Satz von Euler (Primzahlen)
Einer der zahlreichen Lehrsätze von Leonhard Euler im mathematischen Teilgebiet der Analysis ist der Satz von Euler über die Summation der Kehrwerte der Primzahlen. Dieser besagt, dass die aus diesen Kehrwerten gebildete Reihe divergiert. Der Beweis dieses Lehrsatzes beruht wesentlich auf dem Fundamentalsatz der Arithmetik und der Divergenz der harmonischen Reihe.
Formulierung des Satzes
Für die Folge aller Primzahlen gilt:
Beweis
Ein möglicher Beweis, der nur elementare Ergebnisse der Analysis benutzt, ist der folgende:[1][2][3][4]
Es gilt für die Eulersche Zahl
sodass für jede Primzahl die Ungleichung
besteht. Folglich erhält man mittels Bruchrechnung und natürlichem Logarithmus:
Nun sei eine beliebige natürliche Zahl und es sei die endliche Folge aller Primzahlen bis zur Zahl .
Es gilt dann:
In Verbindung mit dem bekannten Grenzwert
genügt es daher zum Beweis der behaupteten Divergenz zu zeigen, dass
mit wachsendem ebenfalls über alle Grenzen wächst.
Letzteres ergibt sich, indem man zunächst die Eigenschaften der geometrischen Reihe einbezieht und dadurch die Identität
ableitet. Da in dem letzten Produkt innerhalb der Klammern auf der rechten Seite durchwegs absolut konvergente Reihen auftreten, ist es möglich, diese unter Beachtung des Distributivgesetzes auszumultiplizieren.
So erhält man wegen des Fundamentalsatzes der Arithmetik durch das Ausmultiplizieren der Klammern den Kehrwert jeder natürlichen Zahl der Form
mit genau einmal.
Damit hat man die folgende Identität:
Dies impliziert jedoch die Ungleichung
und da die harmonische Reihe divergiert, ist der Beweis erbracht.
Geschichte
Aus seinen Überlegungen zum Euler-Produkt der Riemannschen Zeta-Funktion konnte Euler 1737 seinen Satz zeigen. Er hatte auch eine Idee von der Größenordnung der Partialsummen:
„Die Summe der reziproken Reihe der Primzahlen ist unendlich groß, dennoch unendlich mal kleiner als die Summe der harmonischen Reihe . Und die Summe jener ist quasi der Logarithmus dieser Summe.“
Seine Lösung war für ihn ein Indikator, dass die Primzahlen wesentlich dichter liegen müssen als die Quadratzahlen, da er bei der Lösung des Basler Problems mit bewiesen hatte, dass die unendliche Summe der Kehrwerte aller Quadratzahlen gegen einen endlichen Grenzwert strebt. Dieses Argument ist jedoch nur von heuristischer Natur – bis heute ist nicht einmal bekannt, ob zwischen zwei benachbarten Quadratzahlen stets eine Primzahl liegt (diese Fragestellung ist auch als die Legendresche Vermutung bekannt).
Anmerkungen und Ergänzungen
- Der Satz geht auf das Jahr 1737 zurück.[6]
- Aus dem Satz folgt unmittelbar, dass es unendlich viele Primzahlen gibt.
- Mit etwas mehr Analysis lässt sich sogar schärfer zeigen, dass für reelle Zahlen stets die Ungleichung
- besteht.[7]
- Mit tieferen Methoden der analytischen Zahlentheorie lässt sich weiter zeigen, dass der Grenzwert
- existiert, gleich der Meissel-Mertens-Konstanten
- ist und dass dabei für reelle Zahlen stets die Ungleichung
- besteht.[8][9]
- In Verbindung mit der Tatsache, dass die Reihe der Kehrwerte der Quadratzahlen konvergiert und den Grenzwert
- hat, folgt aus dem Satz auch, „dass es in einem wohlbestimmten Sinne mehr Prim- als Quadratzahlen gibt.“[10] „Dennoch ist es ein offenes und anscheinend sehr schwieriges Problem, ob zwischen je zwei aufeinanderfolgenden Quadratzahlen immer eine Primzahl liegt.“[11]
- Potenziert man in der obigen Primzahlkehrwertreihe alle Primzahlen mit einem Exponenten so gewinnt man statt einer divergenten stets eine konvergente Reihe:[12]
- Leonhard Euler hat diese Reihenwerte in der Introductio für gerade ganzzahlige systematisch errechnet und bis auf 15 Nachkommastellen genau angegeben. So nennt er u. a. die folgenden Näherungswerte:[13]
- Genauso ist nach dem Leibniz-Kriterium für alternierende Reihen sicher, dass auch die Reihe der mit wechselnden Vorzeichen gewichteten Primzahlkehrwerte stets konvergiert. Hier ist:[14]
- Dem gegenüber steht das von Paul Erdős gestellte und – soweit heute bekannt – bislang ungelöste Problem, ob die alternierende Reihe
Literatur
- Leonhard Euler: Einleitung in die Analysis des Unendlichen. Erster Teil der Introductio in Analysin Infinitorum. Springer Verlag, Berlin / Heidelberg / New York 1983, ISBN 3-540-12218-4 (MR0715928. – Reprint der Ausgabe Berlin 1885).
- Steven R. Finch: Mathematical Constants (= Encyclopedia of Mathematics and its Applications. Band 94). Cambridge University Press, Cambridge (u. a.) 2003, ISBN 0-521-81805-2 (MR2003519.).
- Richard K. Guy: Unsolved Problems in Number Theory (= Problem Books in Mathematics). 3. Auflage. Springer-Verlag, New York 2004, ISBN 0-387-20860-7 (MR2076335.).
- Friedrich Ischebeck: Einladung zur Zahlentheorie. BI-Wissenschaftsverlag, Berlin (u. a.) 1992, ISBN 3-411-15451-9 (MR1182988.).
- Konrad Knopp: Theorie und Anwendung der unendlichen Reihen (= Die Grundlehren der Mathematischen Wissenschaften. Band 2). 5., berichtigte Auflage. Springer Verlag, Berlin (u. a.) 1964, ISBN 3-540-03138-3 (MR0183997.).
- J. Barkley Rosser, Lowell Schoenfeld: Approximate formulas for some functions of prime numbers. In: Illinois J. Math. Band 6, 1962, S. 64–94 (projecteuclid.org). MR0137689.
- József Sándor, Dragoslav S. Mitrinović, Borislav Crstici: Handbook of Number Theory. I. Springer Verlag, Dordrecht 2006, ISBN 1-4020-4215-9 (MR2119686.).
- Alexander Schmidt: Einführung in die algebraische Zahlentheorie. Springer Verlag, Berlin (u. a.) 2007, ISBN 978-3-540-45973-6.
Einzelnachweise und Anmerkungen
- Euler: Einleitung … (§ 273). S. 226–227.
- Schmidt: Einführung … S. 5–6.
- Ischebeck: Einladung … S. 38–39.
- Knopp: Theorie … (§§ 17, 58). S. 146–147, 461.
- Leonhard Euler: Variae observationes circa series infinitas. 25. April 1737, Commentarii academiae scientiarum imperialis Petropolitanae 9, 1744, S. 160–188 (lateinisch; Euler-Produkt als „Theorema 19“ auf S. 187 f.). Deutsche Übersetzung (PDF) von Alexander Aycock.
- Knopp: S. 461.
- Ischebeck: S. 38–39.
- Rosser, Schoenfeld: Approximate formulas for some functions of prime numbers. In: Illinois. J. Math. Band 6, S. 64 ff.
- Sándor-Mitrinović-Crstici: Handbook … S. 257–258.
- Schmidt: S. 6.
- Ischebeck: S. 40.
- Denn die zugehörige Zeta-Reihe ist eine konvergente Majorante.
- Euler: Einleitung … (§ 282). S. 237.
- Finch: Mathematical Constants (Kap. 2.2). S. 94 ff., 96.
- Finch: S. 96.
- Guy: Unsolved Problems … (Abschnitt E7). S. 316.