B. DTZ RABe514, FLIRT, Integral). Das Abwasser passiert einen Filter, der in den Feststoffbehälters eingebaut ist und die festen Bestandteile zurückhält. Bei innen liegenden Anlagen sickert das mechanisch gereinigte Abwasser gravitativ in den darunterliegenden Flüssigreaktor. Durch Belüfterröhrchen gelangt Luft in den Flüssigreaktor und durchströmt die so genannte Festbettzone, auf der ein Biofilm aufgewachsen ist. Nach einer definierten Verweilzeit wird die biologisch behandelte Flüssigkeit in eine nachgeschaltete thermische Hygienisierungseinheit geleitet, wo durch Erhitzung pathogene Keime vernichtet werden. Die fertig aufbereitete Flüssigkeit wird in definierten Chargen während der Fahrt auf den Gleiskörper abgegeben. Ein Flüssigkeitsaustritt bei Fahrzeugstillstand wird dabei verhindert, die Toilettenbenutzung ist jedoch uneingeschränkt möglich.
Hierbei handelt es sich um eine technisierte Form einer Komposttoilette.
Verbrennung
Vereinzelt werden Toilettensysteme genutzt, welche die Fäkalien verbrennen. Die dafür benötigte Verbrennungstemperatur wird häufig mit einer elektrischen Heizwendel erzeugt. Hierbei gibt es Systeme, welche die flüssigen Bestandteile zunächst von den festen trennen und nur die festen verbrennen. Die flüssigen Bestandteile werden mit einer nachgeschaltete thermische Hygienisierungseinheit behandelt und anschließend entweder zur Spülung genutzt oder auf das Gleisbett abgegeben. Andere Systeme verdampfen hingegen die flüssigen Bestandteile und verbrennen anschließend den Rest. Übrig bleiben lediglich Verbrennungsreste, die entsorgt werden müssen.
Galerie
- Papierhandtücher, Toilettenpapier und ein Waschbecken mit Seifenspender bilden die Grundausstattung einer Zugtoiette
- Toilette in einem taiwanesischen Hochgeschwindigkeitszug
- mehrsprachiger Hinweis Während des Aufenthaltes auf Bahnhöfen ist die Benutzung des WC nicht gestattet in einem Wagen der Polnischen Staatsbahn
- Eine von mehreren Toiletten im Unterstock eines Amtrak-Superliners
Weblinks
Einzelnachweise
- Norm DIN EN 16922:2019-09 Bahnanwendungen–Versorgungsdienste–Fahrzeugabwasserentsorgungseinrichtungen
- Druck im Tunnel In: Der Spiegel, 27. Juli 1986, abgerufen am 30. November 2021.