Raelismus
Die Rael-Bewegung, auch Raelismus oder Raelistische Religion genannt, bis 1976 auch MADECH (französisch mouvement pour l’accueil des extraterrestres, créateurs de l’humanité, deutsch Bewegung für den Empfang der Außerirdischen, Schöpfer der Menschheit), ist eine Neue Religiöse Bewegung, die einen Ufoglauben verfolgt. Sie ist dafür bekannt, dass sie das Klonen von Menschen ermöglichen will.[1]
Die Gruppe finanziert sich aus der Abführung von 3 % des Nettoeinkommens, das Anhänger abzugeben haben. Eine weitere Einkommensquelle sind Erbschaften.[2] Außerdem verfügt sie über eine eigene Ära, wobei Raëls (Claude Vorilhon) Geburtsjahr 1946 als Jahr 1 gezählt wird.[2]
Geschichtliche Entwicklung
Die Neue Religiöse Bewegung wurde im Dezember 1973 von Claude Vorilhon (* 1946) alias Raël gegründet, der eine Begegnung mit einem aus einem UFO entstiegenen Vertreter einer außerirdischen Zivilisation gehabt haben will. Bei seiner ersten angeblichen Begegnung am 13. Dezember 1973 mit den Außerirdischen soll Claude Vorilhon eine Botschaft für die Menschheit erhalten haben, die besage, dass die Elohim vor 25.000 Jahren das erste Mal auf die Erde kamen und hier dank ihrer Beherrschung der DNA das Leben wissenschaftlich erschufen. Die Besucher sollen ihm den Namen Rael („der das Licht der Elohim bringt“) gegeben haben. Angeblich sei er der Halbbruder von Jesus Christus, da seine Mutter ohne ihr Wissen in einem UFO entführt und Vorilhon dort durch JHWH, den ältesten der Elohim, am 25. Dezember 1945 gezeugt worden sein soll.[3][4]
Vorilhon verfasste darauf Das Buch, das die Wahrheit sagt und trat im Fernsehen auf, um seine Lehre zu verbreiten. Die dadurch erreichte Popularität führte zur Gründung der „MADECH“. Nach zwei Jahren verfügte Vorilhon über etwa 700 Anhänger.[3] Am 7. Oktober 1975 besuchte Vorilhon angeblich den Planeten der Außerirdischen und erhielt die in seinem Buch Die Außerirdischen haben mich auf ihren Planeten mitgenommen veröffentlichten Lebensregeln.
Es folgte eine Ausbreitung der Bewegung über den französischen Sprachraum, die eine Umbenennung, zuerst (1977) in „Rael-Bewegung“ (Mouvement Raëlien) und 1998 in „Raelistische Religion“, nach sich zog.
Im Jahr 2002 hatte die Bewegung nach eigenen Angaben weltweit etwa 40.000 Mitglieder. Andere Quellen gehen von 22.000[5] bis 55.000 Mitgliedern[6][7] aus. Sie verkündete auf der Internationalen Bio-Expo in Tokio im Juli 2002, dass sie in der Lage sei, Menschen zu klonen.[8]
Symbol
Das Symbol des Raelismus ist ein Hexagramm mit Swastika. Es wird von Raelianern als Anhänger getragen.[9] Nach Protesten von Juden gegen die Kombination aus Davidstern und Hakenkreuz wurde letzteres durch eine stilisierte Gänseblümchenblüte ersetzt. Das alte Symbol bleibt jedoch weiterhin gültig, da die Raelianer nach wie vor auf eine weltweite Akzeptanz der Swastika hoffen. Zu diesem Zweck erklärte Raël 2009 den 23. Juni zum „Swastika-Rehabilitations-Tag“.[10]
Glaubensvorstellungen und Leben
Das Glaubenskonzept des Raëlismus verbindet wissenschaftliche Vorstellungen mit biblischen Überlieferungen. Diese werden allerdings aus einer technologischen Sicht neu dargestellt. Die Lehre gibt sich dabei als völlig rational ohne Bezüge zum Übernatürlichen. Typisch ist der weitgehende Verzicht auf mystische Ansätze. Durch die Verbindung von wissenschaftlicher Sichtweise und religiösen Gesichtspunkten ist das Konzept erfolgreich. Dazu ist die Bewegung nicht gegen Sinnlichkeit gerichtet und propagiert diese sogar.[11]
Die Raëlisten (auch Raëlianer oder Raeliens genannt) glauben, dass wissenschaftlich weit fortgeschrittene, menschenähnliche Wesen („Elohim“), die man früher für Götter gehalten habe, für die Schöpfungsgeschichte verantwortlich gewesen seien. Diese These wird als Prä-Astronautik auch von Erich von Däniken vertreten. Die Schöpfung – so postuliert Raël – sei ein Produkt dieser Wesen, die durch überlegene Technik dazu in der Lage seien, Landschaften zu formen, Atmosphären zu schaffen und durch Klontechnologie Menschen (nach ihrem Abbild) zu schaffen.[3] Vor etwa 22.000 Jahren sei so die Erde geschaffen worden. Die Menschen sollen sich hiernach entwickelt haben, wobei gemäß der philosemitischen Einstellung Raels die Juden das am besten gelungene menschliche Volk seien. Als ihr technischer Fortschritt den Elohim gefährlich wurde, vernichteten diese daraufhin mit Kernwaffen das Leben auf der Erde mit Ausnahme von Noach, der sich und eine Zelle jeder Art in einer Rakete retten konnte.[2]
Eines der Ziele der Raëlisten ist, ein Botschaftsgebäude auf neutralem Territorium zu bauen, in dem die Elohim empfangen werden können. Das Gebäude soll bis 2025 errichtet sein. Bevorzugtes Territorium wäre Israel. Sollte es sich jedoch wieder dem Willen der Elohim widersetzen, dann würde erneut der Zorn Gottes über es hereinbrechen.[2][3] Mit der Rückkehr der Elohim breche dann das Zeitalter der Apokalyptik an, in dem Religionen von der Wissenschaft abgelöst würden. Es soll dann zur Kommunion der Menschen mit ihren Schöpfern kommen. Durch wissenschaftlichen Fortschritt und einen Fortschritt des Bewusstseins – erreichbar auch durch die Angaben zum Beispiel in den „Schlüsseln“ in den Büchern Raëls, durch Meditation – mit der Vervollkommnung des Klonens und schließlich des Mind uploading würden die Menschen irdische Unsterblichkeit und paradiesische Zustände erreichen können.[3] In der Folge würden die Auserwählten ein göttergleiches Leben führen und ihrerseits Planeten mit Klonen bevölkern können.[3]
Die Entsprechung für das Leben nach dem Tod ist bei den Raëlisten die Kombination von sofortigem Ganzkörperklonen (per Biotechnologie oder Nanotechnologie?) und „Uploading“ in diesen aus der eigenen DNA neu geschaffenen jungen Körper oder auch eine zwischenzeitliche Weiterexistenz in einem fortgeschrittenen Computer. Regelmäßige Meditationen gehören zur religiösen Praxis. Hierbei soll nach raëlianischer Vorstellung durch die Haare, die als Antennen dienen sollen, telepathisch Kontakt zu den Elohim aufgenommen werden. Mindestens einmal im Leben sollen sich die Anhänger durch Raël oder eine von ihm hierzu beauftragte Person die Hand auflegen lassen. Dies soll dem überwachenden Computer der Elohim den Bauplan der Körper übermitteln. Hierdurch werde eine Wiederherstellung nach dem Tode ermöglicht.[3] Diesem Gedanken, dass der Mensch durch Klonen wiederhergestellt würde, wird entgegengehalten, dass der Mensch erst durch seine Entwicklung im Leben zu dem werde, was er ist. Letztlich werde der Mensch durch diese Gedanken auf seine reinen Erbanlagen reduziert.[2]
Die Raëlisten und das Klonen
In der Glaubensvorstellung der religiösen Gruppierung soll das Klonen von Menschen der erste Schritt zur Unsterblichkeit ihrer Mitglieder sein.[1] Die der Raël-Bewegung nahestehende Firma Clonaid behauptet, mehrere Menschen geklont zu haben.[12][13] Es gab von ihnen bereits einige Schlagzeilen, ihnen sei das Klonen gelungen. Jedoch ist die Firma laut Zeugenaussagen recht klein und unmodern, sodass die Klonerfolge von seriösen Wissenschaftlern bezweifelt werden.[12][14]
Im März 2001 kam es zu einer Anhörung vor einem Ausschuss des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten, in welcher die Raëlisten bekräftigten, das Klonen von Menschen anzustreben.[15][6] 2001 bemühte sich die Bewegung, durch eine Klage in den Vereinigten Staaten durchzusetzen, dass das Klonen von Menschen dort legal werden solle.[6] Laut einer führenden Raelistin, Brigitte Boisselier, soll es Clonaid 2002 gelungen sein, die technischen Grundlagen des Klonens von Menschen zu schaffen.[8] Im Dezember 2002 soll nach Angaben Boiselliers dann „Eve“ als erster geklonter Mensch geboren worden sein.[12] Diese Behauptung wird von wissenschaftlicher Seite bezweifelt.[16] Bis 2003 lagen keine wissenschaftlichen Beweise für eine genetische Identität von Mutter und Tochter vor. Clonaid behauptete zwar, dass eine Untersuchung durch neutrale Dritte möglich sei, wollte aber weder den Namen der Eltern noch den von hierzu bereiten Wissenschaftlern nennen.[17] Teilweise wird angenommen, dass die Bekanntgabe des Klonerfolges eine reine Werbemaßnahme ohne realen Grund gewesen sei.[14] Es wurde nach der Bekanntgabe der Geburt „Eves“ vor einem Gericht in Florida Klage wegen der Bestellung eines Vormundes eingereicht. Nachdem Brigitte Boisselier unter Eid versichert hatte, das Kind habe sich nie in den USA aufgehalten, erklärte sich das Gericht für unzuständig. Die Food and Drug Administration (FDA) ermittelte ab 2002 im Falle „Eve“ wegen nicht genehmigter Genversuche.[14]
Wegen der mit Klonen verbundenen ethischen Bedenken geriet die Gruppe in die Kritik.[1] Kritisch wird hierbei die Quote von nur 2 bis 20 % bei erfolgreichen Klonversuchen bei Säugetieren angeführt. Die nicht erfolgreichen Versuche führen zum Tod im Mutterleib oder zu schweren Missbildungen.[5] Claude Vorilhon alias Raël als Führer der Gruppe glaubt, dass die Kritik am Klonen auf religiösen Vorurteilen, insbesondere von Seiten der katholischen Kirche, beruhe.[18]
Rezeption
Michel Houellebecq beschreibt in seinem Roman Die Möglichkeit einer Insel und seiner Erzählung Lanzarote die Gruppe der Elohimiten bzw. Azraëlisten, deren Lehren denen des Raelismus sehr ähnlich sind. Houellebecq zeigt offen seine Sympathie für den Raelismus und ist mit Rael selbst befreundet. Gleichwohl zeigen die beiden Geschichten auch einen gewissen Abstand. So verlässt in Die Möglichkeit einer Insel der Protagonist Daniel25, dessen „Urahn“ Daniel1 den Elohimiten einst beitrat, 2000 Jahre später deren geordnetes Leben aus Klonen, Kontemplation und Studieren, um auf der Insel Lanzarote eine neue Form des Lebens zu finden. Auch wenn er dieses Ziel nicht erreicht und seine Klonlinie wie bei allen „Abtrünnigen“ für immer beendet wird, ist er am Ende nicht unglücklich.
Literatur
- Vorilhon, Claude/Raël. Das Buch, das die Wahrheit sagt
- Vorilhon, Claude/Raël. Die Außerirdischen haben mich auf ihren Planeten mitgenommen
Weblinks
- Internationale Rael-Bewegung
- Website zum Botschaftsgebäude (englisch)
- Raelianer: Die Ufo-Sekte und die Klone, Dossier auf der Webseite des Bundesverbandes Sekten- und Psychomarktberatung e. V. (AGPF)
- Kritische Auseinandersetzung aus Sicht der evangelischen Kirche
- Bernhard Dobrowsky: Raelianer, Artikel im Lexikon Weltanschauungsfragen; Darstellung aus Sicht der katholischen Kirche
Einzelnachweise
- Sektenführer Raël verspricht ewiges Leben, 3sat vom 16. August 2001.
- Rael-Bewegung. In: relinfo.ch. relinfo - Evangelische Informationsstelle, 1996, abgerufen am 28. September 2020.
- Artikel „Raelianer“ auf weltanschauungsfragen.at, Info- und Beratungsangebot der Katholischen Kirche Österreich (Memento vom 24. März 2009 im Internet Archive)
- Bernhard Dobrowsky: Raelianer. (Nicht mehr online verfügbar.) In: weltanschauungsfragen.at, Info- und Beratungsangebot der Katholischen Kirche Österreich. Katholische Kirche Österreich, archiviert vom Original am 24. März 2009; abgerufen am 28. September 2020.
- Ralph Obermauer: Rael-Sekte: Die Monstermacher, Der Tagesspiegel vom 14. Juni 2001
- Sekte zieht vor den Obersten Gerichtshof, Spiegel Online vom 27. Juli 2001.
- Klonen in den USA: Sekte zieht vor den Obersten Gerichtshof. In: Spiegel Online. 27. Juli 2001, abgerufen am 28. September 2020.
- Johannes Königseder, Rael-Sekte: Lassen Sie bei uns klonen!, Imago Hominis (2002); 9(3): 154-155
- Susan J. Palmer: The New Heretics of France: Minority Religions, La Republique, and the Government-Sponsored 'War on Sects'. 2011, ISBN 978-0-19-987599-3, S. 89, 101 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche): “The symbol of the Raelian is the swastika that Raël claims he saw on the hull of theo alien starship. All Reaelians wear a medallionn of the swastika swirling inside the STar of Davis, which denotes the relationship between time and space, eternity an infinity.”
- David Moye: Swastika Rehabilitation Day Is June 23; Raelians Celebrate. In: Huffington Post. 21. Juni 2012, abgerufen am 28. September 2020 (englisch).
- Dieter Sträuli, befragt von Bruno Deckert, Gentech, Sektenmythen und Sciencefiction, infoSekta-Tätigkeitsbericht 2002, S. 21–31.
- Reproduktives Klonen theoretisch ganz einfach, Quarks & Co, WDR vom 11. Mai 2004
- Script zur WDR-Sendung Quarks & Co: Der kopierte Mensch. (PDF) Reproduktives Klonen – theoretisch ganz einfach. In: wdr.de. WDR, 11. Mai 2004, S. 19–21, abgerufen am 28. September 2020.
- Das Klon-Theater der Raelianer-Sekte (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Bayerischer Rundfunk Online vom 25. März 2003.
- Markus C. Schulte: Eine Sekte will Menschen klonen. (Nicht mehr online verfügbar.) August 2018, archiviert vom Original; abgerufen am 26. Mai 2019., Süddeutsche Zeitung Online vom 29. März 2001.
- Dorothea Hahn: Eve soll erstes Klonbaby sein. In: taz.de. taz, die tageszeitung, 28. Dezember 2002, abgerufen am 28. September 2020.
- Clonaid: Klon-Baby «Eve» ist zu Hause, Netzeitung vom 2. Jan 2003 (Memento vom 25. März 2004 im Internet Archive)
- „Mein Bruder ist Jesus“ Interview mit Claude Vorilhon, genannt Rael, Spiegel Online vom 30. Dezember 2002.