Rainer Sonntag
Leben
In der DDR war Rainer Sonntag als Inoffizieller Mitarbeiter der Deutschen Volkspolizei tätig. Er galt in der DDR dennoch als „arbeitsscheuer Dissident“ und wurde deshalb ausgewiesen.[1]
Er kam 1987 aus Dresden in die Bundesrepublik Deutschland. Dort suchte er die Kontakte zur damaligen neonazistischen Szene um Michael Kühnen, in dessen Nationaler Sammlung er als Spitzenkandidat galt. Er ließ sich zunächst in Frankfurt am Main nieder, wo er als Leibwächter für Kühnen und dessen Hauptquartiere in Frankfurt und in Langen, aber auch mit Prostituierten seinen Lebensunterhalt verdiente.[2] Infolge dieser Tätigkeit wurde Sonntag wegen illegalen Waffenbesitzes und Körperverletzung verurteilt.[1]
Nach der Wende kehrte er nach Dresden zurück, wo er als Anführer der Deutschen Alternative den schwer erkrankten Kühnen vertrat. Er gründete dort den Nationalen Widerstand Dresden (NWD).[3] Sonntag galt als Integrationsfigur der west- mit der ostdeutschen Neonazi-Szene und genoss insbesondere innerhalb der neonazistischen Skinhead-Szene ein hohes Ansehen. Zudem erwarb er sich einen Ruf als „Saubermann“, der mit Gleichgesinnten quasi als private Polizei in den Straßen von Dresden patrouillierte. Zunächst gingen er und seine Gefolgsleute gegen Hütchenspieler vor, anschließend nahmen sie das Drogen- und Rotlichtmilieu ins Visier.[1]
Als Schutzgelderpresser bedrängte er am 31. Mai 1991 die beiden Zuhälter Nicolas Simeonidis und Ronny Matz zusammen mit mehreren Neonazis. Er setzte den beiden ein Ultimatum. Bei einer erneuten Konfrontation am Abend wurde Rainer Sonntag von Simeonidis auf der Leipziger Straße in Dresden erschossen.[4]
Urteile und Revision
Die beiden Täter wurden zunächst freigesprochen, da sie aus Notwehr gehandelt hätten.[5] In der Revision wurde diese Entscheidung am 3. Februar 1993 vom BGH aufgehoben.[6]
Der Schütze Nicolas Simeonidis wurde vom Landgericht Dresden im Oktober 1993 zu einer 5-jährigen Haftstrafe wegen Totschlags verurteilt. Ronny Matz erhielt wegen Mittäterschaft eine 10-monatige Bewährungsstrafe.[7][8]
Nachwirkung
Anschließend wurde Rainer Sonntag in der Neonazi-Szene als Märtyrer verstanden. Deren Anhänger versuchten, sein Andenken in Anlehnung an die „Blutzeugen“ der NS-Bewegung zu instrumentalisieren.[9] Dies scheiterte jedoch letztlich an der keineswegs „sauberen“ Lebensführung von Sonntag.[10] Eine kurzfristig geplante Demonstration zu Ehren Sonntags 14 Tage nach seinem Tod in der Dresdner Innenstadt mobilisierte 1500 Anhänger.[11] Die Rechtsrock-Bands Landser (in Kanake verrecke) und Macht & Ehre (in Was habt ihr getan?) nahmen Bezug auf Sonntags Tod.[12]
Nach Sonntags Tod gingen die Reste des NWD in der Nationalen Liste Sachsen und der Nationalen Offensive Sachsen auf.[3]
Einzelnachweise
- Hans-Gerd Jaschke, Birgit Rätsch, Yury Winterberg: Nach Hitler – Radikale Rechte rüsten auf. Wilhelm Goldmann Verlag, München 2003, ISBN 3-442-15206-2, S. 133–137.
- Hans-Gerd Jaschke, Birgit Rätsch, Yury Winterberg: Nach Hitler – Radikale rechte rüsten auf. Wilhelm Goldmann Verlag, München 2003, ISBN 3-442-15206-2, S. 126.
- Bernd Wagner (Hrsg.): Handbuch Rechtsextremismus. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 1994, ISBN 3-499-13425-X, S. 133.
- Rache für Rainer. In: Der Spiegel. Nr. 24, 1991, S. 86 (online).
- Urteile. In: Der Spiegel. Nr. 14, 1992, S. 296 (online).
- Karlsruhe: Urteil aufgehoben. In: FAZ, 4. Februar 1993, S. 4
- Thomas Schade: Tatorte; Dresdner Kriminalfälle aus 5 Jahrzehnten. Edition Sächsische Zeitung, Dresden 2012, ISBN 978-3-938325-08-7, S. 200–201.
- Guilty verdict in sawed-off shotgun slaying of German neo-Nazi leader. 1. November 1993, abgerufen am 17. Juni 2013.
- Gisela Friedrichsen: Teufel und Beelzebub in Panik. In: Der Spiegel. Nr. 12, 1992, S. 107–111 (online).
- Rainer Fromm, Jan Peter: Nach Hitler – Radikale rechte rüsten auf. Dreiteilige Fernsehdokumentation, 2001 für den MDR. DVD UAP Video GmbH 2006.
- Toralf Staud, Johannes Radke: Neue Nazis – Jenseits der NPD: Populisten, Autonome Nationalisten und der Terror von rechts. Kiepenheuer & Witsch, 2012, ISBN 978-3-462-04455-3, S. 55.
- Peter Schlobinski: Zum Sprachgebrauch rechtsradikaler Musikgruppen. (PDF) (Nicht mehr online verfügbar.) Michael Tewes, ehemals im Original; abgerufen am 20. Dezember 2012. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)