St. Nikolaus (Isny im Allgäu)
Die evangelische Stadtpfarrkirche St. Nikolaus in Isny im Allgäu, einer württembergischen Stadt des Landkreises Ravensburg, ist eine dreischiffige Pfeilerbasilika, an deren romanischen Bau von 1288 im 15. Jahrhundert ein spätgotischer Chor angefügt wurde. Diese sogenannte Nikolaikirche wurde nach der Reformation zur evangelischen Stadtpfarrkirche. Oberhalb der im 15. Jahrhundert gebauten Sakristei befindet sich ein gewölbter Raum mit einer Predigerbibliothek, die eine wertvolle Sammlung von Wiegendrucken und alten Büchern enthält, die für die bestellten evangelischen Prediger bestimmt waren.
Geschichte
St. Nikolaus, die sogenannte Nikolaikirche, ist die Nachfolgerin der Leute-Kirche, die in nächster Nähe zur Klosterkirche des ehemaligen Klosters St. Georg gebaut worden war. Im Jahr 1284 brannten mit dem Kloster und dem größten Teil der Stadt auch die Kirchen ab. Von der 1288 durch Heinrich von Brunow neu erbauten Kirche sind die Umfassungsmauern des Langhauses, die Rundbogenfenster des nördlichen Lichtgadens, die Arkadenbögen im Innern und der Turm bis zur Glockenstube erhalten geblieben. Der spätgotische Chor mit seinem Sternrippengewölbe wurde im 15. Jahrhundert angefügt. Als 1472 der Kirchturm umfassend erneuert wurde, dürfte dabei auch die Sakristei mit der über ihr befindlichen Predigerbibliothek entstanden und eingewölbt worden sein. Zu dieser Zeit ist wohl auch die Eberz’sche Kapelle entstanden, als Bestattungsort einer reichen Bürgerfamilie Isnys.
Beim großen Stadtbrand 1631 brannte die Kirche erneut aus. Trotz der schweren Kriegszeiten – mitten im Dreißigjährigen Krieg – wurde schon 1636 mit dem Wiederaufbau begonnen. Der Turm wurde erhöht und erhielt dann seine heutige Zwiebelhaube. 1689 stürzte das Südschiff ein. In den Jahren 1854 bis 1860 wurde das Gotteshaus neugotisch ausgestattet. 1959 erfolgte eine Sanierung der Westfassade, 1968–72 eine Gesamtrenovierung. Nach der Fassadensanierung von 1987 wurden 2005/2006 umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen durchgeführt.
Äußeres
Das Äußere der Basilika ist geprägt vom romanischen Langhaus, das eine ziemlich schmucklose Westfassade besitzt und an das im Osten ein spätgotischer Chor angebaut wurde. Überragt wird das lange Kirchenschiff vom Turm mit seiner Zwiebelhaube, die typisch barock ist. An das Langhaus ist die zweistöckige Sakristei angebaut, die in jeder Etage aus einem gewölbten Raum besteht. Im oberen Raum ist die Prädikantenbibliothek untergebracht. Neben der Sonnenuhr auf der Südseite des Chores befindet sich eine Bauinschrift, die das Jahr der Fertigstellung dokumentiert.
- Ansicht vom Schlosshof
- Spätgotischer Chor
- Barocke Zwiebelhaube
- Sonnenuhr mit Bauinschrift
Inneres
Das Innere ist geprägt von den kräftigen Pfeilern mit ihren dazwischen gespannten Rundbögen, die das hohe Mittelschiff von den niedrigen Seitenschiffen trennen. Die wuchtige Kassettendecke ist eine Errungenschaft des 19. Jahrhunderts, sie scheint etwas auf den Raum und auf die Seitenwände zu drücken. Einen gewissen Ausgleich schaffen die relativ zierliche Orgelempore und der schlichte Orgelprospekt. Das ebenfalls neugotische Kirchengestühl findet sich nur in den Seitenschiffen, während das Mittelschiff mit Stühlen ausgestattet ist, die einen gewissen Ausgleich zur schweren Holzdecke bewirken. Die Kassettendecken der Seitenschiffe sind schlicht gehalten.
- Blick vom Chor ins Langhaus der Basilika
- Blick zum Chor
- Gewölbte Sakristei mit Fresko
Fenster und Kreuzigungsgruppe
Die bunten Apsisfenster stammen von Wolf-Dieter Kohler, die Südfenster im Chor von der Isnyer Künstlerin Ursula Dethleffs. Aus dem 19. Jahrhundert stammen die übrigen Fenster, die den Evangelisten Johannes, die Madonna mit Kind sowie Jesus im Kreise von Kindern zeigen. Die den Chorbogen lettnerartig ausfüllende Kreuzigungsgruppe wurde von Ulrich Henn geschaffen.
- Chor mit drei bunten Fenstern
- Neugotisches Glasfenster: Evangelist Johannes
- Jesus mit den Kindern
- Madonna mit Kind
- Kreuzigungsgruppe
Kanzel und Taufstein
Die Kanzel ist typisch für das 19. Jahrhundert; sie ist ein Stilgemisch aus Renaissance, Barock und Neogotik. Sie weist einen kronenartigen Abschluss auf, auf dem der Auferstandene steht. Der Taufstein ist ein zweiteiliges Gebilde aus dem Unterteil mit dem eigentlichen Taufbecken und dem beweglichen Oberteil, das hochgezogen werden kann. Es zeigt einerseits die Szene der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer und symbolisiert andererseits das Taufgeschehen durch die herabschwebede Taube, die den Hl. Geist darstellen soll.
- Neugotische Kanzel
- Taufstein
- Bekrönung des Taufsteins
Kirchengestühl
Das neugotische Kirchengestühl ist nur in den Seitenschiffen des Langhauses vorhanden, das Mittelschiff ist durch bewegliche Stühle möbliert. Im Chor gibt es auch ein Gestühl, das aus einer anderen Epoche stammt.
Orgel
Die erste Orgel in der Nikolai-Kirche war 1856 erbaut worden und stammte aus der Orgelbauwerkstatt von Eberhard Friedrich Walcker.
Das heutige Instrument wurde in den Jahren 1961/1962 durch den Kirchenmusikdirektor Helmut Bornefeld konzipiert und von der Giengener Orgelmanufaktur Gebr. Link erbaut. Es hat 30 Register, die auf zwei Manuale und Pedal verteilt sind. Eine Besonderheit der Disposition stellt hier die Spanische Trompete im Hauptwerk dar.[1] Die Disposition der Link-Orgel lautet wie folgt:
|
|
|
- Koppeln: II/I, I/P, II/P
- Spielhilfen: Feste Kombinationen: Vorpleno HW; Pleno 8′ HW; Gesamtpleno 16′; Zungenpleno 16′, Vorpleno Pedal 16′; Pleno Pedal 16′, Pleno BW 8′; Zungen c.f. BW; Einzelregister aus Gruppenzügen; 3 freie Kombinationen, 2 freie Pedalkombinationen
Prädikantenbibliothek
Der Raum über der Sakristei ist ungefähr 5 m × 5 m groß. Er ist gewölbt und ausgemalt. Der 1482 erstmals urkundlich nachweisbare Raum gehört in seiner heutigen Erscheinungsform und Ausstattung zu den ältesten erhaltenen Bibliotheksräumen überhaupt. In ihm ist ein großer Bücherschatz angesammelt, der auf ein besonderes Detail der Geschichte der Reichsstadt Isny im 16. Jahrhundert hinweist. Die Bibliothek geht zurück auf die Stiftung der Isnyer Prädikantenstelle (Predigerstelle) durch den Konstanzer Domherrn Johann Guldin 1462. In der Folgezeit, insbesondere in der Reformationszeit und im 17. Jahrhundert, wurde der Bestand der Bibliothek durch Stiftungen aus Privatbesitz vergrößert.
Die kleine, aber wertvolle Bibliothek umfasst etwa 2650 Titel mit Schwerpunkt in der spätmittelalterlichen Reformbewegung und der Reformationszeit, darunter 170 Inkunabeln, 170 Reformationsdrucke und meist aus dem 16. Jh. stammende annähernd 120 Titel von hebräischen oder aus dem Hebräischen übersetzten Schriften.[2]
- Chor der Nikolaikirche mit Sakristeianbau rechts
- Die Sakristei mit der darüber befindlichen Prädikantenbibliothek
- Regale der Bibliothek
- Gewölbe mit Fresken
- Studiertisch
- Jesus-Fresko
Kulturdenkmal
Die bemerkenswert überlieferte Kirche ist ein herausragendes Zeugnis für die Volksfrömmigkeit in Isny und zudem eine wichtige städtebauliche Dominante. An ihrer Erhaltung – samt Bibliothek und Ausstattung – besteht aus wissenschaftlichen und heimatgeschichtlichen Gründen ein besonderes öffentliches Interesse. Sie ist ein geschütztes Kulturdenkmal in der Gesamtanlage Isny im Allgäu. Im denkmalpflegerischen Werteplan ist die Nikolaikirche als geschütztes Kulturdenkmal verzeichnet.[3]
Literatur
- Helmut Schmid: Die Prädikantenbibliothek der Nikolaikirche zu Isny – eine kleine Einführung. (Nach einem Manuskript von Pfarrer i. R. Helmut Schmid, Isny)
- Geschichte der Stadt Isny im Überblick, auf der Website der Stadt Isny
Weblinks
Einzelnachweise
- Kirchenmusik – Evangelische Kirchengemeinde Isny im Allgäu: Die Orgel der Nikolaikirche. In: isny-evangelisch.de. 18. Februar 2017, abgerufen am 15. Oktober 2017.
- Eintrag Bibliothek der Evangelischen St. Nikolaikirche im Handbuch der historischen Buchbestände online
- Denkmalpflegerischer Werteplan Gesamtanlage Isny im Allgäu (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , abgerufen am 15. Oktober 2017.