Suderwich
Suderwich ist ein Stadtteil der Stadt Recklinghausen in Nordrhein-Westfalen.
Geschichte
Etwa um die Mitte des zweiten Jahrhunderts n. Chr. kamen Germanen, vielleicht zuerst die Sugambrer, in den Suderwicher Raum. Um 1066 tauchte in der Hebeliste des Essen-Werdener Klosters erstmals der Name Suderwick auf. Das bedeutete wohl Süddorf. Die Höfe waren bereits lehnspflichtig geworden. Das gilt auch für die drei Schultenhöfe Önting, Dobbeling und Pepping. Suderwich gehörte zum Vest Recklinghausen, das dem Kölner Erzbischof unterstand. Für Suderwich war Recklinghausen der Sitz der Gerichtsbarkeit und Horneburg der Ort der Verwaltung. Man ernährte sich von Ackerbau und Viehzucht. Emscherbruch und Esselerloh lieferten Weideland und Holz. Ab 1457 gab es in der Suderwicher Markgenossenschaft 70 Scharenberechtigte. Ab 1765 ging man daran, die gemeinsame Nutzung aufzulösen.
Der Kölnische-Spanisch-Niederländische, der Dreißigjährige und der Siebenjährige Krieg brachte den Bauern jeweils Einquartierungen, Kontributionen, Plünderung und Brandschatzung. In den Folgejahren wurde die wirtschaftliche Entwicklung durch häufig wechselnde Herrschaftsverhältnisse beeinträchtigt: nach der Kurkölnischen Zeit folgte das Herzogtum Arenberg, sodann für kurze Zeit das Großherzogtum Berg bis schließlich 1814 Preußen das Vest übernahm.
Ab 1860 machte sich die beginnende Industrielle Revolution im Dorf zunächst durch den florierenden Schweinehandel bemerkbar. Mit der Abteufen der Doppelschachtanlage König-Ludwig IV/V im Jahr 1900 erreichte der Bergbau den Suderwicher Raum. Damit vollzog sich ein tiefgreifender Strukturwandel vom bäuerlich geprägten Dorf zur Industrielandschaft. Der hohe Flächenbedarf des Bergbaus ermöglichte den Bauern lukrative Immobiliengeschäfte. Das Verhältnis zwischen Alteingesessenen und zugezogenen Koloniebewohnern blieb aufgrund der Unterschiede in Sprache, Sitte und Konfession über Jahrzehnte spannungsreich. Aufgrund des Bevölkerungswachstums genügte die Dorfschule nicht mehr. An der Henrichenburger Straße wurde eine katholische Volksschule gebaut, die 1909 eröffnet wurde.[4] 1919 zählte sie bereits 560 Schüler.
Im 20. Jahrhundert wurde Suderwich zum Wohnvorort von Recklinghausen. Am 1. April 1926 wurde die Landgemeinde in die Stadt Recklinghausen eingegliedert – gegen das Widerstreben vieler Suderwicher Bürger, das auch nach der vollzogenen Eingemeindung anhielt.[5] Die Entfaltung des Schulwesens wurde durch die Eingemeindung begünstigt; ebenso wurde eine Großsporthalle errichtet.
1909 wurde der lokale Sportverein SG Suderwich gegründet.
Religion
Um 1250 wurde eine dem Johannes dem Täufer geweihte Holzkapelle gebaut. Mutterkirche war St. Peter in Recklinghausen. Nachdem diese Kapelle 1441 abbrannte, errichtete man eine Kirche von Stein in romanischem Stil. Die Namen der amtierenden Geistlichen sind bis zum Jahr 1510 nachweisbar. 1683 erwarb die Pfarrei das Beerdigungsrecht und wurde damit selbständig. Im Dreißigjährigen Krieg musste der Kirchturm erneuert werden und 1820 das Kirchenschiff. Nach dem Tode des Pfarrers 1877 blieb die Pfarrstelle acht Jahre unbesetzt.
1904 wurde die neugotische St.-Johannes-Kirche mit ihren 75 Meter hohen Turm[6] erbaut.
1907 wurde für die zugezogenen Bergleute evangelischer Konfession ein so genannter Betsaal in der Henrichenburger Straße errichtet. Der Pfarrer dieser Gemeinde, Walter Zillessen, machte sich um die Erforschung der Lokalgeschichte verdient.
Die 1954 eingeweihte katholische St.-Barbara-Kirche wurde im September 2011 aufgrund von Mitgliederschwund wieder abgerissen.[7] Unweit der einstigen Kirche wurde als Ersatz die (kleinere) Barbarakapelle gebaut. Die freigewordenen Flächen in Suderwich-Süd werden als Bauland vermarktet.
Bergbau
1898 erwarb die Gewerkschaft König Ludwig die Berechtsame der Grubenfelder im Umkreis von Suderwich. Von 1900 bis 1902 wurden die Schächte König-Ludwig 4/5 abgeteuft, 1903 wurde neben der Zeche eine Kokerei errichtet.
Im Zuge der Ruhrbesetzung durch französische und belgische Truppen wurde am 1. April 1923 auch die Schachtanlage in Suderwich besetzt und am 10. Oktober 1923 von der Mission interalliée de Contrôle des Usines et des Mines (Interalliierte Behörde zur Kontrolle der Fabriken und der Bergwerke), die die Ablieferung der Kohleförderung als Bestandteil der Reparationen nach dem Ersten Weltkrieg überwachte, beschlagnahmt. Dagegen leisteten die Bergleute passive Widerstand. Als die Besetzung am 27. Oktober 1924 endete, waren die Anlagen in einem desolaten Zustand, die Suderwicher Kokerei musste abgerissen werden. Die neue Kokerei bei Schacht 4/5 wurde 1926 fertiggestellt.
Im Zweiten Weltkrieg wurden zwei Zwangsarbeitslager eingerichtet. Der auf den Krieg folgende wirtschaftliche Aufschwung führte 1955 bei der fusionierten Bergbau AG Ewald-König Ludwig zu einer maximalen Förderleistung von 1.618.076 Tonnen bei einer Belegschaft von 7767 Mann.
Ende der 1950er Jahre zeigte sich, dass der Abbau der geologisch stark gestörten Lagerstätten von „König Ludwig“ unrentabel wurde: 1965 wurde trotz Protestaktionen der IG Bergbau und Energie die Stilllegung der Zeche beschlossen. Diese erfolgte am 15. Juli 1965; die Kokerei wurde noch bis 1978 durch die Ruhrkohle AG weiter betrieben. Die Tagesanlagen wurden in der Folgezeit weitestgehend abgerissen.
Einwohnerentwicklung
Suderwich hatte um 1818 nur 652 Einwohner, um 1900 waren es 1488, aber im Jahre 1910 bereits 5.932 Einwohner; 1999 wurde der Höchststand mit rund 12.000 erreicht.
Verkehr
In Suderwich befindet sich der 1983 stillgelegte Bahnhof Recklinghausen-Suderwich an der Bahnstrecke Oberhausen-Osterfeld–Hamm. Der Abriss des Bahnhofsgebäudes war für das Jahr 2019 angekündigt.[8] Heutzutage kann Suderwich im öffentlichen Nahverkehr nur noch über die Buslinien der Vestischen erreicht werden (Linien 213, 233 und 234). Den Südrand Suderwichs flankiert die A 2 (E 34).
Literatur
in der Reihenfolge des Erscheinens
- Heinrich Schröder: Fest- und Heimatschrift der Pfarrgemeinde St. Johannes Recklinghausen-Suderwich zum 50. Jahrestag der Einweihung der jetzigen Kirche am 20. Oktober 1904. Aurel Bongers, Recklinghausen 1954.
- Walter Zillessen: Unser Suderwich. Geschichte eines Recklinghäuser Stadtteils. Winkelmann, Recklinghausen 1974.
- Walter Zillessen: Suderwich kulturgeschichtlich gesehen. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte der Stadt Recklinghausen aus Anlass der Eingemeindung vor 50 Jahren (1. April 1926). Peters, Recklinghausen 1975.
- Walter Zillessen: Der Kirchenkampf in der evangelischen Gemeinde Recklinghausen-Suderwich (1934–1943). Ein Beitrag zur Geschichte des Kirchenkreises Recklinghausen aus Anlaß des Gedenkens an seine Gründung am 11. Juni 1907. In: Vestische Zeitschrift, Jg. 81 (1982), S. 190–212.
- Walter Zillessen (Red.): Suderwicher und Esseler Wirtschaftschronik. Winkelmann, Recklinghausen 1986.
- Walter Zillessen (Red.): Suderwicher Rückblicke. Bemerkenswerte dokumentarische Berichte aus Suderwichs Vergangenheit. Peters, Recklinghausen 1990.
- Werner Koppe: „Die Disziplin ist gut ... das Schulgebäude selbst aber befindet sich in allerschlechtestem Zustande“. Die Geschichte des Suderwicher Elementarschulwesens. Winkelmann, Recklinghausen 2010, ISBN 978-3-938850-10-7.
- Ulrich Eumann: Slowenische Arbeitsmigranten in Suderwich. In: Vestische Zeitschrift, Jg. 102 (2008/2009), S. 217–239.
Weblinks
- Kartendienst der Stadt Recklinghausen mit Stadtteilgrenzen
- Suderwich im Kulturatlas Westfalen
Einzelnachweise
- Statistischer Vierteljahresbericht III 2015 (Memento des Originals vom 30. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Stadt Recklinghausen (PDF; 9,9 MB)
- Kartendienst der Stadt Recklinghausen mit Stadtteilgrenzen
- Topographisches Informationsmanagement, Bezirksregierung Köln, Abteilung GEObasis NRW (Hinweise),
- Werner Koppe: „Die Disziplin ist gut ... das Schulgebäude selbst aber befindet sich in allerschlechtestem Zustande“. Die Geschichte des Suderwicher Elementarschulwesens. Winkelmann, Recklinghausen 2010, S. 93–101.
- Stephanie Reekers: Die Gebietsentwicklung der Kreise und Gemeinden Westfalens 1817–1967. Aschendorff, Münster Westfalen 1977, ISBN 3-402-05875-8, S. 285.
- St. Johannes-Kirche RE-Suderwich, Route Industriekultur
- Profanierung und Abriss St.-Barbara-Kirche in Suderwich
- Recklinghäuser Zeitung vom 28. Februar 2018.