Telematikinfrastruktur
Die Telematikinfrastruktur (TI) soll alle Beteiligten im Gesundheitswesen wie Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser, Apotheken und Krankenkassen im Rahmen der digitalen Gesundheitsanwendung miteinander vernetzen. Medizinische Informationen, die für die Behandlung der Patienten benötigt werden, sollen so schneller und einfacher verfügbar sein.[1] Nach dem E-Health-Gesetz müssen alle deutschen Arztpraxen eine solche E-Health installieren; für Österreich ist der E-Health-Verzeichnisdienst maßgeblich. Wesentliche Kernanwendung der Telematikinfrastruktur zur Unterstützung der medizinischen Versorgung der Versicherten ist die elektronische Patientenakte.[2]
In Deutschland hatten laut dem Gesetz für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen sowie zur Änderung weiterer Gesetze vor allem Vertragsärzte/Vertragspsychotherapeuten und Krankenkassen bis zum 1. Juli 2018 die für die Telematik notwendige Infrastruktur einzurichten, um als erste Anwendung das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) durchführen zu können. Das Versichertenstammdatenmanagement betrifft die Routinedaten der Versicherten (Geschlecht, Name, Vornamen, Geburtsdatum, Wohnanschrift und Versichertenstatus) sowie auch seine Diagnosedaten. Die ICD-Diagnosen sowie eventuelle Notfalldaten oder Medikationen können mit Einverständnis der Versicherten freigeschaltet und gespeichert werden. Durch die Online-Prüfung können die entsprechenden Daten in der Patientenakte des Arztes und auf der eGK aktualisiert werden. Außerdem kann geprüft werden, ob der Patient aktuell ein versichertes Pflichtmitglied, ein freiwilliges Mitglied, ein Mitglied der Krankenversicherung der Rentner oder ein beitragsfrei mitversichertes Familienmitglied (mitversicherte Person im Rahmen der Familienversicherung) seiner angegebenen Krankenkasse ist.[3] Eine Identitätsfeststellung ist jedoch nicht vorgesehen.
Nach dem Digitale-Versorgung-Gesetz müssen sich Apotheken bis zum 30. September 2020 und Krankenhäuser bis zum 1. Januar 2021 an die Telematikinfrastruktur anschließen.[4]
Notwendige Komponenten
Die notwendige Telematikinfrastruktur besteht aus mehreren Komponenten. Der Konnektor und das Kartenterminal müssen von der gematik zugelassen und vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zertifiziert sein.[5]
Der Konnektor
Der Zugang zur Telematikinfrastruktur erfolgt über den Konnektor.
Neben dem Zugang zur Telematikinfrastruktur über ein Virtual Private Network (virtuelles privates Netzwerk, VPN) stellt der Konnektor verschiedene Schnittestellen zu Applikationen in der Telematikinfrastruktur zur Verfügung.
Diese sind u. a.:
- Versichertenstammdatenmanagement (VSDM)
- Kommunikation im Medizinwesen (KIM)
- Qualifizierte elektronische Signatur (QES)
- Elektronische Patientenakte (EPA)
- Notfalldatenmanagement (NFDM)
- elektronischer Medikationsplan/Arzneimitteltherapiesicherheit (eMP/AMTS)
Der Konnektor ist mit den stationären Kartenterminals der Praxis sowie mit dem Praxisverwaltungssystem (PVS) der Praxiscomputer per Netzwerk verbunden. Das Praxisverwaltungssystem muss angepasst werden, um eine Verbindung zum Konnektor zu ermöglichen und um die Versichertendaten der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) importieren zu können.
Der Konnektor wiederum stellt für das Praxisverwaltungssystem die Verbindung zur Telematikinfrastruktur her. Daneben erfüllt der Konnektor weitere Sicherheitsaufgaben, wie das Verschlüsseln und Signieren von medizinischen Dokumenten.
Der Konnektor überträgt personenbezogene Daten, deshalb gelten besondere Sicherheitsanforderungen. Der Standort des Konnektors sollte zutrittsgeschützt sein.[6]
E-Health-Kartenterminal
Im E-Health-Kartenterminal werden dreierlei Chipkarten eingelesen:
- SMC-B-Karte (Security Module Card-Typ B) bestätigt der Telematikinfrastruktur, dass der Zugriff über eine berechtigte Einrichtung (Praxis, Medizinisches Versorgungszentrum, Krankenhaus) erfolgt. Die SMC-B-Karte ist ein Praxisausweis – eine Chipkarte, die die Praxis für die Teilnahme an der Telematikinfrastruktur authentifiziert. Dieser Praxisausweis wird bei jedem neuen Einschalten des Kartenterminals, beim Neustart des Konnektors oder z. T. auch beim Start des Praxisverwaltungssystems durch die Eingabe eines PIN-Codes (persönliche Identifikationsnummer) freigeschaltet und verbleibt im Kartenterminal.
- Der elektronische Heilberufsausweis (eHBA) ist eine Chipkarte für Ärzte (elektronischer Arztausweis), Zahnärzte, Psychotherapeuten, Apotheker und künftig auch für Angehörige anderer Gesundheitsberufe, die sich damit identifizieren.
- Die elektronische Gesundheitskarte, mit der sich der jeweilige Patient ausweist.
Stationäre E-Health Kartenterminals benötigen außerdem zusätzlich eine weitere Chipkarte, die so genannte gSMC-KT (gerätespezifische Security Module Card für stationäre eHealth Kartenterminals), um sich als Teil der TI gegenüber dem Konnektor zu identifizieren.
VPN-Zugangsdienst
Für den Zugang zur Telematikinfrastruktur benötigen Praxen einen speziellen VPN-Zugangsdienst – ähnlich einem Internetprovider, der den Zugang zur TI bereitstellt. Dieser wird über den Konnektor hergestellt und kann sowohl parallel zur bestehenden Netzwerkinfrastruktur als auch seriell als einziger Router für das Praxisnetz eingerichtet werden. Obwohl der serielle "Reihenbetrieb" höheren Sicherheitsanforderungen genügt, wird in der Praxis häufig der Parallelbetrieb eingerichtet, da er weitere internetbasierte Dienste und Anwendungen nicht behindert.[7]
Sicheres Netz der Kassenärztlichen Vereinigungen
Das Sichere Netz der Kassenärztlichen Vereinigungen (SNK) ist Teil der Telematikinfrastruktur, womit Ärzte und Psychotherapeuten zum Beispiel die Abrechnung online bei ihrer Kassenärztliche Vereinigung einreichen können.
Kosten
Nach den gesetzlichen Vorgaben sind die Krankenkassen verpflichtet, die Kosten für die Erstausstattung der Praxen und für den laufenden Betrieb in voller Höhe zu übernehmen. Da hierüber keine Einigung erzielt wurde, hatten die Vertragspartner, also die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband), das Bundesschiedsamt eingeschaltet. Nach dessen Entscheidung beträgt der Erstattungsbetrag ab dem 3. Quartal 2018 je nach Praxisgröße 1.155 Euro bis 2.025 Euro. Darüber hinaus erhalten Ärzte und Psychotherapeuten eine einmalige Startpauschale von 900 Euro. Damit werden vor allem Kosten erstattet, die im Zusammenhang mit der technischen Ausstattung stehen, zum Beispiel für den Praxisausfall während der Installation des Konnektors und für die Kosten der Anpassung des Praxisverwaltungssystems. Demjenigen, der nicht rechtzeitig die Erstausstattung bestellt, werden diese Kosten nicht mehr erstattet.
Die Betriebskostenpauschale für die Wartung der Technik und deren Updates beträgt 248 Euro je Quartal. Darüber hinaus werden auch die Betriebskosten für den Praxisausweis in Form der SMC-B Smartcard in Höhe von 23,25 Euro pro Quartal und Karte sowie für den Arztausweis in Form der HBA Smartcard in Höhe von 11,63 Euro pro Quartal und Karte vergütet.[8]
Sanktionen
Als Sanktion wird gemäß § 291 Absatz 2b Satz 14 SGB V eine Honorarkürzung (in Höhe von zuerst 1 % ab dem 1. Juli 2019 für das zweite Halbjahr 2019 und für die beiden ersten Monate des Jahres 2020 mit Erhöhung ab dem 1. März 2020 auf 2,5 % des vertragsärztlichen Honorarumsatzes) denjenigen Praxen angedroht, die ihrer Pflicht zum Versichertenstammdatenmanagement nicht nachkommen. Ähnliche Sanktionen betreffen auch die öffentlich-rechtlichen Gesellschafter der Betriebsgesellschaft gematik GmbH – die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) und den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV). Sie müssen mit Haushaltskürzungen rechnen, wenn Fristen zur Umsetzung nicht eingehalten werden. Den im Gesetz genannten Termin musste der Gesetzgeber jedoch verschieben, weil es zu Verzögerungen bei der Bereitstellung der notwendigen Technik gekommen war. Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz hatte der Gesetzgeber eine weitere Fristverlängerung bis zum 30. Juni 2019 beschlossen.
Kritik
Kritik, sowohl an der praxisexternen Speicherung von Gesundheitsdaten als auch an der Anbindung von Praxen und Krankenhäusern an eine Telematikinfrastruktur, erfolgt auf Grund des bestehenden Risikos, dass Daten illegal abgeführt werden, und befürchteten zunehmenden Missbrauchs der Gesundheitsdaten. In der Vergangenheit wurden bereits Sicherheitslücken aufgedeckt[9]. Es gibt Hinweise darauf, dass die Einrichtung der TI in den Praxen nicht flächendeckend qualitativ ausreichend erfolgt[10], noch 2019 konnten Firewalls der Praxen geöffnet werden, um die TI funktionsfähig zu betreiben[11]. Sie richtet sich auch an den leichtfertigen Umgang eines Großteils der Bevölkerung mit diesen sensiblen Daten. Die Kritik an der elektronischen Gesundheitskarte und der damit verbundenen Anbindung an die Telematikinfrastruktur richtet sich vor allem dagegen, dass sie ein Einfallstor für die Speicherung von Gesundheitsdaten auf zentralen Servern der Krankenkassen sein wird.
Ausblick
Die Ärzte-Zeitung berichtet über "neue E-Health-Pläne aus dem Hause Spahn": Ab 2022 sollen alle kartenbasierten Anwendungen durch eine andere Technik ersetzt werden. Vorgesehen sei auch eine EU-Erweiterung der TI. Dadurch soll eine grenzüberschreitende Patientenversorgung auch im Pandemie-Fall gewährleistet werden.[12] Aus dem Bundesgesundheitsministerium gibt es erste Eckpunkte für ein neues Digitalisierungsgesetz. Gesundheitsminister Jens Spahn will die Anzahl der Nutzer der Telematikinfrastruktur deutlich ausweiten. Er will die TI „an Europa“ anschließen. Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) würde damit zum Auslaufmodell.[13]
Bei dem geplanten Gesetzesvorhaben handelt es sich nach dem Digitale-Versorgung-Gesetz (DGV) vom 19. Dezember 2019 und nach dem am 21. Oktober 2020 in Kraft getretenen Patientendatenschutzgesetz (PDSG) um ein drittes "Digitalisierungsgesetz" mit geplanter Rechtswirksamkeit ab dem 1. Januar 2023. Das Versichertenstammdatenmanagement soll dann entfallen, sämtliche kartenbasierten Anwendungen sollen von anderen Speicher- und Zugriffsarten abgelöst werden und weitere Leistungsanbieter wie Hebammen, Notfallsanitäter, Heilmittelerbringer sowie Hilfsmittelerbringer sollen dann an die neue Telematikinfrastruktur angeschlossen werden. Eine digitale Identitätsprüfung von Ärzten und Patienten soll dann möglich werden.[14]
Das Handelsblatt meldet am 25. November 2020, „dass die heute eingesetzten Hardware-Boxen nach fünf Jahren schrottreif sind, weil dann ihr Sicherheitszertifikat ausläuft. Das Konnektor-Sterben des Konnektors wird bald beginnen, zeigt eine Kleine Anfrage der Grünen, die Handelsblatt Inside vorliegt. Ab September 2022 werden die ersten Konnektoren unbrauchbar, bis Ende 2023 sind es voraussichtlich 39 Prozent aller Geräte.“[15] Die Bundesregierung will eine solche Verschrottung verhindern: „Eine Lösungsfindung könne nur zusammen mit den Herstellern der Konnektoren gelingen, teilte die Gematik dem Deutschen Ärzteblatt auf Nachfrage mit. ‚Die Gematik erarbeitet daher gemeinsam mit den Herstellern Lösungen, um einen reibungslosen Betrieb von Praxen und Krankenhäuser auch über das Laufzeitende der Zertifikate hinaus sicherzustellen‘, so der Gematik-Sprecher.“[16]
Literatur
- TI-Hinweise 2, Deutsche Krankenhausgesellschaft. Abgerufen am 17. Mai 2019.
- Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) § 291b Gesellschaft für Telematik
- Christoph Goetz: Grundpfeiler der Telematikinfrastruktur. In: KVBForum. 12, 2017, S. 6–8.
Weblinks
Einzelnachweise
- Telematikinfrastruktur, Februar 2019. Abgerufen am 17. Mai 2019.
- Vorbemerkung der Bundesregierung auf BT-Drs. 19/16228
- Telematikinfrastruktur. Abgerufen am 1. Juli 2019.
- Entwurf eines Gesetzes für eine bessere Versorgung durch Digitalisierung und Innovation (Digitale-Versorgung-Gesetz – DVG) BT-Drs. 19/13438 vom 23. September 2019, S. 35.
- Informationsblatt – Technische Ausstattung einer medizinischen Einrichtung, gematik, 1. Oktober 2017. Abgerufen am 17. Mai 2019.
- Warum der Konnektor so wichtig ist, Ärzte-Zeitung online, 1. September 2017. Abgerufen am 17. Mai 2019.
- Deutscher Ärzteverlag GmbH, Redaktion Deutsches Ärzteblatt: IT-Sicherheit: Konnektor ist nicht das Problem. 3. Mai 2019, abgerufen am 1. Juli 2019.
- Kosten für Anbindung an die Telematikinfrastruktur werden erstattet, Kassenärztliche Bundesvereinigung, 4. Mai 2017. Abgerufen am 18. Mai 2019.
- Vortrag auf der Jahreskonferenz 2019 des Chaos Computer Club Abgerufen am 19. Februar 2021
- Vortrag auf der Jahreskonferenz 2020 des Chaos Computer Club Abgerufen am 19. Februar 2021
- Interview mit Jens Ernst vom Juni 2019. Abgerufen am 11. Oktober 2019
- Ärzte-Zeitung online vom 22. Oktober 2020.
- Ärzte-Zeitung online vom 23. Oktober 2020.
- Ärzte-Zeitung, 39. Jahrgang, Nummer 76/2020, 23. Oktober 2020, S. 22.
- Julian Olk: Handelsblatt inside, Digital Health: Krankenkassen müssen nach Milliarden-Rechnung wohl erneut zahlen – Konnektoren für die Telematikinfrastruktur werden bald reihenweise schrottreif. Krankenkassenvertreter toben, weil sie die neuen Konnektoren wohl auch bezahlen müssen. 25. November 2020 - 16:53 Uhr.
- Zitat: Deutsches Ärzteblatt, Online-Meldung vom 26. November 2020.