Siegfried Zoglmann
Siegfried Zoglmann (* 17. August 1913 in Neumark, Bezirk Taus, Böhmen; † 20. Oktober 2007 in Bonn-Bad Godesberg) war ein deutscher Politiker und sudetendeutscher Vertriebenenfunktionär. Während des Zweiten Weltkriegs war er Gebietsführer der Hitlerjugend in Böhmen und Mähren und Obersturmführer der Waffen-SS. In der Bundesrepublik stieg er in der nordrhein-westfälischen FDP auf, war von 1954 bis 1958 Mitglied des Landtages von NRW sowie von 1957 bis 1976 Mitglied des Bundestages.
Als entschiedener Gegner der sozialliberalen Koalition und insbesondere ihrer Ostpolitik gehörte er 1970 zu den rechten FDP-Mitgliedern, die ihre Partei verließen. Anschließend war er Vorsitzender der erfolglosen Nationalliberalen Aktion bzw. ab 1971 der Deutschen Union, bevor er sich 1974 der CSU anschloss. Daneben war Zoglmann Mitglied im Witikobund und im Sudetendeutschen Rat sowie von 1976 bis 1988 Landesobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Bayern.
Leben und Beruf
Zoglmann, Sohn eines Landwirts, war seit 1928 führend in der sudetendeutschen Jugendbewegung tätig, ab 1931 war er Sekretär des Jugendverbandes der DNSAP. Weil er an einer SA-Übung in Deutschland teilgenommen hatte, was für Bürger der Tschechoslowakei illegal war,[1] wurde er 1933 in Mährisch-Ostrau zu mehreren Monaten Haft verurteilt. Nach Verbüßung der Strafe und dem Verbot der DNSAP im Oktober 1933 wurde er erneut Haftbefehl wegen Landesverrats gegen ihn erlassen, dem er sich durch Flucht ins Deutsche Reich entzog.[2] Dort war er ab 1934 als Journalist in Köln tätig. 1935 wechselte er nach Berlin, wo er die Auslandspressestelle der Reichsjugendführung der NSDAP leitete. Außerdem war er Chefredakteur einer Jugendzeitschrift und des Pressedienstes Ostraum sowie Redakteur des Berliner Tageblatts.[3]
In den Monaten nach dem Münchner Abkommen vom 30. September 1938 gehörte er als jüngstes Mitglied der internationalen Kommission an, die den endgültigen Verlauf der deutsch-tschechoslowakischen Grenze festzulegen hatte.[1] Nach der „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ wurde er 1939 Abteilungsleiter beim Reichsprotektor in Böhmen und Mähren sowie Hauptbannführer bzw. ab 1943 Gebietsführer der Hitlerjugend. Während des Zweiten Weltkrieges war er ab 1940 bei einer Kriegsberichterstatterkompanie eingesetzt. 1942 meldete er sich freiwillig zum Einsatz bei der Waffen-SS, in der Leibstandarte SS Adolf Hitler kämpfte er in der Sowjetunion, Frankreich und Ungarn.[2] Zuletzt war er Kompanieführer im Range eines SS-Obersturmführers.
Nach Kriegsende kam Zoglmann 1945 als Heimatvertriebener nach Nordrhein-Westfalen. Er arbeitete als Chefredakteur der dem rechten FDP-Flügel nahestehenden Zeitungen Der Fortschritt, Die Deutsche Zukunft und Deutsche Allgemeine Zeitung.[3] 1951 wurde er Geschäftsführer des Nordwestdeutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlages. 1961 gründete er die Agentur „interwerbung“.
Von 1973 bis 1975 versuchte er sich als Unternehmer im Lebensmittelhandel und betrieb drei Abholgroßmärkte der Marke Intra in Dortmund, Duisburg und Kaarst bei Düsseldorf.[4] Er verlor jedoch im Wettbewerb mit dem Branchenführer Metro.[5]
Siegfried Zoglmann wurde auf dem Burgfriedhof in Bad Godesberg beigesetzt.
Parteimitgliedschaften
Zoglmann war ab 1928 Mitglied der Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei (DNSAP) in der Tschechoslowakei und ab 1934 der NSDAP.
Er wurde 1950 Mitglied der FDP in Nordrhein-Westfalen, im gleichen Jahr zum Landespressereferenten bestellt, 1951 in den Landesvorstand gewählt und schließlich stellvertretender Landesvorsitzender. Neben Ernst Achenbach war er der Verbindungsmann von Friedrich Middelhauve zum Naumann-Kreis von Nationalsozialisten, die die NRW-FDP bis zum Eingreifen der britischen Besatzungsmacht 1953 unterwanderten.
Zoglmann gehörte innerhalb der FDP zu den strikten Gegnern der sozialliberalen Koalition und vor allem auch der Neuen Ostpolitik. Am 17. Juni 1970 gründete er mit Dietrich Bahner und anderen Mitgliedern des Hohensyburger Kreises innerhalb der FDP die Nationalliberale Aktion (NLA), um den innerparteilichen Einfluss des rechten Parteiflügels zu stärken. Nachdem der Bundesparteitag der FDP vom 22. bis 24. Juni 1970 in Bonn jedoch die reformorientierte, sozialliberale Linie Walter Scheels bestätigt hatte (siehe Freiburger Thesen), konstituierte sich die NLA bundesweit. Zoglmann wurde ihr Vorsitzender und trat am 9. Oktober 1970 aus der FDP aus. Nach Überführung der NLA in die Deutsche Union 1971 war Zoglmann bis 1974 deren Vorsitzender. Als das Scheitern der DU als eigenständige Partei absehbar wurde, wechselte er im November 1974 zur CSU.
Vertriebenenpolitik
Zoglmann war Mitbegründer der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL) sowie des völkisch-nationalen Witikobundes, dem hauptsächlich ehemalige NS-Funktionäre angehörten und der den am weitesten rechts stehenden Flügel der sudetendeutschen Vertriebenen vertrat. Ab 1959 gehörte er dem Sudetendeutschen Rat an.[2] Von 1976 bis 1988 war Zoglmann Landesobmann der SL in Bayern.[3]
Zoglmann beriet Bundeskanzler Helmut Kohl bei den Verhandlungen über den deutsch-tschechische Nachbarschaftsvertrag (1992) und über die Deutsch-Tschechische Erklärung (1997).[1]
Abgeordneter
Von 1954 bis 1958 war Zoglmann Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen.
Dem Deutschen Bundestag gehörte Zoglmann von 1957 bis 1976 an. Von 1961 bis 1963 war er parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, anschließend bis 1968 stellvertretender Fraktionsvorsitzender. Im Bundestag beantragte er 1961 mit Reinhold Kreitmeyer, Walther Kühn und einer Gruppe weiterer FDP-Abgeordneter, das sogenannte 131er-Gesetz dahingehend zu ändern, dass auch ehemalige Führer und Unterführer der SS-Verfügungstruppe Versorgungsbezüge erhalten könnten, sofern sie „nur wehrmachtsgleiche[n] Dienst geleistet“ hätten.[1][6]
Mit seinem Parteiaustritt verließ Zoglmann am 9. Oktober 1970 auch die FDP-Fraktion und wurde Gast der CDU/CSU-Fraktion. Wiewohl weiterhin in Nordrhein-Westfalen wohnend, wurde Zoglmann, der zu diesem Zeitpunkt parteilos war, 1972 auf der CSU-Landesliste erneut in den Bundestag gewählt. In der Legislaturperiode bis 1976 war er Vollmitglied der Unionsfraktion und der CSU-Landesgruppe.
Als Autor
- (zusammen mit Hans Krebs:) Sudetendeutschland marschiert. Verlag für soziale Ethik und Kunstpflege Dr. Friedrich Osmer, Berlin 1938 (Referat)
Auszeichnungen
- Goldenes Hitlerjugend-Ehrenzeichen[1]
- Eisernes Kreuz I. Klasse[1]
- 1973: Großes Bundesverdienstkreuz
- 1982: Bayerischer Verdienstorden
- 1983: Bayerische Staatsmedaille für soziale Verdienste[1]
- 1983: Ehrenbrief der Sudetendeutschen Landsmannschaft
- Großer Verdienstorden der Republik Ungarn
Literatur
- Rudolf Vierhaus, Ludolf Herbst (Hrsg.): Biographisches Handbuch der Mitglieder des Deutschen Bundestages 1949–2002. K. G. Saur, München 2002, ISBN 3-598-23782-0, S. 991.
- Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. 2., aktualisierte Auflage Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-16048-8.
- Zoglmann, Siegfried. In: Martin Schumacher (Hrsg.): M.d.B. – Die Volksvertretung 1946–1972. – [Xylander bis Zywietz] (= KGParl Online-Publikationen). Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien e. V., Berlin 2006, ISBN 978-3-00-020703-7, S. 1421, urn:nbn:de:101:1-2014070812574 (kgparl.de [PDF; 111 kB; abgerufen am 19. Juni 2017]).
- Susanna Schrafstetter: Siegfried Zoglmann, His Circle of Writers, and the Naumann Affair: A Nazi Propaganda Operation in Postwar Germany. In: David A. Messenger, Katrin Paehler (Hrsg.): A Nazi past. recasting German identity in postwar Europe. Univ. Press of Kentucky, Lexington 2015, S. 113–138, ISBN 0-8131-6056-1.
Weblinks
Einzelnachweise
- Emil Hruška: Stoibers „lange Wegstrecke gemeinsam mit Siegfried Zoglmann“. Ein Signal nach ganz rechts. In: Deutsch-Tschechische Nachrichten, Nr. 43, 30. September 2002, S. 3–4.
- Erich Später: Ein Ehrenmann. Die beispielhaft endlose Karriere des sudetendeutschen Nazis Siegfried Zoglmann. In: Konkret. Heft 9/2005.
- Zoglmann, Siegfried. In: Die Kabinettsprotokolle der Bundesregierung online, Bundesarchiv.
- HANDEL: Die schaffen wir. In: Der Spiegel. Nr. 13, 1975 (online).
- HANDEL: Rabiate Macht. In: Der Spiegel. Nr. 21, 1975 (online).
- Änderungsantrag, Umdruck 948. Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, 165. Sitzung, 29. Juni 1961, S. 9710.