S-Bahn Istanbul

Die İstanbul Banliyö Trenleri (auf dt. auch: S-Bahn Istanbul, wörtlich übersetzt aber: „Istanbuler Vorortzüge“) sind das S-Bahn-System der türkischen 15-Millionen-Metropole Istanbul. Gemeinsam mit den U-Bahn-Linien der Metro Istanbul sowie den Straßenbahnlinien (Tramvay), der Stadtbahn, den Fähren, dem Metrobüs und dem städtischen Bussystem stellen die an der Küste verlaufenden Vorortzüge das Rückgrat des schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehrs in Istanbul dar. Sie verbinden die westlich und östlich gelegenen Vorstädte und Stadtteile mit dem Stadtzentrum auf der europäischen und der asiatischen Seite Istanbuls.

İstanbul Banliyö Trenleri
S-Bahn Istanbul
Staat Türkei
Verkehrs- /
Tarifverbund
Verkehrsverbund Istanbul
Linien 1 (Marmaray), bis 2013 2 (B1 und B2)
Streckenlänge 74 km
Stationen 46
Fernbahnhöfe 2
kleinste Taktfolge 4 min
Passagiere 1,5 Millionen/Tag
Bewohner im Einzugsbereich 15 Millionen
Betreiber TCDD
Stromsystem Oberleitung

S-Bahn

Am 29. Oktober 2013 wurde mit der Eröffnung des Marmaraytunnels eine interkontinentale Verbindung der S-Bahn-Strecken unter dem Bosporus eröffnet. Somit entstand die erste interkontinentale S-Bahn-Linie der Welt. Bis 2013 endeten die Züge in Europa am Bahnhof Sirkeci und auf der asiatischen Seite am Haydarpaşa-Bahnhof. An beiden Kopfbahnhöfen bestand Anschluss zum Eisenbahn-Fernverkehr der staatlichen türkischen Eisenbahngesellschaft TCDD, die auch Betreiberin der S-Bahn ist, sowie zu anderen städtischen Verkehrsträgern.[1] Wegen der Modernisierung der Bahnsteige an den Stationen ruhte bis 2019 der S-Bahn-Verkehr auf der asiatischen Stadtseite östlich Ayrilikçeşme. Am europäischen Ufer wurden die Stationen westlich von Kazlıçeşme nicht bedient.

Einschränkungen des Istanbuler S-Bahn-Betriebes durch den Weiterbau des Marmarayprojekts ab dem 29. Oktober 2013

Wegen Bauarbeiten (Bahnsteigumbauten, Gleisarbeiten etc.) im Zuge des Marmaray-Bauprojektes kam es ab Ende Oktober 2013 zu Betriebseinschränkungen im S-Bahn-Betrieb zwischen Kazlıçeşme und Halkalı im Westen und östlich der Station Ayrılıkçeşme. Der Betrieb auf diesen Streckenabschnitten war vorübergehend komplett lahmgelegt. Der ehemalige Streckenabschnitt von Ayrılıkçeşme nach Haydarpaşa ist dauerhaft stillgelegt. Im gesamten Netz wurden westlich der Station Yedikule und südöstlich des neu entstandenen S-Bahnhofs Ayrılıkçeşme 40 Stationen verlegt, bzw. neu- oder ausgebaut, davon sieben mit Intercity-Halt; drei Tunnelstationen entstanden auf der historischen Halbinsel östlich von Yedikule neu.[2] Die Tunnelverbindung zwischen Europa und Asien war für den Passagiertransport geöffnet und von den Einschränkungen nicht betroffen.

Geschichte

1955 wurde die erste S-Bahn-Strecke (bis Oktober 2013 B1) auf der europäischen Seite der Stadt eröffnet, die zugleich auch das erste Projekt der 50-Hz-Arbeitsgemeinschaft war.[3] Sie benutzte seitdem stadteinwärts ab Halkalı die Fernbahnstrecke nach Edirne und zum europäischen Eisenbahnnetz. 1969 wurde die zweite S-Bahn-Strecke (bis Oktober 2013 B2) ab Haydarpaşa eröffnet, dem Ausgangsbahnhof der Bagdadbahn. Die zweite Strecke wurde notwendig, da auf ihrem Linienweg in südöstlicher Richtung entlang der Küste ab den späten 1960er Jahren immer mehr Vororte entstanden, die über eine leistungsfähige Verbindung zu den Fähren an die europäische Seite der Stadt angeschlossen werden mussten, da ein täglicher Berufspendlerstrom auf die europäische Seite die Kapazität der beiden Bosporusbrücken sprengte.

Liniennetz

S-Bahn-System Istanbul als Linienband
Linienband der Stammstrecke über einer Türe eines S-Bahnwagens
S-Bahn-Zuggarnitur in Istanbul
S-Bahnzug am Bahnsteig
Das Wageninnere eines Marmaray S-Bahn-Zuges
Ein Triebzug der Reihe E8000 bei der Einfahrt in den Bahnhof Sirkeci (2011 ausgemustert)
Marmaray-Tunnelstation im Rohbau
Marmaray-Tunnel unter dem Bosporus
Schematischer Netzplan mit Metro, Tram und Metrobüs
Jeton-Automat – Ein Fahrkartenkauf in den Zügen ist nicht möglich. Um die Bahnsteige zu betreten müssen Drehkreuze passiert werden. Die Zeitkarten und Akbil-Pässe der Metro gelten auch für die S-Bahn.
Aktuelles Liniennetz
LinieStreckeLängeBahnhöfe
MarmarayHalkalı ↔ Gebze76,6 km43, davon 4 unterirdisch
Situation vor dem 29. Oktober 2013

Die beiden Linien B1 und B2 vor dem 29. Oktober 2013; ‘‘B‘‘ steht hierbei für ‘‘Banliyö trenı‘‘:

Linie Strecke Länge Bahnhöfe Anmerkungen zum Planungs- und Ausbaustand
B1Halkalı ↔ Sirkeci (Istanbul Hauptbahnhof, Europa)30 km18unterirdische Verbindung ab Yenikapı/Sirkeci zum Marmaraytunnel in Bau (Fertigstellung am 29. Oktober 2013)
B2Haydarpaşa (Istanbul Hauptbahnhof, Asien) ↔ Gebze44 km28Verbindung zum Marmaraytunnel in Bau (Fertigstellung am 29. Oktober 2013)

Nach der Fertigstellung des Marmaraytunnels wurde die Strecke zwischen Kazlıçeşme (Europa) und Ayrilikçeşme/İbrahimağa (Asien) zunächst nur von S-Bahn-Zügen – und damit ohne Mischverkehr mit Fernzügen – im 13,4 km langen Bosporustunnel befahren. Westlich und östlich dieser Stationen war der S-Bahn-Betrieb bis zum Abschluss des Modernisierungsumbaus der 60 km langen Außenäste unterbrochen[4].

Situation zwischen dem 29. Oktober 2013 und dem 11. März 2019

Am 29. Oktober 2013 begann der S-Bahn-Betrieb zwischen den Stationen Kazlıçeşme im Westen und Ayrilikçeşme/İbrahimağa im Osten. Östlich der oberirdisch gelegenen Station Kazlıçeşme fahren die Züge in den Marmaraytunnel. Auf der europäischen Seite wurden zunächst die Tunnel-Stationen Yenikapı und Sirkeci angefahren. In Yenikapı besteht ein Anschluss zu den U-Bahn-Linien M1A, M1B und M2 der Metro Istanbul. In Sirkeci kann auf die Trambahnlinie T1 umgestiegen werden, die den Fähranleger Kabataş mit der historischen Halbinsel und Zeytinburnu verbindet. Von hier aus kreuzt die S-Bahn den Bosporus in den Tunnelröhren am Meeresboden und erreicht auf der asiatischen Seite die Station Üsküdar, wo gleichzeitig an der 2017 eröffneten Metrolinie M5 gebaut wurde. An der vorläufigen Endstation Ayrilikçeşme besteht bereits eine Umsteigemöglichkeit zur Metrolinie M4. Auch die Stationen Üsküdar und Ayrilikçeşme sind Tunnel-Bahnhöfe.

Linie Strecke Länge Bahnhöfe Anmerkungen zum Planungs- und Ausbaustand
MarmarayKazlıçeşme ↔ Ayrilikçeşme13,6 km5, davon 4 unterirdischModernisierung der bestehenden Strecken im Westen (ehem. B1) und Osten (ehem. B2) auf S-Bahn-Standard in Bau

Umsteigebeziehungen zu anderen Verkehrsträgern

Korrespondenzstationen
Stationsname kreuzende Linien Anmerkung
KüçükçekmeceMarmaray ↔ geplante Metrolinie M8geplant
BakırköyMarmaray ↔ geplante bis Bakırköy erweiterte Metrolinie M3geplant
YenikapıMarmaray ↔ Metrolinien M1A/B und M2
SirkeciMarmaray ↔ Straßenbahnlinie T1 und Fährverkehr
Ayrılıkçeşme/İbrahimağaMarmaray ↔ Metrolinie M4
ÜsküdarMarmaray ↔ Metrolinie M5

Betriebszeiten und Taktintervalle

Bis zur Marmaray-Eröffnung fuhren die S-Bahn-Züge pro Richtung drei bis viermal pro Stunde, also in Taktintervallen von 15 bis 20 Minuten. Die ersten Züge des Tages verließen morgens die Endbahnhöfe gegen 5:30 Uhr. Die letzten Züge fuhren jeweils gegen 0 Uhr aus den Endstationen aus, sodass der S-Bahn-Betrieb im gesamten Netz gegen 1 Uhr endete.[5][6] Nach dem vollständigen Abschluss der Bauarbeiten im S-Bahn-Bereich werden die S-Bahn-Züge im 2-Minuten-Takt fahren können[2]. Von November 2013 bis 2015 pendeln die Züge durch den Marmaraytunnel im Zehn-Minuten-, zu Hauptverkehrszeiten im Sieben-Minuten-Takt.

Tarife

Die S-Bahn ist in das Istanbuler ÖPNV-Tarifsystem integriert, sodass für die von der Staatsbahn TCDD betriebenen S-Bahnen die gleichen Tarife und Tickets gelten wie für die von den städtischen Nahverkehrsgesellschaften Istanbul Ulasim, İETT, Şehir Hatları und İstanbul Deniz Otobüsleri unterhaltenen Verkehrsträger.[7]

Eine einfache Fahrt kostet für Erwachsene unabhängig von der zurückgelegten Strecke 3 TL. Mit dem Akbil-Pass, einem elektronisch aufladbaren „Pre-Paid“-Speicherchip, verringert sich der Fahrpreis um 1,05 TL auf 1,95 TL. Daneben sind Monatsabonnements für 70 TL erhältlich.[8] Staatsbedienstete, Rentner, Schüler und Studierende erhalten Rabatte. Innerhalb der Züge ist kein Entwerten oder Bezahlen möglich. Außerhalb der Ticketsperren, die sich an jedem S-Bahnhof an den Zugängen zu den Bahnsteigen befinden, gibt es Fahrkartenschalter, bzw. -automaten.

Technische Daten

Energiezufuhr und Spurweite

Wie bei der Metro, der Stadt- und Straßenbahn (bis auf die meterspurige Linie T3) beträgt die Spurweite im S-Bahn-System 1435 mm (Normalspur). Die Energiezufuhr erfolgt über eine Oberleitungssystem mit 25 kV Wechselstrom.

Wagenmaterial

Die ersten Fahrzeuge waren die von der 50-Hz-Arbeitsgemeinschaft gebauten Triebzüge der Baureihe E8000, von denen 18 Stück 1955 abgeliefert wurden. 12 weitere Züge dieser Baureihe wurden 1962 bis 1963 abgeliefert. Diese Baureihe wurde 2011 ausgemustert.

Im Jahre 1979 folgten von Tüvasaş in der Türkei gebauten Triebzüge der Reihe E14000, welche mit der Fertigstellung des Marmaray-Projekts ausrangiert wurden.

Als Teil des Marmaray-Projekts wurden für den Nahverkehr 20 fünf- und 34 zehnteilige Triebzüge angeschafft, die von der koreanischen Firma Hyundai Rotem geliefert wurden.[9] Baugleiche Fahrzeuge werden auch in Izmir und Ankara eingesetzt. Die Fahrzeuge sind 3 m breit; ein Zehnwagenzug ist 220 m lang und kann bis zu 3040 Personen befördern. Für diese hohe Kapazität und einen raschen Fahrgastwechsel haben die Wagen auf jeder Seite fünf Doppeltüren und breite Stehplatzbereiche, aber nur relativ wenige Sitzplätze. Die Wagenkästen sind Schweißkonstruktionen aus rostfreiem Stahl und auf eine Haltbarkeit von 50 Jahren ausgelegt[10].

Verkehrsinfrastruktur

Wie in vielen deutschen S-Bahn-Systemen ist die S-Bahn Istanbul – anders als die Metro – kein von anderem Schienenverkehr völlig getrenntes System. Sie teilt sich die Gleise abschnittsweise mit anderem Eisenbahnverkehr. Dennoch stellen die S-Bahn-Züge im Verhältnis zu anderen Personenzügen des InterCity- und Fernverkehrs den größten Anteil des Verkehrsaufkommens auf den gemeinsam benutzten Gleisanlagen dar. Durch hohe Bahnsteige an allen Zugangsstellen ist ein stufenloser Zustieg möglich.

Bedeutung des Marmaray-Projekts für den Verkehrsträger S-Bahn

Bis Oktober 2013 waren die innerstädtischen Schnellbahnnetze des europäischen und des asiatischen Teils Istanbuls voneinander durch den Bosporus getrennt. Transkontinentale Verbindungen zwischen den Nahverkehrsschienennetzen der Stadt wurden von Stadtbussen, dem Metrobüs und den Fährschiffen hergestellt. Mit der Koppelung der beiden S-Bahn-Linien wurde die erste leistungsfähige Schnellbahnverbindung zwischen den beiden Stadthälften verwirklicht, die den täglichen (Berufs-)Pendlerstrom merklich erleichtern und verkürzen helfen soll. Im 4-Minuten-Takt verbinden die Züge im 13,6 km langen Eisenbahntunnel Europa mit Asien. 1,4 km des Tunnels liegen dabei auf dem Grund des Bosporus[11]. Die Attraktivität des Verkehrsmittels S-Bahn soll durch die Verkürzung der Reisezeit um 56 Minuten (im Vergleich zur Fähre) in Istanbul deutlich steigen, da einerseits zahlreiche Buslinien, andererseits die für die Erschließung der historischen Halbinsel und der westlichen Vororte wichtige Straßenbahnlinie T1 sowie die Metrolinien ab 2014 Umsteigebahnhöfe zur S-Bahn-Strecke erhalten werden. Die Metrolinien bekommen dadurch eine noch wichtigere Zubringerfunktion zum dann transkontinentalen S-Bahn-System, das bis auf weiteres die einzige Schnellschienenverbindung zwischen den beiden Stadthälften bleiben wird.

Transportvolumen

Transportkapazität der Linien B1 und B2 vor der Eröffnung des Marmarayprojekts

Die Fahrt auf der Linie B1 dauert von Halkalı bis Sirkeci 47 Minuten. Auf der B2 sind die Züge von Haydarpaşa bis Gebze 65 Minuten unterwegs. Täglich benutzen 110.000 Passagiere die S-Bahnen.[12]

Transportvolumen der Marmaray-Linie

Stündlich können bis zu 75.000 Reisende pro Richtung mit der S-Bahn durch den Tunnel transportiert werden.[13]

Quellen

  1. Banliyö hattı da kapanıyor 150 bin yolcuyu İETT taşıyacak (Memento vom 11. Februar 2013 im Internet Archive)
  2. Oliver Abraham: „MarmaRay“: Der Super-Tunnel zwischen Orient und Okzident. In: welt.de. 27. April 2013, abgerufen am 7. Oktober 2018.
  3. Amandus Jäger: Geschäftsleben. In: ajaeger.ch. Abgerufen am 10. April 2016.
  4. http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/jahrhundertprojekt-in-der-tuerkei-tunnel-fuer-zwei-kontinente/8991604.html
  5. http://www.tcdd.gov.tr/upload/Files/ContentFiles/2010/istanbul-banliyosu/halist.htm
  6. http://www.tcdd.gov.tr/Upload/Files/ContentFiles/2010/istanbul-banliyosu/isthal.htm
  7. http://www.tcdd.gov.tr/home/detail/?id=232
  8. http://www.tcdd.gov.tr/home/detail/?id=232
  9. Haber Ayrintilari. İZBAN Trenlerine Yenileri Eklendi (Memento vom 25. März 2012 im Internet Archive)
  10. http://wowturkey.com/forum/viewtopic.php?t=40211&start=20
  11. http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.marmaray-bahnstrecke-ein-supertunnel-unter-dem-bosporus.9a078d17-944f-4fad-b807-2f41735f21d3.html
  12. T. C. Devlet Demiryollari 2006-2011 Istatistik Yilliği. (PDF; 8,6 MB) Turkish State Railways. Annual Statistics. T. C. Devlet Demiryollari, archiviert vom Original am 7. September 2012; abgerufen am 22. März 2013 (türkisch).
  13. http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.marmaray-bahnstrecke-ein-supertunnel-unter-dem-bosporus.9a078d17-944f-4fad-b807-2f41735f21d3.html
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