St. Gangolf (Mainz)
Das Kollegiatstift St. Gangolf wurde im Frühmittelalter nach den überwundenen Einfällen der Normannen im nördlichen Bereich des ummauerten Gebiets der Stadt Mainz, nahe der Einmündung des Zeybachs in den Rhein errichtet.
Der Mainzer Dompropst Theoderich, später Erzbischof von Trier, Begründer des Stifts, wurde erstmals in einer Urkunde Ottos I. vom 29. Mai 961.[1] als Dompropst zu Mainz belegt. Otto I. übertrug ihm Güter im Nahegau, die bis dahin zu den Herren Lantbert, Megingoz und Reginzo gehörten, darunter Kirn und Bergen.[2] Diese Schenkung nutzte er privat zur Ausstattung des Stiftes St. Gangolf. Die Kirche und die Stiftsgebäude wurden für 12 Stiftsherren erbaut.[3]
Das unter dem Patrozinium des Heiligen Gangolf stehende Stift befand sich bis ins Hochmittelalter im Privatbesitz des jeweiligen Bischofs von Trier. Der Kult um St. Gangolf führte bereits im Jahr 958 zur Errichtung einer Gangolfkirche in Trier, wo Theoderich zuvor Dekan der Domkirche war.[4] Theoderich starb am 5. Juni 977, nach anderen Quellen am 12. Juni 977 zu Mainz und wurde in St. Gangolf begraben.[5]
1570 ging das Stift in das Eigentum des Mainzer Erzbischofs Daniel Brendel von Homburg über, der es 1575 bis 1581 vom Mainzer Dombaumeister Georg Robin im Renaissancestil zur Schlosskapelle der 1478 bis 1481 errichteten Festungsanlage Martinsburg ausbauen ließ.[6][7] Sie war als dreischiffige Hallenkirche mit Emporen-Galerie und hohen Maßwerkfenstern ausgeführt.[8] Das ursprünglich in der Kirche eingebaute, mit Schnitzereien reich verzierte sogenannte Brendelsche Chorgestühl wurde in den Ostchor des Mainzer Doms integriert.[9][10][11]
Es ist belegt, dass der Dechant von St. Gangolf seit 1436 das Amt eines ordentlichen Konservators der Deutschordensprivilegien für das gesamte deutsche Reich innehatte.[12] Dies könnte ein Grund für die Wahl des Bauplatzes des 1730 errichteten Deutschhauses sein. Die St.-Gangolf-Kirche wurde während der Belagerung von Mainz (1793) stark durch Beschießung der Koalitionäre beschädigt und daher später, wie auch die baulich mit ihr verbundene bischöfliche Kanzlei, Opfer der französischen Stadtplanung im Bleichenviertel.[13]
Bei Umbauarbeiten am Deutschhaus im Jahr 2017 wurden vielfältige archäologische Funde aus unterschiedlichen geschichtlichen Epochen von Mainz gemacht. So konnte der Verlauf der römischen Stadtmauer aus der Mitte des 3. Jahrhunderts in diesem Bereich erstmals gesichert nachgewiesen werden, eine wertvolle byzantinische Goldmünze des Kaisers Herakleios wurde gefunden und Reste der ehemaligen Kirche St. Gangolf konnten ergraben werden.
Einzelnachweise
- Franz Staab: Mainz vom 5. Jahrhundert bis zum Tod des Erzbischofs Willigis (407-1011)., S. 99 in: Franz Dumont (Hrsg.), Ferdinand Scherf, Friedrich Schütz: Mainz – Die Geschichte der Stadt.
- Winfried Dotzauer: Geschichte des Nahe-Hunsrück-Raumes von den Anfängen bis zur Französischen Revolution, Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2001, S. 99.
- Kollegiatstift St. Gangolf (Schlosskapelle); Quelle: Karl Johann Brilmayer.
- Carla Del Zotto: Rosvita: la poetessa degli imperatori sassoni, Band 22 von Donne d'Oriente e d'Occidente Editoriale Jaca Book, 2009, ISBN 881643522-4, S. 56.
- Petrus Becker: Die Benediktinerabtei St. Eucharius-St. Matthias vor Trier in Bistümer der Kirchenprovinz Trier, Band 8 von Ferdinand Pauly: Das Erzbistum Trier Walter de Gruyter, 1996, ISBN 3-11-015023-9.
- Robin, Georg. In: Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE). 2., überarb. und erweiterte Auflage. Band 8: Poethen–Schlüter. De Gruyter / K. G. Saur, Berlin / Boston / München 2007, ISBN 978-3-11-094025-1, S. 459 (books.google.de – eingeschränkte Vorschau).
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Band 4.
- Engelbert Kirschbaum: Deutsche Nachgotik. Ein Beitrag zur Geschichte der kirchlichen Architektur von 1550–1800, Dr. Benno Filser, Augsburg 1929; Dissertation.
- (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: Stabsstelle Dombibliografie - Bistum Mainz) (PDF; 2,7 MB) ID2681 Bibliographische Beschreibung im Dom- und Diözesanarchiv.
- Sybe Wartena: Die Süddeutschen Chorgestühle von der Renaissance bis zum Klassizismus (PDF; 5,9 MB), Dissertation an der philosophischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München, München 2008, S. 84.
- Brendelsches Chorgestühl Bilder.
- Jörg Seiler: Der Deutsche Orden in Frankfurt: Gestalt und Funktion einer geistlich-ritterlichen Institution in ihrem reichsöffentlichen Umfeld Band 61 von Quellen und Studien zur Geschichte des Deutschen Ordens, Elwert, 2003, ISBN 3-77081233-6, S. 84.
- Joachim Glatz: Stadtplanung, Architektur und Kunst im 19. und 20. Jahrhundert, S. 1137; in: Franz Dumont (Hrsg.), Ferdinand Scherf, Friedrich Schütz: Mainz – Die Geschichte der Stadt.