Preußischer Einmarsch in Holland
Als preußischen Einmarsch in Holland bezeichnet man eine militärische Intervention Preußens in der Republik der Sieben Vereinigten Niederlande im Jahr 1787.
Vorgeschichte
Spannungen zwischen Statthalter und Regenten
- Die Vereinigten Provinzen der Niederlande Ende des 18. Jahrhunderts
- britisches Kolonialreich an der amerikanischen Ostküste; die Dreizehn Kolonien (rot), Provinz Quebec und indianische Reservate (pink)
- Königreich Großbritannien Ende des 18. Jahrhunderts
Die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen (siehe Abbildung links oben) wurde Ende des 18. Jahrhunderts von großen innenpolitischen Spannungen geprägt: Der Amerikanische Unabhängigkeitskrieg (1775 bis 1783) drohte das Land zu spalten.[1] Der Statthalter Wilhelm V., ein Enkel Georgs II., stand auf der Seite des britischen Monarchen, den er im Recht sah, die Rebellion in den Dreizehn Kolonien (siehe Abbildung oben mitte) niederzuschlagen. Die sogenannten Regenten, die städtische Führungsschicht, ergriffen dagegen Partei für die amerikanischen Kolonien; von der karibischen Insel St. Eustatius aus lieferten sie Waffen und Munition an die Unabhängigkeitsbewegung, die mit dem Königreich Frankreich, Großbritanniens Erzrivalen, verbündet war. Dies und der 1780 formulierte Vertrag zwischen amerikanischen und niederländischen Republikanern provozierte das Königreich Großbritannien (siehe Abbildung oben rechts), den Sieben Vereinigten Provinzen im Dezember 1780 den Krieg zu erklären. Damit begann der sogenannte Vierte Englisch-Niederländische Krieg (1780 bis 1784).[1]
Folgen des Vierten Englisch-Niederländischen Krieges
Der Zustand der niederländischen Kriegsflotte war rückständig und so entschied sich der Seekrieg gegen das Königreich Großbritannien in kürzester Zeit.[2] Die Folgen des Vertrages von Paris im Jahr 1784 waren für Amsterdam verheerend, denn Großbritannien konnte nun niederländische Besitzungen an der Ostküste Indiens beanspruchen. Die Vereinigte Ostindische Handelskompanie brach aufgrund der Handelsbestimmungen des Pariser Vertrages zusammen. Da die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen sogar der freien Fahrt britischer Schiffe durch alle von der Republik beherrschten Gebiete zustimmen musste, versiegten die Quellen der niederländischen Wirtschaftsmacht; die weltweite Schifffahrt und der Handel mit den Kolonialreichen in der Neuen Welt und Asien.[2] Der wirtschaftliche Niedergang zementierte endgültig die innenpolitischen Spannungen und brachte neben Erbstatthalter und Regenten schließlich eine dritte politische Bewegung hervor; die der sogenannten Patriotten.[2]
Bewegung der Patriotten
Die Bewegung der Patriotten war 1784, im sogenannten „Katastrophenjahr“ des Vertrages von Paris, entstanden. Die Patriotten forderten zum einen vom Erbstatthalter Einschränkungen seiner de facto monarchischen Vorrechte und zum anderen von den Regentenfamilien mehr Mitspracherechte im Sinne einer repräsentativen Demokratie.[2] Die Erbitterung über die wirtschaftlichen Folgen des Vierten Englisch-Niederländischen Krieges sorgte dafür, dass die Patriottenbewegung sich mehr Frankreich als Großbritannien annäherte. Mit französischer Hilfe sollte der britische Einfluss zurückgedrängt werden. Dies bedeutete jedoch auch, den Erbstatthalter, Wilhelm V., der von den Briten unterstützt wurde, abzusetzen. Es begann sich somit abzuzeichnen, dass die Entscheidung über den Erhalt des Erbstatthalteramtes einen Bürgerkrieg in den Niederlanden auslösen konnte.[2]
Militärischer Zusammenstoß
Im Jahr 1785 entzogen die Generalstaaten, eine Ständeversammlung der Provinzen, dem Erbstatthalter seine Kommandogewalt über die reguläre Landstreitmacht.[3] Aufgrund einer treuen Gefolgschaft und dank britischen Hilfszahlungen konnte Wilhelm V. dennoch eine beachtliche Privatarmee aufstellen.[3] Aber auch die von den Patriotten kontrollierten Städte Den Haag, Kampen, Zwolle, Zutphen und Harderwijk entsendeten Soldaten. Obwohl die Truppen Wilhelms V. bei Kämpfen um Elburg und Hattem sich durchsetzen konnten, war die Gesamtsituation noch keineswegs entschieden. 1786 wurde Wilhelm V. als Kapitän-General von Holland und Erbstatthalter abgesetzt. Wollte Wilhelm V. seine Position also wiedererlangen, war er auf die militärische Unterstützung seines Schwagers, König Friedrich Wilhelm II. von Preußen, angewiesen.[3] Wilhelms Gemahlin Wilhelmine war die Schwester des preußischen Königs, einem Heerführer von 195.000 Soldaten.[3]
Aufenthalt Wilhelms V. am Hof Friedrich Wilhelms II.
Wilhelm V. verließ im Oktober 1786 den Boden der Sieben Vereinigten Provinzen, um in die preußische Hauptstadt Berlin zu reisen. Zwar hatte er brieflich bereits den Vorgänger Friedrich Wilhelms II., König Friedrich II. von Preußen, um Unterstützung gebeten, doch hatte dieser nur mit Empfehlungen und Ratschlägen geantwortet, nicht wie von Wilhelm erhofft mit Truppen.[4] König Friedrich II. hatte bis zuletzt gehofft, sich wieder Frankreich, das die Patriotten unterstützte, annähern zu können. Auch König Friedrich Wilhelm II. von Preußen wollte diese "Entspannungspolitik" gegenüber Frankreich fortsetzen. Er konnte für Preußen keinen Vorteil darin sehen, in einen Krieg zwischen Großbritannien und Frankreich hineingezogen zu werden. Immerhin hatte Frankreich erst kürzlich den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg entschieden. Friedrich Wilhelm II. war sich auch bewusst, dass Wilhelm V. im Falle einer preußischen Intervention seine politischen Gegner hart bestrafen würde – was nicht zur langfristigen Stabilisierung der Niederlande beitragen würde. Der schlechte Ruf Wilhelms könnte somit auch das Ansehen der preußischen Armee ruinieren. Friedrich Wilhelm II. empfing zwar Wilhelm V., konnte von diesem aber nicht umgestimmt werden. Der preußische Monarch befahl stattdessen seinem Kriegsminister Ewald Friedrich von Hertzberg mit den französischen Gesandten darüber zu diskutieren, wie der Frieden in der Republik wiederhergestellt werden könnte. Auf diese Weise konnte er gegenüber seiner Schwester behaupten sich für die Stabilisierung in der Republik einzusetzen.[4]
Regentschaft Wilhelmines
Vor seiner Abreise nach Berlin hatte Wilhelm V. seiner Ehefrau Wilhelmine von Preußen seine Amtsgeschäfte übertragen.[5] Mit dem Personenwechsel sollten nun die Belange der Republik zu größerer politischer Bedeutung für Preußen werden als unter Wilhelm. Ob Wilhelm V. diesen Umstand bewusst einkalkulierte, ist jedoch in der Forschung umstritten.[5] Sicher aber ist, dass Wilhelmines Briefe den Druck auf Friedrich Wilhelm II. erhöhten. So schrieb sie am 6. Februar 1787 in Nimwegen, dass sie eine Abdankung einer Kompromisslösung vorziehe:
„Wenn wir nicht ehrenvoll nach Den Haag zurückkehren können, ist es besser, dass wir uns gänzlich zurückziehen.“
Tatsächlich aber stand die weitgehend entmachtete Erbstatthalterin vor den verschlossenen Türen von Den Haag. Die Stadt war als Tagungsort der Generalstaaten das Zentrum des politischen Lebens.[5] Dass Wilhelmine die Teilnahme an der Versammlung verweigert wurde, schadete ihrem Amt noch zusätzlich. Erst eine aus Paris stammende Nachricht läutete eine entscheidende Änderung der außenpolitischen Rahmenbedingung ein.[5]
Außenpolitische Lähmung Frankreichs
In den 1780er Jahren stand das französische Königreich kurz vor dem Bankrott. Vor allem die Finanzierung des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges hatte eine Verschuldung hervorgerufen, die die Krone nur noch durch die Aufnahme von Krediten stemmen konnte. Um den Staatshaushalt zu sanieren, rang sich der französische König Ludwig XVI. im Februar 1787 schließlich dazu durch, die sogenannte Notabelnversammlung einzuberufen.[7] Wegen des starken öffentlichen Drucks ging die französische Regierung davon aus, dass Adel und Klerus auf ihr Privileg der Steuerbefreiung verzichten würden – eine Fehleinschätzung.[7] Das Scheitern der französischen Steuerreform wirkte sich auch auf die Verbündeten Frankreichs in den Niederlanden aus, wo die Patriotten ebenfalls in Zahlungsschwierigkeiten gerieten.[8]
Preußisch-Französische Verhandlungen
Trotz der offensichtlichen Schwäche Frankreichs hielt Friedrich Wilhelm II. an seiner Vermittlerrolle fest. Der König folgte hier den Ratschlägen, die ihm sein Minister Karl Wilhelm von Finckenstein und sein Onkel Heinrich von Preußen gaben.[9] Nur der Kriegsminister Ewald Friedrich von Hertzberg empfahl dem Monarchen eine Intervention. Hertzberg teilte Wilhelmine brieflich mit, dass der preußische König ihr empfehle, auf Rechte des Erbstatthalteramtes zu verzichten.[10] Dieser Kompromiss könne dann dazu beitragen, dass ihr Amt fortbestehen könne. Um dieses Ziel zu erreichen, würden, so die Strategie Friedrich Wilhelms II., unter gemeinsamer französischer und preußischer Vermittlung die Verhandlungen mit jeder einzelnen Provinz der Republik erfolgen. Allerdings verweigerte noch im Mai 1787 die Provinz Holland eine französisch-preußische Vermittlung. Das bisherige Konzept der preußischen Regierung war damit vorerst gescheitert.[10]
Staatsstreichvorbereitungen
Da das französische Königreich wegen seiner finanziellen Lage keine Waffen an die Patriotten liefern konnte, bereiteten die Anhänger Wilhelms V. einen Staatsstreich vor.[10] Zu diesem Zweck bat Wilhelmine den preußischen König, wenn auch erfolglos, um die Ausleihung von Kriegsgerät aus der Festung Wesel. Friedrich Wilhelm II. erklärte dies noch immer aus Rücksicht auf Frankreich für undurchführbar. Um trotzdem noch einen großen pro-oranischen Aufstand in Den Haag zu provozieren, verkündeten Flugschriften und Zeitungen im Juni 1787, dass Wilhelm V. mit 10 000 Soldaten zurückkehre, um sein Erbstatthalteramt wiederherzustellen. In Wahrheit war die angegebene Zahl der Soldaten weitaus geringer.[10] Auch zu einem Marsch Wilhelms V. auf Den Haag sollte es nicht mehr kommen.[10]
Reise und Wartezeit Wilhelmines
Um den Bürgerkrieg zu verhindern, plante Wilhelmine von Preußen einen Schachzug, der den preußischen König doch noch zur militärischen Intervention zwingen sollte. Am 26. Juni 1787 wollte Wilhelmine provokativ von Nimwegen nach Den Haag reisen.[11] Truppen sollten die Kutschen dabei nicht sichern. Nach Zwei Dritteln der Strecke wurden die Wagen an einem holländischen Grenzübergang bemerkt und vor dem Übersetzen mit der Fähre über den Fluss Leck angehalten. Bei Schonhoven wurden die Insassen durch ein Patriotten-Freikorps nicht zum Umkehren, sondern zum Warten aufgefordert. Diese „Festnahme“, die real keine war, da die Prinzessin ja nur die Entscheidung der Generalstaaten über ihre Weiterreise abwarten sollte, um dann ihre Fahrt fortsetzen zu können, schilderte sie Friedrich Wilhelm II. als „Inhaftierung“ mit „unwürdiger Behandlung“. In Wahrheit wurde Wilhelmine im Wohnhaus des Kommandanten untergebracht und standesgemäß behandelt. Letztlich beschlossen die Generalstaaten die Rückreise Wilhelmines nach Nimwegen.[9]
Reaktion der preußischen Regierung
Aufgrund der Reisedauer der Eilboten wird Friedrich Wilhelm II. vermutlich am 30. Juni 1787 über den Vorgang von Wilhelmines Arretierung informiert gewesen sein. Dies verschaffte seiner Regierung genügend Zeit, um die Konsequenzen eines außenpolitischen Kurswechsels zu kalkulieren.[12] Erstmals wurde die militärische Option von Friedrich Wilhelm II. und seiner Regierung erwogen. Dennoch galt eine bewaffnete Intervention im Rechtsverständnis der Zeit als "ultima ratio" bzw. als "äußerstes Mittel". Der König musste einen militärischen Eingriff also auch rechtsphilosophisch begründen können. Er tat dies, indem er die verhinderten Reise und Arretierung seiner Schwester als eine Ehrverletzung der gesamten Hohenzollern-Dynastie darstellte. Die Unantastbarkeit des Königshauses war somit in Frage gestellt worden und konnte einen Feldzug rechtfertigen, wenn die Provinz Holland eine Entschädigung verweigern sollte.[13] Bereits am 3. Juli 1787 ließ der König Truppen im preußischen Herzogtum Kleve zusammenziehen, das im Osten direkt an die niederländische Provinz Geldern angrenzte. Um aber einen Krieg mit Frankreich zu verhindern, testete Berlin zunächst noch am Verhandlungstisch, wie stark das Bündnis zwischen Paris und Den Haag im Angesicht der militärischen Bedrohung tatsächlich noch war.[12] Sollten Frankreich tatsächlich die wirtschaftlichen Mittel fehlen, Truppen in die Niederlande zu entsenden, konnte die preußische Regierung mit einem schnellen militärischen Erfolg rechnen. Da die Patriotten von Friedrich Wilhelm II. nicht als legitime Regierungsgewalt anerkannt wurden, hätte nicht einmal eine Kriegserklärung ausgesprochen werden müssen.[12]
Annäherung zwischen Preußen und Großbritannien
Die außenpolitischen Rahmenbedingungen verschoben sich noch weiter zu Gunsten Preußens: Nachdem er Gespräche mit der Londoner Regierung geführt hatte, verfasste der preußische Diplomat Girolamo Lucchesini am 3. Juli 1787 einen Brief, der Friedrich Wilhelm II. mitteilte, dass England bereit sei, Preußen militärisch gegen Frankreich zu unterstützen. Der britische Außenminister ließ Lucchesini wissen, dass König Georg III. von Großbritannien und Irland es befürworte, wenn der preußische König sich Vergeltung verschaffen wolle. Am 8. Juli 1787 verließen mindestens 40 voll ausgerüstete Kriegsschiffe die britischen Häfen, um eine militärische Aktion Preußens über den Seeweg zu decken. Zudem sollte Frankreich von den preußischen Truppenbewegungen in Kleve abgelenkt werden. Gegenüber Versailles erklärte London, dass es sich lediglich um eine harmlose „Flottenübung“ handele.[14]
Konflikt um die Entschädigungsforderung
Auch Preußen startete gegenüber Frankreich ein Täuschungsmanöver: Zum Schein gab Friedrich Wilhelm II. vor, Verhandlungen mit Frankreich fortsetzen zu wollen. Sein Ziel sei immer noch eine gewaltlose preußisch-französische Vermittlung in den Niederlanden.[14] In Wahrheit stellte die preußische Diplomatie jedoch unerfüllbare Schadensersatzforderungen, die Vorbedingung für eine gemeinsame Vermittlung sein sollten. Zwar drohte Ludwig XVI. 10.000 bis 12.000 Soldaten in Givet zusammenziehen, doch derartige Vorbereitungen konnten nicht beobachtet werden. Seine anhaltende Finanznot machte es Frankreich auch weiterhin unmöglich eine Invasion der Niederlande durchzuführen. Dafür wurden aber immer mehr Söldner und Ingenieure aus Frankreich nach Friesland geschleust, um dort einen Aufstand vorzubereiten. Frankreichs Ziel war es, mit einem Wechsel an Bündnisangeboten und bitteren Drohungen, Preußen so lange zu beschäftigen, bis Frankreich wieder die Mittel habe, um die Patriotten durch einen Feldzug zu unterstützen. Die französische Strategie wurde am preußischen Hof allerdings durchschaut, weshalb das höfische Umfeld den preußischen König bat, einen Einmarsch noch im September 1787 beginnen zu dürfen. Da noch immer nicht formuliert war, wie die Entschädigung aussehen sollte, bat der König seine Schwester ihm mitzuteilen, was sie verlange. Wilhelmine forderte die Entfernung französischer Hintermänner aus den Niederlanden, die Entmachtung und Entwaffnung der Patriotten sowie die Wiedereinsetzung Wilhelms V. als Erbstatthalter.[14] Darüber hinaus wünschte sie mit preußischer Unterstützung auch nach der Rückkehr Wilhelms noch Einfluss auf das Amt des Erbstatthalters ausüben zu können.
Einmarsch
Beginn des Vormarsches
Friedrich Wilhelm II. forderte in einem an die Provinz Holland gerichteten Ultimatum die Erfüllung von Wilhelmines Forderungen bis zum 12. September 1787.[15] Als Holland die Genugtuung verweigerte, ließ Friedrich Wilhelm am 13. September 1787 eine 20.000 Mann starke preußische Armee unter dem Herzog von Braunschweig in die Niederlande einmarschieren.[15] Der König selbst nahm zwar nicht am Feldzug teil, doch erschien in diesem Zusammenhang in der Berliner Monatszeitschrift eine Übersetzung der Ode "Auf die Rückkehr des Augustus". Mit dieser Anspielung sollte ausgedrückt werden, dass allein Friedrich Wilhelm II. der Ruhm der militärischen Aktion gebühre, denn wie Augustus, der Kämpfe im heutigen Spanien seinem Feldherren Agrippa überlassen hatte, geschah die Militärexpedition auf seinen Befehl hin.[15] Die Soldaten und Offiziere seien also nur die Werkzeuge, die den Willen des Königs ausführen.[15] Bereits am 14. September 1787 erreichte die preußische Armee Nimwegen. 40 britische Kriegsschiffe sicherten die Küste gegen eine mögliche französische Attacke, die allerdings ausblieb.[15] Zwar schrieb Ludwig XVI. an Friedrich Wilhelm II., dass Frankreich dabei sei 100 000 Soldaten zu mobilisieren, doch wurde dies in Berlin als Bluff erkannt. Je weiter die preußischen Soldaten vordrangen, desto mehr entzog der französische Hof den Patriotten die Unterstützung. Daraufhin brach der Widerstand der Patriotten weitgehend zusammen.[15]
Einnahme Amsterdams
Am 1. Oktober 1787 stand die preußische Armee bereits vor den Toren Amsterdams.[15] In die bedeutende Handelsmetropole und einwohnerreichste Stadt der Republik hatten sich viele der führenden Patriotten geflüchtet. Der preußische Feldmarschall Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig gab der Stadtregierung bis 18:00 Uhr Zeit, sich den Forderungen Wilhelmines zu unterwerfen und den Truppen Einlass zu gewähren. Auch der preußische Kriegsminister Hertzberg bestand brieflich auf einer militärischen Einnahme Amsterdams:
„Um die Ruhe im Staat zu sichern, darf man der Hydra keinen Kopf lassen“
Im preußischen Feldlager gab es zwar den Plan, Amsterdam durch ein Artillerie-Bombardement zu Fall zu bringen, allerdings wurde diese Option glücklicherweise von Feldmarschall von Braunschweig verworfen. Stattdessen ließ er nächtliche Angriffe auf die Stadt ausführen. Amsterdam hielt bis zum 10. Oktober 1787 stand. Die Stadt ergab sich erst, als aus Frankreich die Nachricht kam, dass keine Hilfe mehr zu erwarten sei. Für Ludwig XVI. bedeutete der Fall Amsterdams eine schwere diplomatische Niederlage, die sein Ansehen in der französischen Öffentlichkeit irreparabel beschädigte. Später sollte Napoleon in der „nationalen Schmach“ einen Hauptgrund für den Ausbruch der Französischen Revolution sehen.[16]
Verfolgung der Patriotten
Das preußische Militär wies die führenden Köpfe der Patriotten in das französische Königreich und die Österreichischen Niederlande aus, löste patriotische Vereinigungen auf, entwaffnete Freikorps und setzte eine Überprüfung der politischen Gesinnung von Amtsträgern durch, wobei es auch zu kurzzeitigen Verhaftungen kam.[16] Wilhelm V. konnte nach Den Haag zurückkehren und seine Macht als Erbstatthalter und Kapitän-General wiederherstellen.
Folgen
Stationierung preußischer Truppen in den Niederlanden
Obwohl es der preußischen Regierung mit einer schnellen militärischen Intervention immerhin gelungen war, den offenen Bürgerkrieg in den Niederlanden abzuwenden, war die Situation noch immer keineswegs ausgestanden. Vor allem Hertzberg befürchtete, dass Frankreich nach dem geplanten Abzug der preußischen Truppen im November 1787 die Gelegenheit hätte ergreifen können, um seinerseits militärisch zu intervenieren. In diesem Falle hätten alle aus seiner Sicht erreichten Erfolge rückgängig gemacht werden können. Ein Bittbrief Wilhelmines überzeugte Friedrich Wilhelm II. schließlich, 4000 Soldaten in der Provinz Holland zu belassen.[17] Der Herzog von Braunschweig, Karl Wilhelm Ferdinand, gab noch einmal 3000 eigene Truppen in den Sold der Republik.[17]
Preußische Einflussnahme
Friedrich Wilhelm II. hatte in den Niederlanden keine territoriale Vergrößerung Preußens erreicht.[18] Er verzichtete auch auf Reparationszahlungen der Stadt Amsterdam, da Wilhelmine ihn gewarnt hatte, es würde sich nachteilig auf die "Interessen und den Ruhm des Königs" auswirken. Die Preußen seien, so schrieb sie, als Befreier gekommen. Wenn er aber die Reparation einfordern würde, dann würde er anders betrachtet werden. Seinen militärischen Einfluss wollte Friedrich Wilhelm II. jedoch dazu nutzen, die Regentenfamilien und Beamten der Republik in seinem Sinne zu kontrollieren- was dauerhaft allerdings nicht von Erfolg gekrönt war. Noch wichtiger war Friedrich Wilhelm II. die Großmachtstellung Preußens durch ein "Bündnissystem des Norden" abzusichern. Berlin schwebte eine Allianz zwischen Preußen, Großbritannien und den Niederlanden vor, ein diplomatisches Gegengewicht zu Frankreich und Österreich. Auf diese Weise sollte die bislang vorherrschende außenpolitische Isolierung Preußens überwunden werden.[18] Der erste Schritt für dieses Bündnis war ein Hilfsabkommen zwischen Preußen und der Republik.
Bündnisabkommen
Am 15. April 1788 wurde das Abkommen in Den Haag unterzeichnet. Im Falle eines Angriffes verpflichteten sich beide Mächte militärisch gegenseitig beizustehen. Preußen garantierte die Unabhängigkeit seines Vertragspartners. Am selben Tag schloss auch Großbritannien mit der Republik ein weiteres Hilfsabkommen ab. Am 19. April 1788 unterzeichneten Vertreter Preußens, Großbritanniens, der Versammlung der Generalstaaten und Hollands ein zusätzliches Bündnis.[19] Darin wurde das Königreich Frankreich als gemeinsamer Feind benannt und die Summen beziffert, die an Preußen für seinen militärischen Einsatz und Truppenstationierung noch zu zahlen war. Ebenfalls sollte die Aufrechterhaltung des nun wiederhergestellten konservativen Regierungssystems durch die unterzeichneten Mächte gesichert werden. Der erste Artikel legte fest, dass Preußen dem Bündnis 66 000 Soldaten zur Verfügung stellen müsse, über deren Einsatz ein Militärrat der drei Staaten entscheiden sollte. Zusätzlich sollten die Preußen im Ernstfall durch britische und niederländische Truppen unterstützt werden können. Der dritte Artikel bestimmte die Zahlungen an Preußen: Großbritannien und die Republik sollten demnach monatlich jeweils 50 000 Pfund zahlen. Für die Versorgung des einzelnen Soldaten erhielt Friedrich Wilhelm II. gemäß Artikel 5 zusätzlich 1 Pfund 12 Schilling pro Monat von jedem Bündnispartner. Damit entledigte sich der König der Versorgung von einem Drittel seiner gesamten Armee.[19] Die preußische Regierung plante das Bündnisnetz sogar noch um das russische Zarenreich, Schweden und Dänemark auszuweiten. Mit solch mächtigen Verbündeten glaubte Friedrich Wilhelm II. den Friedenszustand in Europa dauerhaft sichern zu können- eine Hoffnung, die sich schon wenige Jahre später als Illusion erweisen sollte.
Zerfall der Allianz im Zuge der Französischen Revolution
Dass weder ihre Verträge noch ihre Pläne miteinander von Dauer sein sollten, konnten die drei agierenden Staaten im Jahr 1788 noch nicht vorhersehen. Nach der Invasion von Truppen der revolutionären Französischen Republik im Ersten Koalitionskrieg (1792–1797) hörte die Republik der Sieben Vereinigten Provinzen bereits 1795 auf zu existieren und mit ihr die Erbstatthalterschaft. An ihre Stelle traten die von Frankreich abhängige Batavische Republik und ab 1806 das Königreich Holland.[20] Das von Großbritannien militärisch im Stich gelassene Preußen erklärte im Frieden von Basel Neutralität gegenüber Frankreich.
Literatur
- David E. Barclay: Friedrich Wilhelm II. (1786–1797). In: Frank-Lothar Kroll (Hrsg.): Preußens Herrscher. Von den ersten Hohenzollern bis Wilhelm II. (= Beck’sche Reihe. 1683). Beck, München 2006, ISBN 3-406-54129-1, S. 190.
- Curt Jany: Geschichte der Preußischen Armee vom 15. Jahrhundert bis 1914. Hrsg.: Eberhard Jany. Band 3. Biblio Verlag, Osnabrück 1967, S. 209–216 (Erweiterte Auflage der Originalausgabe von 1928).
- Friedrich Wilhelm von Kleist: Tagebuch von dem Preußischen Feldzug in Holland. 1787. v-kleist.com (PDF; 3,0 MB)
- Theodor von Troschke: Der preußische Feldzug in Holland 1787. 1875; books.google.de
- Theodor Philipp von Pfau: Geschichte des preussischen Feldzuges in der Provinz Holland. 1790, books.google.de
- Pauline Puppel: „Der einzige Mann am oranischen Hof“. Wilhelmina von Preußen. Erbstatthalterin und Diplomatin, in: Wissen und Strategien frühneuzeitlicher Diplomatie (= Bibliothek Altes Reich 27), hg. von Siegrid Westphal und Stephanie Freyer, Berlin / Boston 2020, S. 213–248.
Einzelnachweise
- Zitha Pöthe: Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. 1. Auflage. 2014, ISBN 978-3-7375-0749-3, S. 18 ff.
- Zitha Pöthe: Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. 2014, ISBN 978-3-7375-0749-3, S. 20 ff.
- Zitha Pöthe: Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. 2014, ISBN 978-3-7375-0749-3, S. 24 ff.
- Zitha Pöthe: Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. 2014, ISBN 978-3-7375-0749-3, S. 31 ff.
- Zitha Pöthe: Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. 2014, ISBN 978-3-7375-0749-3, S. 35 ff.
- Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors S. 35 ff.
- Hans Ulrich Thamer: Die Französische Revolution. 2013, ISBN 978-3-406-50847-9, S. 23.
- Zitha Pöthe: Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. 2014, ISBN 978-3-7375-0749-3, S. 36.
- Brigitte Meier: Friedrich Wilhelm II. König von Preußen: Ein Leben zwischen Rokoko und Revolution. 2007, ISBN 978-3-7917-2083-8, S. 113.
- Zitha Pöthe: Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. 2014, ISBN 978-3-7375-0749-3, S. 45 ff.
- Zitha Pöthe: Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. S. 71.
- Zitha Pöthe: Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. 2014, ISBN 978-3-7375-0749-3, S. 80 ff.
- Friedrich Wilhelm II. an den preußischen Gesandten in Paris, Graf von der Goltz, Berlin 4.7.1787, in: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, BPH, Rep. 48 D, Nr. 5a, abgerufen am 25. November 2021
- Zitha Pöthe: Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. S. 98 ff.
- Zitha Pöthe: Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. S. 119 ff.
- Zitha Pöthe: Perikles in Preußen: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. S. 122 ff.
- Zitha Pöthe: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. S. 134.
- Zitha Pöthe: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. S. 142 ff.
- Zitha Pöthe: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. S. 149 ff.
- Zitha Pöthe: Die Politik Friedrich Wilhelms II. im Spiegel des Brandenburger Tors. S. 150.