Ruedi Walter
Ruedi Walter (eigentlich Hans Rudolf Häfeli; * 10. Dezember 1916 in Solothurn; † 16. Juni 1990 in Binningen[1]) war ein Schweizer Schauspieler, Hörspielsprecher und Kabarettist. Neben seiner Bühnen- und Filmpartnerin Margrit Rainer, Emil Hegetschweiler, Heinrich Gretler, Alfred Rasser, Schaggi Streuli und Max Haufler gehörte er zu den grossen Volksschauspielern der Schweiz. Sein schauspielerisches Talent reichte vom komödiantischen Fach bis zu ernsten Rollen.
Leben
Der Sohn eines Vertreters absolvierte die Kantonale Handelsschule in Basel. Als Jugendlicher war er Mitglied des CVJM.[2] Er begann eine „Praktikantenlehre“[2] bei der Handelsfirma für Bäckereibedarf Bopp & Co.,[2] die in seinem zweiten Lehrjahr in Konkurs ging. Um nach der Rekrutenschule einer zwangsweisen Offiziersausbildung entgehen zu können, ging er an Sprachschulen in Paris und London, wo er als Volontär beim Teegrossisten Twining Crossfield[2] arbeitete und später auf eigene Rechnung mit Tee handelte. Wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs kehrte Walter 1939 in die Schweiz zurück, wo er Ende April 1939 in der Werbeabteilung bei Maggi[2] in Kemptthal zu arbeiten begann und Militärdienst leistete. Danach wurde er bei Maggi Büroleiter des Basler Depots. Theater, das „Theäterle“,[2] betrieb er zunächst als Freizeitbeschäftigung.
Mit seiner sechs Jahre jüngeren Schwester Gertrud – der späteren Gertrud Kessel[2] – nahm er Schauspielunterricht bei Eva Bernoulli[2] und Gustav Hartung.[2] Zudem hatte er Sprech- und Gesangsstunden bei Margit von Tolnai.[2] Während der Kriegsjahre trat er zum ersten Mal auf die Bühne: im Basler Stadttheater, 1944 bei der Soldatenbühne Bärentatze[2] und im Cabaret Kaktus. Nach dem Krieg schloss er sich 1948[2] dem Cabaret Cornichon an. Die Kleinbühne hatte aber ihre besten Zeiten bereits hinter sich; die Stücke, die er spielte, gerieten rasch in Vergessenheit. Dafür machte Walter eine Bekanntschaft, die sein weiteres Wirken prägte: Margrit Rainer, mit der er eine langjährige künstlerische Partnerschaft einging. Er war mit der Schauspielerin Irène Camarius[2] (Marthe Irène Liechti) verheiratet, die mit ihm in vielen Bühnenstücken auftrat und sich später vom Theater zurückzog. Das Paar hatte zwei Kinder.
Nach zwei Jahren Cornichon machten sich Margrit Rainer und Ruedi Walter selbstständig, um dann während Jahrzehnten als kongeniale Bühnenpartner in unzähligen Auftritten zu brillieren. Walter und Rainer waren auch dank ihrer Radiosendungen Spalebärg 77a und Bis Ehrsams zum schwarze Kaffi in den 1950er Jahren beliebt, bei deren Ausstrahlung jeweils die halbe Deutschschweiz vor dem Radio sass. Auch als Margrit Rainer 1982 starb, spielte Walter in etlichen Schweizer Filmen und Fernsehproduktionen und auch im Schweizer Nationalzirkus Knie weiter.
Walters Hauptbetätigungsfeld blieb aber die Bühne, er verkörperte rund 500 Figuren. Er überzeugte, ob als Bäuerlein Heiri in der Kleinen Niederdorfoper oder als Estragon in Warte uf de Godot. Seinen Ruf als Volksschauspieler erwarb er sich nicht zuletzt mit seinen Rollen in den oft lokalpatriotisch angehauchten Zürcher Musicals von Werner Wollenberger, Hans Gmür, Max Rüeger, Karl Suter (Text), Hans Moeckel und Paul Burkhard (Kompositionen): Neben der Kleinen Niederdorf-Oper waren dies Stücke wie Eusi chlii Stadt, Golden Girl und Bibi Balu. Zum Schauspiel-Ensemble dieser Musicals gehörten neben Ruedi Walter und Margrit Rainer auch Ines Torelli, Inigo Gallo, Edi Huber, Vincenzo Biagi, Jörg Schneider, Paul Bühlmann und andere.
Bis zu seinem Tod stand Ruedi Walter auf der Bühne und vor der Kamera, obwohl sein Augenlicht in den letzten Jahren stark nachliess. Am Schluss spielte er fast blind. Walter starb an Komplikationen einer Knie-Operation.
Filmografie (Auswahl)
Kinofilme
- 1949: Swiss Tour
- 1953: Die Venus vom Tivoli
- 1955: Polizischt Wäckerli
- 1956: Oberstadtgass
- 1957: Taxichauffeur Bänz
- 1957: Der 10. Mai
- 1957: Glück mues me ha
- 1958: Zum goldenen Ochsen
- 1958: Die Käserei in der Vehfreude
- 1959: Hinter den sieben Gleisen
- 1960: Anne Bäbi Jowäger 1. Teil
- 1960: Der Teufel hat gut lachen
- 1961: Anne Bäbi Jowäger 2. Teil
- 1961: Die Ehe des Herrn Mississippi
- 1961: Demokrat Läppli
- 1962: Der 42. Himmel
- 1964: Geld und Geist
- 1968: Unruhige Töchter
- 1968: Die 6 Kummer-Buben
- 1968: Sommersprossen
- 1969: Das Go-Go-Girl vom Blow-Up
- 1970: Pfarrer Iseli
- 1971: Der Kapitän
- 1973: Gott schützt die Liebenden
- 1988: Klassezämekunft
- 1990: Bingo
Fernsehserie
- 1968: Die 6 Kummer-Buben
- 1973–1975: Ein Fall für Männdli
- 1979: Achtung Kunstdiebe
Theateraufzeichnungen
- 1970: Guet Nacht, Frau Seeholzer!
- 1974: My Frau – der Chef
- 1976: Hurra, en Bueb!
- 1978: Die kleine Niederdorfoper
- 1979: D’Muetter wott nur s’Bescht
- 1981: Der schwarze Hecht
- 1981: Potz Millione
- 1985: Drei Männer im Schnee
Hörspiele (Auswahl)
- 1973: Fritz Gafner: Eugen oder der Heimweg. Ein mundartliches Hörspiel – Regie: Lilo Külp (Original-Hörspiel – SWF)
- 1974: Kurt Heynicke: E Dreckfetzli Papier – Regie: Lilo Külp (Mundart-Hörspiel – SWF)
- 1974: Karl Wittlinger: Zwei Wassertröpfli – Regie: Lilo Külp (Original-Hörspiel, Mundart-Hörspiel – SWF)
- 1974: Kurt Heynicke: Tante Theklas Testament – Regie: Lilo Külp (Mundart-Hörspiel – SWF)
- 1974: Hans Stalder-Schüpach: En Iibrächer. Mundartspiel – Regie: Lilo Külp (SWF)
- 1976: Jakob Stebler: De Durisch. Ein Mundartspiel – Bearbeitung und Regie: Lilo Külp (Original-Hörspiel, Mitmachhörspiel – SWF)
- 1980: Karl Otto Mühl: Geh aus mein Herz... (Heini Schwarz) – Regie: Stephan Heilmann (Original-Hörspiel – SR DRS)
- 1980: Gert Hofmann: Der Austritt des Dichters Robert Walser aus dem Literarischen Verein (Oskar Gissinger) – Regie: Horst H. Vollmer (Original-Hörspiel – HR/RB/SDR)
- 1983: Dieter Forte: Martin Luther und Thomas Münzer oder Die Einführung der Buchhaltung (2. Teil: 2. Abend: Das Schwert Gottes) (Froben) – Regie: Hartmut Kirste (Hörspiel –SWF)
- 1983: Dieter Kühn: U-Boot-Spiel (Willi) – Regie: Charles Benoit (Hörspiel, Mundart-Hörspiel – SR DRS)
Auszeichnungen
- 1978: Prix Walo
- 1984: Hans Reinhart-Ring
Literatur
- Michael Gautier: Walter, Ruedi. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 3. April 2013.
- Ernst Reinhardt (Hrsg.): Ruedi Walter. Spuren eines Schauspielerlebens. Reinhardt, Basel 1984, ISBN 3-7245-0549-3.
- Mats Staub: Ruedi Walter. In: Andreas Kotte (Hrsg.): Theaterlexikon der Schweiz. Band 3, Chronos, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0715-9, S. 2047 f.
- Michael Wenk: Jässodu! Er war Komödiant, Komiker, Kabarettist. Und er war ein grosser Schauspieler: Vor hundert Jahren wurde Ruedi Walter geboren. In: Neue Zürcher Zeitung. 7. Dezember 2016.
- César Keiser: In memoriam Ruedi Walter. In: Basler Stadtbuch 1990, S. 94-96.
- Kay Weniger: Das große Personenlexikon des Films. Die Schauspieler, Regisseure, Kameraleute, Produzenten, Komponisten, Drehbuchautoren, Filmarchitekten, Ausstatter, Kostümbildner, Cutter, Tontechniker, Maskenbildner und Special Effects Designer des 20. Jahrhunderts. Band 8: T – Z. David Tomlinson – Theo Zwierski. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2001, ISBN 3-89602-340-3, S. 248 f.
Weblinks
- Ruedi Walter in der Internet Movie Database (englisch)
- Wissenswertes über Ruedi Walter, Mikiwiki
- Die Ruedi-Walter-Strasse, Website «Gang dur Züri»
- Ruedi Walter und Margrit Rainer spielen am 18. Mai 1952, verschiedene Episoden für das Schweizer Fernsehen im Versuchs-Studio von Münchenstein. Es ist das älteste Film Dokument des Schweizer TV.
- Ruedi Walter Bildbiografie
Einzelnachweise
- pz: Ruedi Walter gestorben. In: Neue Zürcher Zeitung. 18. Juni 1990, S. 27; Zitatausschnitt: «Im Basler Kantonsspital Bruderholz […]».
- Ernst Reinhardt, et al.: Ruedi Walter – Spuren eines Schauspielerlebens. Friedrich Reinhardt Verlag, Basel 1984, ISBN 3-7245-0549-3, S. 10–17, 20, 24, 31, 33.