Siderischer Tag
Ein siderischer Tag (lateinisch sidus ‚Stern‘, Genitiv sideris) ist die Zeitspanne zwischen zwei aufeinanderfolgenden Kulminationen (Zeitpunkt der höchsten täglichen Lage auf der scheinbaren Kreisbahn am Himmel) eines fiktiven unendlich weit entfernten Fixsterns ohne Eigenbewegung. Ein siderischer Tag entspricht damit also jeweils der Dauer einer vollen Umdrehung eines Himmelskörpers um sich selbst gegenüber dem Fixsternhintergrund des Sternhimmels; die durchschnittliche Dauer wird mittlerer siderischer Tag genannt.
Der mittlere siderische Tag der Erde dauert etwa 86.164,0989 Sekunden,[1] gemessen in SI-Einheiten, beziehungsweise etwa 23 Stunden 56 Minuten 4,0989 Sekunden (≈ 23,93447192 h). Die Länge von siderischen Tagen auf der Erde ist nicht konstant; sie nimmt tendenziell zu, da sich die Umdrehung der Erde verlangsamt (siehe Erdrotation).
Vergleich mit anderen Tages-Definitionen
Der mittlere siderische Tag auf der Erde ist knapp 4 Minuten kürzer als der Sonnentag bzw. als dessen gemittelter Wert, mittlerer Sonnentag genannt. Dieser liegt dem bürgerlichen Tag zugrunde, der damit auf der scheinbaren Bewegung der Sonne beruht (synodische Periode). Dass der Sonnentag länger ist, liegt daran, dass die Erde sich nicht nur um sich selbst dreht, sondern auch in gleichsinniger Richtung um die Sonne läuft. Deswegen ist die Strecke, die sie auf ihrer Umlaufbahn zwischen den Zeitpunkten zweier Sonnenkulminationen, von Mittag zu Mittag, zurücklegt, weiter und sie dreht sich dabei bis zur nächsten Kulmination um etwa 1⁄365 einer vollen Umdrehung zusätzlich, also um ungefähr 0,986° mehr als für einen siderischen Tag. Ein Erdjahr hat daher – recht genau – einen siderischen Tag mehr als Sonnentage. Dieser Unterschied, verteilt auf die Tage eines bürgerlichen Jahres, ergibt den genannten Wert von knapp 4 Minuten pro Tag.
Der mittlere siderische Tag ist derzeit um etwa 0,008 Sekunden länger als der mittlere Sterntag, der sich auf die Kulmination des Frühlingspunkts bezieht. Der Frühlingspunkt verschiebt sich nämlich aufgrund von Nutation und Präzession der Achse der Erdrotation und bewegt sich im Präzessionszyklus um 360° innerhalb von etwa 25.800 Jahren, also ≈ 0,014 Grad oder 50 Bogensekunden pro Jahr, entgegen der Umlaufrichtung. Daher dreht sich die Erde während eines Sterntages nicht ganz so weit, wie es bei der vollen Umdrehung von 360° eines siderischen Tages der Fall ist.
Verwendung
Der siderische Tag der Erde bezieht sich – gegenüber dem Fundamentalsystem der Astrometrie – auf ein hinsichtlich des Jahresumlaufs der Erde um die Sonne wesentlich stabileres Koordinatensystem als der Sonnentag. Denn durch geeignete Wahl der Referenzsterne sind Ungenauigkeiten sehr gering und im Wesentlichen durch den Umlauf der Sonne um das galaktische Zentrum bedingt. So stellen die Veränderungen in der Dauer von irdischen siderischen Tagen fast ausschließlich auch solche der Rotation der Erde dar. Die Länge eines siderischen Tages gibt die Dauer einer vollen Rotation wieder und entspricht damit der Zeitspanne zwischen zwei (oberen) Meridiandurchgängen eines fiktiven unendlich weit entfernten Himmelsobjekts ohne Eigenbewegung. Für ein fundamentales Bezugssystem, in dem Orte auf der rotierenden Erde in Bezug auf die Position von Objekten am Himmel dargestellt werden können, spielt die Rotationsdauer eine wichtige Rolle (siehe auch ICRS und ITRS). Ebenso ist der irdische siderische Tag für die Zuordnung von Zeitpunkten und die Messung von Zeitintervallen bei der Beobachtung astronomischer Ereignisse von Bedeutung.
Allerdings eignet sich der siderische Tag nicht zur Definition der Tageslänge, verstanden als Dauer einer lichten Tag und Nacht umfassenden Zeitspanne. Als astronomisches Eichinstrument der Sekunde, die mit der Kalenderrechnung korrespondieren soll, wird der Sonnentag herangezogen. Der Abgrenzung eines kalendarischen Jahres dient eine tropische Periode, die Bezug auf den Frühlingspunkt nimmt.
Konstanz
Die Rotationsgeschwindigkeit der Erde ist recht stabil und zeigt nur geringe Schwankungen. Die Rotation der Erde gleicht im Prinzip der eines sich gleichmäßig drehenden Kreisels, wobei die Erdachse zusätzlich durch den Mond stabilisiert wird (siehe Erde-Mond-System).
Die Zeitspanne eines siderischen Tages der Erde hat keine konstante Dauer, auch der über lange Zeit gemittelte Durchschnittswert ändert sich mit der Erdrotation:
- Vermutlich wegen Masseverlagerungen im Erdinneren schwankt die Umdrehungszeit der Erde in Zeiträumen von etlichen Jahren um einige Millisekunden. Schwankungen größerer Amplitude über längere Zeiträume erscheinen ebenfalls möglich. Auch die Wassermassen der Ozeane haben einen Einfluss.
- Die Gezeitenreibung wie auch gravitative Gezeitenkräfte, die die Massen der Sonne und des Mondes auf die Erdmasse ausüben, erhöhen die Dauer des siderischen Tags pro Jahrhundert um etwa 1,7 Millisekunden.[2] Derselbe Effekt hat beim Mond selbst schon zu seiner gebundenen Rotation um die Erde geführt.
Siehe auch
Einzelnachweise
- Vergleiche Eintrag Stellar day, Earth Orientation Center, Internationaler Dienst für Erdrotation und Referenzsysteme (IERS); abgerufen am 29. Mai 2021.
- Warum die Tage länger werden. In: Spektrum der Wissenschaft. 10/2007, S. 36–45, ISSN 0170-2971