Sonnenzeit
Die Sonnenzeit ist das am Lauf der Sonne orientierte Zeitmaß. Dabei wird unterschieden zwischen der wahren Sonnenzeit und der mittleren Sonnenzeit. Die wahre Sonnenzeit oder auch wahre Ortszeit (WOZ) an einem gegebenen Ort auf der Erde ist dadurch definiert, dass der Zeitpunkt, an dem die Sonne am Mittag den Meridian passiert, als 12 Uhr WOZ festgelegt ist und der Zeitraum bis zum nächsten Durchgang in 24 gleiche Stunden geteilt wird. Pro Stunde wächst der Azimut oder Stundenwinkel der Sonne um 15° und erreicht um Mitternacht, wenn um 24 Uhr bzw. 0 Uhr WOZ die Sonne wieder den Meridian passiert, den Wert ±180°. Mittag und Mitternacht entsprechen fast exakt den Zeitpunkten von Höchst- und Tiefststand der Sonne am gegebenen Ort. Sonnenuhren, wie sie an vielen meist älteren Gebäuden angebracht sind, zeigen die Uhrzeit gemäß der wahren Sonnenzeit an.
Die wahre Ortszeit bestimmt an jedem Ort das tägliche Leben auf der Erde. Sie hat aber zwei Nachteile, denn sie ergibt erstens verschiedene Uhrzeiten je nach Längengrad des Orts und zeigt zweitens auch eine über das Jahr variierende Länge von Tag und Stunde. Der zweite Nachteil wird durch die mittlere Sonnenzeit oder mittlere Ortszeit (MOZ) behoben, indem eine über das ganze Jahr gültige mittlere Tageslänge festgelegt wird, die dann entsprechend in 24 Stunden immer gleicher Länge aufgeteilt wird. Dadurch weichen Zeitangaben nach der mittleren Ortszeit in jährlich nahezu periodischer Weise von der wahren Ortszeit ab, maximal um ±16 min (siehe Zeitgleichung). Zur Behebung des erstgenannten Nachteils werden auf der Erde größere Zeitzonen gebildet, in denen jeweils gleiche Uhrzeit gilt (Zonenzeit). In jeder Zeitzone wird die Uhrzeit nach der mittleren Ortszeit eines einzigen ausgewählten Orts bestimmt. Für die in Deutschland geltende mitteleuropäische Zeit MEZ ist dies ein Ort mit 15° östlicher Länge (ungefähr Frankfurt/Oder). Daher geht die mittlere Ortszeit im Westen Deutschlands gegenüber der MEZ bis zu 45 min nach.
Ungleichmäßigkeit – wahre und mittlere Sonnenzeit
Die Sonnenzeit hat entsprechend ihrer Definition als Stundenwinkel der Sonne die Richtung zur Sonne als Merkmal. Der Sonnentag ist etwas länger als der Siderische Tag, da die Sonne (scheinbar) einmal im Jahr um die Erde läuft. Ein fiktiver unendlich weit entfernter Fixstern, der die Siderische Zeit angibt, ist hingegen unbeweglich im Himmel. Der Sonnentag ist länger, weil der Sonnenumlauf und die Drehung der Erde um sich selbst gleiche Richtung haben. Weil der Sonnenumlauf nicht auf einer Kreisbahn, sondern auf einer elliptischen Bahn erfolgt, ist seine Winkelgeschwindigkeit übers Jahr nicht konstant. Zusätzlich hat der Sonnentag im Unterschied zum Siderischen Tag auch keine konstante Länge, weil die auf der Sonnenbahn schräg stehende Erdachse ihre Richtung relativ zu den Fixsternen beibehält, sie somit relativ zur Sonne übers Jahr ändert.
Als gleichmäßig ablaufende Zeit für die Messung der Tagesstunden bietet sich eine mittlere Sonnenzeit an. Diese ist definiert als Stundenwinkel (± 180°) einer im doppelten Sinne fiktiven mittleren Sonne:
- Sie läuft mit konstanter Winkelgeschwindigkeit um die Erde (Kreis- anstatt Ellipsenform ihrer Bahn).
- Ihre Umlaufbahn befindet sich in der Ebene des Himmelsäquators (die Erdachse ist auf ihr senkrecht anstatt schräg).
Zur deutlicheren Unterscheidung von der mittleren Sonnenzeit nennt man die (ungleichmäßig ablaufende) Sonnenzeit auch wahre Sonnenzeit. Die Differenz wahre Sonnenzeit minus mittlere Sonnenzeit nennt man Zeitgleichung. Sie ist im Laufe des Jahres zeitweilig positiv und zeitweilig negativ; ihr maximaler Betrag liegt in der Größenordnung von 15 Minuten. Eine gewöhnliche Sonnenuhr zeigt die wahre Sonnenzeit an. Als Grundlage für das bürgerliche Leben eignet sich dagegen nur die sich gleichmäßig ändernde mittlere Sonnenzeit.
Zusammenhang mit der Ortszeit
Die Kulminationen der Sonne finden in Orten, die nicht auf demselben Längengrad liegen, nicht gleichzeitig statt. Ihre Sonnenzeiten sind verschieden, bzw. die Sonnenzeit ist eine längengradabhängige oder vereinfacht gesagt eine ortsabhängige Größe. Die Sonnenzeit ist somit eine Ortszeit; analog zur oben eingeführten Unterscheidung spricht man von wahrer Ortszeit (WOZ) und mittlerer Ortszeit (MOZ).
Zusammenhang mit der Zonenzeit
Die von den mechanischen Uhren angezeigte mittlere Ortszeit war anfänglich mit der mittleren Sonnenzeit identisch. Mit der Bildung von Zeitzonen wurde das störende Nebeneinander von mittleren Ortszeiten benachbarter Städte zugunsten von in breiteren Zonen gültigen Zonenzeiten beseitigt. In Erinnerung an die Zeitverschiebung zwischen Orten auf verschiedenen Längengraden ist die Bezeichnung Ortszeit als Synonym für Zonenzeit noch in Gebrauch (z. B. in Flugplänen für Langstreckenflüge), wobei aber aus einem Ort eine relativ breite Zone geworden ist. Die Bindung an die von der Sonne bestimmte Tageszeit ist damit weitgehend verloren gegangen. Es gibt Zeitzonen, durch die der Längengrad, auf dem die mittlere Sonne eine mittlere Ortszeit „macht“, nicht verläuft. Folgerichtig ist, dass bei Verwendung von Ortszeit als Synonym für Zonenzeit die Rolle der Sonne als „Zeitmacher“ in der Regel unbeachtet bleibt.
Ermittlung der Wahren Sonnen- bzw. Ortszeit aus der Zonenzeit und der Zeitgleichung
Die mittlere Ortszeit MOZ eines beliebigen Ortes lässt sich wie folgt aus einer beliebigen Zonenzeit ZZ ermitteln. Dabei ist λ der Längengrad dieses Ortes. Neben der verwendeten Zonenzeit wird ihr Bezugslängengrad λ0 benötigt. Der Bereich der Längengrade ist -180° ... 0° ...+180° (negative Werte westlich vom Nullmeridian, positive Werte östlich vom Nullmeridian). Für die Mitteleuropäische Zeit MEZ ist λ0 = +15°. Zwischen zwei benachbarten Zeitzonen ändert sich λ0 i. d. R. um ±15°.
Die wahre Ortszeit WOZ ergibt sich daraus durch die Berücksichtigung des Wertes ZGL der o. g. Zeitgleichung:
Beispiel:
Ermittelt wird zunächst die momentane für einen Ort mit Längengrad (Zeitzone mit UTC -1) aus der als bekannt angenommenen momentanen Mitteleuropäischen Zeit (Zeitzone mit UTC +1) . Der Wert der Zeitgleichung am betreffenden Tag ist . Damit wird die zur korrigiert.
Die Uhrzeit (ZZ) in zwei westlicheren Zeitzonen ist 2 Stunden niedriger. Da der betreffende Ort aber nicht auf dem dortigen Bezugslängengrad 15° West, sondern auf 9° West liegt, erhöht sich die Uhrzeit (MOZ) wieder um 6° mal 24h/360° (= 4 min/°), also um 24 min.
Eine einfache, die wahre Sonnenzeit anzeigende Sonnenuhr, geht an diesem Tag (z. B. am 13. September) “4 Minuten vor” gegenüber einer aufwändigen, die mittlere Sonnenzeit anzeigenden Sonnenuhr.