St. Nikolai (Göttingen)
Die St.-Nikolai-Kirche in der Göttinger Altstadt ist eine gotische Hallenkirche mit romanischen Ursprüngen. Seit 1822 ist sie als Universitätskirche Eigentum der Georg-August-Universität und untersteht dem jeweiligen Dekan der Theologischen Fakultät.
Baugeschichte
Die Kirche steht in dem nach ihr benannten Nikolaiviertel der Göttinger Altstadt, das städtebaulich etwas abgeschieden zwischen Groner Straße und dem südlichen Stadtwall schon im Mittelalter von aus Flandern kommenden Leinen- und Wollwebern besiedelt wurde. Die Nikolaikirche im Zentrum dieses historischen Stadtviertels geht auf romanische Ursprünge Ende des 12. Jahrhunderts zurück. Die heutige dreischiffige gotische Halle aus Werkstein (roter Wesersandstein) wurde Ende des 13. Jahrhunderts teilweise auf Fundamenten der Vorgängerbauten begonnen und um die Mitte des 14. Jahrhunderts fertiggestellt. Die bereits vorhandene romanische Doppelturmanlage wurde übernommen. An das Schiff schließt sich ein polygonaler Chor an, dem an der Südseite eine Sakristei vorgesetzt ist.
St. Nikolai erlitt im Dreißigjährigen Krieg Schäden, deren Beseitigung bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts andauerte und 1709 mit dem Ersatz der romanischen Türme durch spitze Kirchturmhelme ihren Abschluss fand. Durch die Explosion des Pulverturms bei der Albanikirche wurde auch St. Nikolai 1762 schwer beschädigt, so dass der südliche von beiden Türmen 1777 einstürzte. Es wurde daraufhin ein turmloser Westbau neu vor die Kirchenschiffe gesetzt und 1781 eingeweiht. 1802 wurde St. Nikolai profaniert und vom Militär der Göttinger Garnison während der Franzosenzeit als Magazin genutzt.
Der jungen Göttinger Universität war die ursprüngliche Universitätskirche durch den Umbau der Paulinerkirche zur Universitätsbibliothek 1803 entzogen worden. Die Mitbenutzung der Johanniskirche durch die Universität führte zu Reibungen und die Studentenschaft verlangte 1819 in einer Petition die Nikolaikirche als neue Universitätskirche. Diese wurde dann von der Universität als Eigentum erworben, nach Plänen des Universitätsbaumeisters Justus Heinrich Müller ausgebaut und 1822 neu geweiht. Seither wird St. Nikolai als Universitätskirche genutzt. Sie wurde zuletzt zwischen 1983 und 1988 umfassend instand gesetzt.
Ausstattung
Die St.-Nikolai-Kirche besitzt ein dreischiffiges gotisches Langhaus, überdeckt von drei Kreuzgewölben. Ebenfalls mit einem Kreuzgewölbe ist der Chor ausgestattet, der die Breite des Mittelschiffs einnimmt und mit fünf Seiten eines Achtecks abschließt. Das Maßwerk der Fenster ist in gotischer Form gehalten. Am nördlichen Seiteneingang ist Laubwerk in den Hohlkehlen des Spitzbogens zu erkennen. Die Schlusssteine der Kreuzgewölbe zeigen mit geflügeltem Menschen, Löwe, Stier und Adler Symbole der Evangelisten, sowie mit Lamm und Pelikan Sinnbilder Christi. Weitere Abbildungen zeigen den Bischof Nikolaus und den heiligen Laurentius. Die Schlusssteine sind künstlerisch aufwändig mit einem stark artikulierten Relief und detailliert ausgearbeitet. Der Chor als Höhepunkt der Dekoration und die Sakristei wurden mit Blattmasken versehen. Die Bauzeit der beiden Türme ist unbekannt, jedoch wird berichtet, dass der Bau eines Turmes in das Jahr 1490 fällt.[1] Die beiden Glocken stammen dagegen bereits aus den Jahren 1402 und 1458.
Die alte Ausstattung fiel weitgehend der Profanierung zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum Opfer. Auf die Gotik verweisen allerdings noch die plastischen Schlusssteine der Jochgewölbe. Das Epitaph zur Erinnerung an den ersten Universitätskanzler Johann Lorenz von Mosheim wurde aus der Paulinerkirche hierher umgesetzt. Ansonsten wurde der Kirchenraum 1861 unter Leitung des hannoverschen Architekten Conrad Wilhelm Hase im Stile der damals in Mode gekommenen Neugotik einschließlich der Kanzel und der Empore um- und ausgestaltet. Die Orgel stammt von dem Orgelbauer Wilhelm Sauer aus dem Jahr 1888. Im Zuge der Sanierung 1988 erhielt die Kirche auch eine spätgotische Kreuzigungsgruppe aus dem Dom zu Bardowick St. Peter und Paul.
Prediger
Erste Pfarrer der Kirche sind seit 1356 überliefert. Der Göttinger Reformator Johann Sutel wurde 1530 der erste evangelische Prediger an St. Nikolai und 1535 Superintendent in Göttingen.
Bekannte Universitätsprediger waren bis zum Zweiten Weltkrieg:
- Paul Althaus der Ältere
- Walter Birnbaum
- Friedrich Ehrenfeuchter
- Friedrich Gogarten
- Julius Köstlin
- Carl Stange
Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten Wolfgang Trillhaas (1946), Martin Doerne, Götz Harbsmeier (1965), Manfred Josuttis (1977), Jörg Baur (1981) und Erik Aurelius. Derzeit sind Jan Hermelink und Florian Wilk Inhaber dieses Amtes.
Die Kirche wird sowohl von der Evangelischen Studierendengemeinde als auch seit 1949 von der Katholischen Hochschulgemeinde genutzt.
Literatur
- Karlheinz Blaschke: St. Nikolai in Göttingen. Eine Kaufmannskirche des 12. Jahrhunderts. In: Peter Johanek (Hrsg.) unter Mitarbeit von Uwe John: Stadtgrundriß und Stadtentwicklung. Forschungen zur Entstehung mitteleuropäischer Städte. Ausgewählte Aufsätze von Karlheinz Blaschke (= Städteforschung : Reihe A, Darstellungen Bd. 44). Köln, Weimar, Wien: Böhlau 1997, S. 352–356. ISBN 3-412-06897-7 . 2., unveränderte Auflage ebd. 2001. ISBN 3-412-02601-8 .
- Ines Barchewicz, Steven Reiss: St. Nikolai. In: Jens Reiche und Christian Scholl (Hrsg.): Göttinger Kirchen des Mittelalters. Göttingen: Universitätsverlag Göttingen, Göttingen 2015, ISBN 978-3-86395-192-4 (Digitalisat auf univerlag.uni-goettingen.de, abgerufen am 24. Januar 2022), S. 232–265
Weblinks
Einzelnachweise
- Albrecht Saathoff: Aus Göttingens Kirchengeschichte. Festschrift zur 400jährigen Gedächtnisfeier der Reformation am 21. Oktober 1929. Verlag des Göttinger Gemeindeblattes, Göttingen 1929, S. 27.