Strandbad Mettnau
Das Strandbad Mettnau ist ein Freibad in Radolfzell am Bodensee. Das am Südufer der Halbinsel Mettnau gelegene Strandbad ist die größte der Radolfzeller Badeanstalten und wurde im Jahr 1928 eröffnet. Es zählt neben dem weiter stadtwärts gelegenen Seebad, dessen Anfänge auf das Jahr 1865 zurückgehen, zu den für den Untersee typischen, älteren Freibadeanstalten und wurde aufgrund seiner besonderen Lage, Architektur und Weitläufigkeit als das „für die damalige Zeit schönste Strandbad am Bodensee“ bezeichnet.[1] Anders als beim Seebad blieb die historische Bausubstanz des Strandbads trotz mehrerer Erweiterungs- und Umbauten in den 1970er und 1980er Jahren weitestgehend erhalten. Das heutige Strandbad erstreckt sich über eine Uferlänge von etwa 360 m bei einer Gesamtlandfläche von etwa 31.000 m² und verfügt über eine gute Verkehrs- und Stadtbusanbindung sowie Besucherparkplätze. Es befindet sich wie auch das Seebad in städtischem Eigentum und wird zur Pacht ausgeschrieben. Pacht, Benutzungsgebühren und Eintrittspreise werden für die beiden „Verbundbäder“ See- und Strandbad von der Radolfzeller Stadtverwaltung festgelegt.[2]
Geschichte und Anlage
Vor dem Hintergrund des in den 1920er Jahren zunehmenden Badetourismus gab es seit 1923 Überlegungen für den Bau einer größeren städtischen Badeanstalt.[3] Als die Stadt 1926 den gesamten Ostteil der Mettnau, das 82 Hektar große ehemalige Landgut des Schriftstellers Joseph Victor von Scheffel, wieder zurückerwerben konnte, nachdem es zuvor mehrfach den Besitzer gewechselt hatte, war sie Eigentümerin am Baugelände des Strandbads und des zeitgleich gebauten, östlich angrenzenden „Strandcafés“ geworden. Nach Plänen des Radolfzeller Stadtbaumeisters Georg Zimmermann (1872–1955)[4] entstand auf dem ehemaligen Reb- und Obstgelände des Mettnaugutes das Strandbad Mettnau, das in kurzer Bauzeit im ersten Halbjahr 1928 errichtet und am 24. Juni des Jahres eröffnet wurde. Schon im ersten Sommer konnte es eine Besucherzahl von 40.000 Personen aufweisen.[5]
Die Badekultur am Bodensee um 1930 stand im Einfluss der Lebensreformbewegung, die See-, Luft- und Sonnenbaden als moderne Freizeitbeschäftigung für eine breite Bevölkerungsschicht etablierte und einen offen gestalteten, „neuen Typus des Strandbades“ hervorbrachte, was sich am Mettnau-Strandbad exemplarisch aufzeigen lässt.[6] „An die Stelle des traditionellen Kastenbades im Wasser (...) treten seit Beginn der 1920er Jahre Bauten am Ufer mit Liegewiesen, Umkleidekabinen und Sportmöglichkeiten wie Wasserrutschen oder Sprungtürmen“.[7]
Durch das zur Institutionalisierung und Ankurbelung des Fremdenverkehrs 1936 eingerichtete städtische Verkehrsamt wurde das Strandbad in der Zeit des Nationalsozialismus und mit dem Reiseveranstalter Kraft durch Freude (KdF) verstärkt auch überregional beworben:[8]
„Das Radolfzeller Strandbad zählt zu den schönsten im deutschen Süden. Der Strand fällt gemächlich in den See ab und erlaubt auch den Nichtschwimmern ein fröhlich-unbesorgtes Sichtummeln in Wasser und Sonne. Weite Rasen laden zu allerlei Spiel oder zu geruhsamen Träumen im Anblick der bezaubernden See- und Berglandschaft.“
Während im Seebad seinerzeit Funktionsbau und Uferbereich noch strikt in ein „Damen-“ und „Herrenbad“ eingeteilt waren, beschränkt(e) sich die Geschlechtertrennung der Badegäste des neueren Strandbads auf zwei versetzt symmetrisch angeordnete Seitenflügel mit den Umkleidekabinen und sänitären Anlagen („Umkleide Damen“ / „Umkleide Herren“). Neben der gemischtgeschlechtlichen Abteilung („Familienbad“) gab es zudem eine „Frauenabteilung“, die durch eine Grünhecke optisch abgetrennt war. Der markante, klassizistisch anmutende Baukörper des Hauptgebäudes mit Eingangshalle, zentralem Mittelbau und den beiden, Innenhöfe bildenden Seitenflügeln gilt architektonisch als bedeutender und „erhaltenswerter Beleg einer fast 100 Jahre alten Bau- und Bädergeschichte“, wurde jedoch bislang nicht unter Denkmalschutz gestellt. So kam es vor allem in den 1980er Jahren zu An- und Umbauten, wobei allerdings die ursprüngliche Ausdehnung und Struktur des Funktionsgebäudes nicht wesentlich verändert wurden.[9] Die Liegewiesen östlich des Hauptgebäudes prägten anfangs eine große, rechteckige Sandfläche, die an einer Längsseite von einer Sitzmauer eingefasst war; nördlich davon zwei durch Treppen abgesetzte, von Hecken umgebene „Ruheräume“ und ein daran östlich angrenzender „Turn-“ und „Spielplatz“. Die ganze südwestliche, damals noch schilfbewachsene Bucht Richtung „Urkundenhäuschen“ gehörte 1928 noch nicht zum Strandbadareal. Die Liegeflächen hin zum etwa 30 m breiten Kiesstrand säumen bis heute Pyramidenpappeln, deren Altbestand in den vergangenen Jahrzehnten durch verschiedene Windbruch-Ereignisse dezimiert wurde und teils mit Jungbäumen ersetzt werden musste. Mehrere, ins Wasser führende Laufstege – anfangs aus Holzplanken, später aus Beton – wurden durch einfache Handläufe ersetzt.
Im Wasser folgt auf das Ufer ein ca. 50 m in den See führender Flachwasserbereich – im Schwimmerbereich vier Floßinseln, das sogenannte „Große Floß“ lange Zeit mit Sprungbrett, und rot-weiße Begrenzungsbojen –, wodurch das Strandbad besonders bei Familien mit Kindern sehr beliebt war und ist. Bereits um 1930 hatte man im östlichen Uferbereich eine hölzerne Rutschbahn ins Wasser errichtet und etwa 80 m vom Strand entfernt einen Sprungturm mit Dreimeterbrett. Um 1960 wurde die Rutschbahn durch eine Konstruktion aus Metall ersetzt, die nach 1980 zusammen mit dem alten Betonsockel gänzlich abgetragen wurde, nachdem sie 1966 aufgrund sinkender Wasserstände noch einmal seewärts versetzt worden war. Vermutlich schon früher war auch der Sprungturm wieder abgebaut worden. In den frühen 1980er Jahren entstand im westlichen Uferbereich eine Wachstation der DLRG; dort befand sich ursprünglich ein gemauerter Bootsanleger, der noch bis in die 1960er Jahre genutzt wurde und danach bis zur Renaturierung des Uferbereichs als flaches Sprungplateau beliebt war. In den 1980er Jahren und später wurden außerdem die originalen Holzumkleidekabinen ersetzt, die Anlage um einen Gastronomie-Bereich mit zweigeschossiger Besucherterrasse an der zentralen Mittelhalle erweitert und ein größerer Spielplatz und ein Beachvolleyball-Feld angelegt.
Von etwa 1975 bis 1991 prägte die syrischstämmige Pächterfamilie Hamseh Ayub das Badewesen im Strandbad.
Jüngste Entwicklungen
Rund 90 Jahre nach der Eröffnung des als klassisches Familienbad geltenden und beliebten Strandbads erkannte die Stadt Radolfzell 2017 einen grundlegenden Sanierungsbedarf und beschloss, die Sanierung und Erweiterung der Badeanstalt im Rahmen eines nichtoffenen Realisierungswettbewerbs auszuschreiben. Der Ausschreibung zufolge entspreche das Gebäude des Bades „nicht mehr (den) heutigen Ansprüchen“, stelle jedoch „ein starkes Zeugnis der damaligen Zeit und Badekultur dar und soll deshalb weitgehend erhalten bleiben“. Der Realisierungswettbewerb 2018 suchte „Lösungen für die Sanierung als zeitgemäßer Betrieb und eine Erweiterung mit einer Ganzjahresgastronomie“. Die Aufgabe betraf sowohl das Eingangs- und Funktionsgebäude wie auch die angrenzenden Freiflächen. Am 12. Juli 2019 entschied das Preisgericht über 23 eingereichte Arbeiten und vergab drei Preise. Dem ersten Preisträger, ein Architekturbüro aus Leipzig, wurde die weitere Bearbeitung übertragen; seitdem kam es jedoch zu keiner Umsetzung des gegenwärtig wegen offener Finanzierungsfragen ruhenden Bauvorhabens.[10]
Im Mai 2021 wurde bekanntgegeben, dass die Stadt zur „Steigerung der Aufenthaltsqualität im Strandbad ein Vielzahl an Maßnahmen umzusetzen“ plane, was sie bereits für die Badesaison 2021 in Aussicht stellte; das hierfür notwendige Investitionsvolumen wird mit 100.000 Euro angegeben. Als Maßnahmen werden genannt: Schaffung eines behindertengerechten Zugangs zum Eingangsgebäude, eines behindertengerechten Weges über die Freifläche zum Seeufer und einer behindertengerechten WC-Anlage; Ergänzung des Spielplatzangebots um inklusionsgerechte Spielmöglichkeiten und ein Klettergerüst, Instandsetzung von Dachflächen, Malerarbeiten an der Außenfassade und die Einrichtung eines kostenlosen WLAN.[11]
Mit der Badesaison 2021 beendeten die langjährigen kurdischstämmigen Pächterfamilien Derya Yildirim und Yüksel Stein ihren seit nunmehr dreißig Jahren bestehenden, zum 30. September 2021 auslaufenden Pachtvertrag;[12] laut eigenen Angaben sei der Entschluss schon länger gefasst worden, unabhängig von den angekündigten hohen Richtwerten der neuen Pachtausschreibung.[13] Die Stadtverwaltung hatte die Bäder im Juni 2021 gemäß Gemeindeordnung zum vollen Verkehrswert ausgeschrieben, was die Richtwerte des neu abzuschließenden Pachtvertrags über das See- und das Strandbad mehr als verdreifachte. Im Vorfeld der Oberbürgermeisterwahl 2021 führte dies zu kontroversen öffentlichen Debatten über den Erhalt des Strandbades in seiner jetzigen Größe und die zukünftigen Bedingungen seiner Betreibung und Nutzung.[14]
Literatur
- Stadt Radolfzell am Bodensee, Abteilung Stadtgeschichte (Hildegard Bibby, Katharina Maier) (Hrsg.): Radolfzell am Bodensee – Die Chronik. Stadler, Konstanz 2017, S. 238, ISBN 978-3-7977-0723-9.
- Franz Götz: Geschichte der Stadt Radolfzell. Schrift- und Bilddokumente, Urteile, Daten (= Hegau-Bibliothek, Band 12). Radolfzell 1967 S. 296–298.
- Franz Götz: Vom Rebgut und Dichtersitz zum Naturschutzgebiet und Sportkurzentrum. Aus der wechselvollen Geschichte der Halbinsel Mettnau bei Radolfzell. In: Badische Heimat 58 (1978), Freiburg 1978, S. 383–396.
- Eva Büchi: Als die Moral baden ging: Badeleben am schweizerischen Bodensee- und Rheinufer 1850-1950 unter dem Einfluss der Hygiene und der „Lebensreform“, Historischer Verein des Kantons Thurgau, Frauenfeld 2003; ISBN 978-3-9520-5969-2.
Film
- Sabine Steinfurth: Bodensee-Strandbad Mettnau: Oase kurdischer Herzlichkeit, SWR aktuell, 21. August 2021; abgerufen am 15. Oktober 2021
Weblinks
- Realisierungswettbewerb Strandbad, unter www.radolfzell.de; abgerufen am 15. Oktober 2021.
Einzelnachweise
- Peter Berthold, Siegfried Schuster, Karl Mühl: Naturschutzgebiet Halbinsel Mettnau. Geschichte – Natur – Landschaft, hrsg. v. Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee, Konstanz 1979, S. 10.
- Strandbad Mettnau, unter www.radolfzell.de.
- Franz Götz: Geschichte der Stadt Radolfzell. Schrift- und Bilddokumente, Urteile, Daten. (= Hegau-Bibliothek. Band 12). Radolfzell 1967, S. 296 f.
- Kurzvita in: Sebastian Hausendorf: „Eine böse Mißwirtschaft“. Radolfzell 1933–1935, Konstanz, UVK 2012, S. 83.
- Franz Götz: Vom Rebgut und Dichtersitz zum Naturschutzgebiet und Sportkurzentrum. Aus der wechselvollen Geschichte der Halbinsel Mettnau bei Radolfzell, in: Badische Heimat 58 (1978), Freiburg 1978, S. 383–396; zur Baugeschichte des Strandbads und Strandcafés hier S. 392 f.; Online (PDF) unter www.badische-heimat.de.
- Zur „Strandbadbewegung“ am Bodensee vgl. Eva Büchi: Als die Moral baden ging: Badeleben am schweizerischen Bodensee- und Rheinufer 1850-1950 unter dem Einfluss der Hygiene und der „Lebensreform“, Historischer Verein des Kantons Thurgau, Frauenfeld 2003; ISBN 978-3952059692; zum Strandbad Mettnau hier S. 132.
- Sonderausstellung „Licht-, Luft- und Sonnenbaden. Badekultur um 1930 in der Schweiz und am Bodensee“, Museum Lindwurm, Stein am Rhein 2017, unter www.museum-lindwurm.ch, in der Galerie der Sonderausstellung u. a. Fotografien vom Strandbad Radolfzell: Werbeplakat, Wasserrutschbahn und Umkleidekabinen.
- Vgl. das Kapitel Fremdenverkehr in: Sebastian Hausendorf: „Eine böse Mißwirtschaft“. Radolfzell 1933–1935, Konstanz, UVK 2012, S. 120 ff.
- Realisierungswettbewerb Strandbad (2019), unter www.radolfzell.de.
- Realisierungswettbewerb Strandbad (2019), unter www.radolfzell.de.
- Amtliche Mitteilung: Verbesserungen im Strandbad, unter www.radolfzell.de, abgerufen am 17. Oktober 2021.
- Sabine Steinfurth: Bodensee-Strandbad Mettnau: Oase kurdischer Herzlichkeit, SWR aktuell, 21. August 2021; abgerufen am 15. Oktober 2021.
- Marina Kupferschmid: Ende einer Ära in den Bädern. Ende des Monats endet im Strandbad und im Seebad die Ära der Pächterfamilien Yildirim und Stein, in: Südkurier, 14. September 2021; Online.
- Georg Becker: Kleiner Exkurs im Bürgersaal: Wie die Ausschreibung der Bäder zu verstehen ist, in: Südkurier, 2. Juli 2021, Online.