Purpurbakterien
Unter der Bezeichnung Purpurbakterien werden heute alle obligat oder fakultativ phototroph lebenden Proteobakterien zusammengefasst. Sie bilden keine monophyletische Gruppe, sondern enthalten Vertreter aus den Klassen der Alpha-, Beta- und Gammaproteobacteria. Ihre für die Photosynthese verwendeten Pigmente (Bakteriochlorophylle und Carotinoide) waren namengebend und verleihen den Purpurbakterien eine auffällige, meist rötliche bis rotbraune Färbung. Ältere Literatur dagegen verwendet die Bezeichnung „Purpurbakterien“ oft synonym für alle Proteobakterien. Dies ist heute nicht mehr üblich.
Die Purpurbakterien führen stets eine anoxygene Photosynthese aus, bei der im Gegensatz zur oxygenen Photosynthese von Cyanobakterien und Pflanzen kein Sauerstoff entsteht. Purpurbakterien sind meist sogar obligate Anaerobier. Die Bakterien verfügen nur über ein Photosystem. Sie benötigen für die Photosynthese deshalb Elektronendonoren, deren Redoxpotential niedriger liegt als das von Wasser.
Man unterscheidet zwischen Schwefelpurpurbakterien (Thiorhodaceen) und Nichtschwefelpurpurbakterien (Athiorhodaceen).[1]
Schwefelpurpurbakterien
Die Schwefelpurpurbakterien werden aus den zwei Familien Ectothiorhodospiraceae und Chromatiaceae (beide in der Ordnung Chromatiales) gebildet. Sie verwenden Schwefelwasserstoff (H2S) bzw. Sulfid-Ionen (S2−) an Stelle von Wasser (H2O) als Elektronendonator für die Reduktion von CO2, weshalb auch kein Sauerstoff freigesetzt wird. Bei der Oxidation von Sulfid entsteht stattdessen elementarer Schwefel, den die Bakterien in Form von Schwefelkugeln im Zellinneren, im periplasmatischen Raum oder im Außenmedium (extrazellulär) ablagern. Vertreter der Ectothiorhodospiraceae lagern die Schwefelkugeln stets extrazellulär, die dazugehörige Gattung Thiorhodospira allerdings sowohl intra- als auch extrazellulär ab.
Der gespeicherte Schwefel kann bei H2S-Mangel von den meisten Arten weiter zu Sulfat oxidiert werden. Viele Schwefelpurpurbakterien nutzen neben Sulfid oder elementarem Schwefel auch Thiosulfat oder Wasserstoff als Elektronendonator für die Photosynthese.
Man findet diese Bakterien in sauerstoffarmen Gewässern oder sauerstoffarmen Wasserschichten von Seen, aber auch in Schwefelquellen. Bei optimaler H2S-Konzentration und Lichtintensität in bestimmten Wasserschichten oder am Boden flacher Gewässer können Schwefelpurpurbakterien zur „Blüte“ kommen und große Zelldichten erreichen. Viele Arten besitzen intrazelluläre Gasvesikel, mit deren Hilfe sie sich ohne größeren Energieaufwand in den für sie optimalen Wasserschichten aufhalten können. Einige Arten sind extrem halophil und verleihen neben einigen Archaeen Salz- und Natronseen die auffällige rötliche Farbe.
Schwefelpurpurbakterien können auch in meromiktischen Seen (Seen ohne Durchmischung) in der Übergangszone zwischen der oberen aeroben und der unteren anaeroben Schicht existieren, was in einer 2021 veröffentlichten Studie am Beispiel des Lago Cadagno im Tessin nachgewiesen wurde. Die Verhältnisse dort stellen nach Ansicht der Autoren ein Modell für ozeanische Verhältnisse zur Zeit des Proterozoikums dar.[2]
Nichtschwefelpurpurbakterien
Die Nichtschwefelpurpurbakterien sind physiologisch sehr vielfältig. Sie gehören stets den Alpha- oder Betaproteobacteria an und sind in der Lage, Photosynthese mit verschiedenen – darunter auch organischen – Verbindungen als Elektronendonoren zu betreiben. Man findet hier den ungewöhnlichen Stoffwechseltyp der Photoheterotrophie. Anders als ihr Name vermuten lässt, können viele Arten aber auch Sulfid – also eine Schwefelverbindung – als Elektronendonor für die Photosynthese verwenden. Die Fähigkeit der phototrophen Sulfidoxidation wurde lange Zeit übersehen, weil bereits geringe Sulfidkonzentrationen (< 1 mM) für die Bakterien toxisch sind. Manche Vertreter sind in der Lage, bei Lichtmangel durch Atmung oder auch Gärung zu wachsen. Die meisten Nichtschwefelpurpurbakterien können Stickstoff fixieren.
Die Purpurbakterien sind von den ebenfalls phototrophen Grünen Schwefelbakterien und den thermophilen Grünen Nichtschwefelbakterien zu unterscheiden.
Gattungen
Gattungen der Schwefelpurpurbakterien
Gattungen und einige der zurzeit beschriebenen Arten der Schwefelpurpurbakterien (alle gehören zu den Gammaproteobacteria):
Gattung | Arten | Morphologie |
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Allochromatium | Allochromatium vinosum, Allochromatium minutissimum, Allochromatium warmingii | kurze oder lange Stäbchen, polar begeißelt |
Amoebobacter | Amoebobacter purpureus | nicht aktiv sich bewegende, unregelmäßig geformte Kokken bis kurze Stäbchen, Gasvesikel |
Chromatium | Chromatium okenii, Chromatium weissei | kurze oder lange Stäbchen, polar begeißelt |
Ectothiorhodospira*1 | Ectothiorhodospira shaposhnikovii, Ectothiorhodospira mobilis, Ectothiorhodospira marina, Ectothiorhodospira haloalkaliphila | begeißelte, wendelförmige Bakterien (Spirillen), lagern Schwefel außerhalb der Zelle ab |
Halochromatium | Halochromatium salexigens, Halochromatium glycolicum | extrem halophil, kurze oder lange Stäbchen, polar begeißelt |
Halorhodospira*1 | Halorhodospira neutrophila, Halorhodospira halophila, Halorhodospira halochloris | extrem halophile Spirillen, lagern Schwefel außerhalb der Zelle ab |
Isochromatium | Isochromatium buderi | kurze oder lange Stäbchen, polar begeißelt |
Lamprobacter | Lamprobacter modestohalophilus | Stäbchen, Gasvesikel |
Protococcus | Protococcus roseopersicina | veraltet (wg. Doppelvergabe):[3] Lamprocystis; Kokken, kurze Stäbchen, polar, monotrich begeißelt, Gasvesikel |
Marichromatium | Marichromatium gracile, Marichromatium purpuratum | kurze oder lange Stäbchen, polar begeißelt |
Rhabdochromatium | Rhabdochromatium marinum | kurze oder lange Stäbchen, polar begeißelt |
Thermochromatium | Thermochromatium tepidum | kurze oder lange Stäbchen, polar begeißelt |
Thiocapsa | Thiocapsa roseopersicina, Thiocapsa rosea, Thiocapsa pendens | Kokken, ohne aktive Bewegung |
Thiococcus | Thiococcus pfennigii | Kokken |
Thiocystis | Thiocycstis gelatinosa, Thiocycstis minor, Thiocycstis violacea, Thiocycstis violascens | Kokken, polar begeißelt |
Thiodictyon | Thiodictyon elegans, Thiodictyon bacillosum | nicht aktiv sich bewegende Stäbchen mit Gasvesikeln, bilden auf Oberflächen ein netzartige Kolonien |
Thiohalocapsa | Thiohalocapsa halophila | Kokken |
Thiolamprovum | Thiolamprovum pedioforme | unregelmäßige, zusammenhängende Kokken, Gasvesikel |
Thiopedia | Thiopedia rosea | Kokken, ohne aktive Bewegung, Gasvesikel |
Thiorhodococcus | Thiorhodococcus minor | Kokken |
Thiorhodovibrio | Thiorhodovibrio winogradskyi | Spirillen |
Thiospirillum | Thiospirillum jenense | Spirillen, polar begeißelt |
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die große Mehrheit der anderen Gattungen gehört zur Familie Chromatiaceae.
Gattungen der Nichtschwefelpurpurbakterien
Die Gattungen der Nichtschwefelpurpurbakterien gehören zu den Alpha- oder Betaproteobacteria:
Gattung Arten Morphologie Rhodobacter Rhodobacter capsulatus polar begeißelte Stäbchen, Teilung durch binäre Spaltung, auch Knospung kommt bei verschiedenen Arten vor Rhodomicrobium Rhodomicrobium vannielii oval, Dicke 1,0–1,2 µm, peritrich begeißelt, bildet etwa 0,2 µm dicke Zellfäden, Vermehrung durch Knospung an den Enden der Zellfäden Rhodopila Rhodopila globiformis Kokken, acidophil Rhodopseudomonas Rhodopseudomonas palustris begeißelte Stäbchen, Teilung durch Knospung Rhodoplanes Rhodoplanes roseus begeißelte Stäbchen, Teilung durch Knospung Rhodobium Rhodobium orientis begeißelte Stäbchen, Teilung durch Knospung Rhodospirillum Rhodospirillum rubrum polar begeißelte Spirillen Rhodovibrio Rhodovibrio salinarum polar begeißelte Spirillen Rhodothalassium Rhodothalassium salexigens polar begeißelte Spirillen Roseospira Roseospira mediosalina polar begeißelte Spirillen Rhodospira Rhodospira trueperi polar begeißelte Spirillen Rhodovulum Rhodovulum adriaticum ei- bis stäbchenförmig
Gattung Arten Morphologie Rhodocyclus Rhodocyclus purpureus gekrümmt, 2 Zellen bilden einen Ring, auch Spirillen-förmige Zellaggregate kommen vor Rhodoferax Rhodoferax saidenbachensis gekrümmte Stäbchen Rubrivivax Rubrivivax benzoatilyticus,
Rubrivivax gelatinosusgekrümmte Stäbchen
Siehe auch
Einzelnachweise
- Günter Vogel, Hartmut Angermann; Taschenbuch der Biologie, Band II; Jena 1971, S. 281.
- Miriam Philippi, Katharina Kitzinger et al.: Purple sulfur bacteria fix N2 via molybdenum-nitrogenase in a low molybdenum Proterozoic ocean analogue, in: Nature Communications, 6. August 2021, doi:10.1038/s41467-021-25000-z. Dazu:
Nitrogen Inputs in the Ancient Ocean: Underappreciated Bacteria Step Into the Spotlight, auf: SciTechDaily vom 6. August 2021, Quelle: MPI für Marine Mikrobiologie, Bremen. - NCBI: Lamprocystis (genera)