Pferdsbach
Pferdsbach ist ein ehemaliges Dorf im Gebiet der heutigen Stadt Büdingen im Wetteraukreis und lag in der Gemarkung des heutigen Stadtteils Dudenrod. Über Jahrhunderte lebten und arbeiteten dort Menschen. Armut und Not trieben die Einwohner jedoch 1847 fast geschlossen zur Auswanderung nach Pittsburgh in Nordamerika. Dem voraus gingen lange Verhandlungen, die nötige Klärung der offenen Vermögensfragen und des Verkaufs der vollständigen Gemeinde mit Äckern, Wiesen und Waldflächen, Häusern und Scheunen sowie die Klärung bestehender Rechte und Pflichten. Zurück blieb eine Wüstung. Auf die ehemaligen Gebäude deutet nichts mehr hin, lediglich Reste des Friedhofs und ein Gedenkstein erinnern an die Gemeinde und die Menschen, die dort lebten.
Lage
Pferdsbach lag in einer Talsenke drei Kilometer nördlich von Büdingen in Richtung des Kefenröder Ortsteils Bindsachsen beiderseits der Landstraße unterhalb des Christinenhofes. Die Pferdsbacher Quelle ist der Ursprung des Kälberbachs (umgangssprachlich die Kälberbach), der in Büdingen in den Seemenbach mündet.
Das Flurbuch (Parcellenbuch) der Gemarkung wurde 1831 von Geometer Kirsch angelegt: Flur 1 umfasst das Dorf Pferdsbach, Flur 2 reicht in südlicher Richtung bis an den Sandhof heran, Flur 3 liegt nördlich Pferdsbachs und schließt den Christinenhof ein.
Herkunft des Ortsnamens
W. Sturmfels leitet den Namen von „dem Bache, an dem Pferde gehalten wurden“ ab.[1] Diese Deutung ist wohl nicht richtig, denn weidende Pferde, die an einem Bach zur Tränke gingen, waren zu jener Zeit kein herausragendes Merkmal, das zur eindeutigen Bezeichnung einer Gemeinde geeignet gewesen wäre. Selbst wenn die Pferdehaltung für den Ort typisch gewesen wäre, hätte man ihn eher Gäulsbach genannt, denn in der Büdinger Gegend und weit darum gab es volkssprachlich keine Pferde, sondern Gäule. Möglicherweise stammt der Name von einigen wichtigen Verbindungswegen und -pfaden ab, die sich in Pferdsbach trafen und dort über den Bach führten. Die ältesten bekannten Schreibweisen sind Perdsbach (1365), später Perdessbach (1489) und Paretzbach (1490). Im Volksmund hieß der Ort Padsbach.[2][3]
Geschichte 1223 bis 1845
Das Dorf Pferdsbach wurde nachweisbar erstmals am 25. August 1365 durch Dechant und Kapitel des Klosters St. Stephansstift zu Mainz urkundlich erwähnt, die erklärten, dass die Ritter von Merlau (heute ein Ortsteil von Mücke) den Zehnten von Bernsfelden und Pferdsbach von ihnen zu Lehen hatten.[4] Sie beziehen sich dabei auf Briefe von 142 Jahren her, die das belegen könnten. Somit wäre die erste urkundliche Erwähnung Pferdsbachs auf das Jahr 1223 zu datieren. Die Entstehung des Ortes liegt aber vermutlich bereits in den Jahren der fränkischen Landnahme 500 bis 800 nach Chr.[5] Am 4. Dezember 1366 bekennen Johann und Eberhardt R. und Berthold Weppen zu Merlau, dass sie diesen Zehnten von gedachtem Stift zu Lehen empfangen haben.[6] Landgraf Heinrich bekennt am 1. Mai 1370, dass das Lehen auf Hessen übergegangen sei.[7] Landgraf Wilhelm der Jüngere von Hessen bestätigt am 8. Mai 1493, dass die Augustinerinnen zu Grünberg unter anderem Güter zu Pferdsbach hatten.[8]
1551 zählte das Dorf 18 Familien und ist „zur kayserlichen Anlage oder Schatzung herangezogen“. Zusammen mit dem elf Familien zählenden Dudenrod müssen die Bewohner drei Gulden, 17 Schillinge und sechs Heller aufbringen. Für 1620 weist das ysenburgische Untertanenverzeichnis 33 Hausgesäße nach. Die Einwohner mussten sich im Winter als Waldarbeiter im umliegenden Markwald (Büdinger Stadt- und Gerichtswald) etwas hinzuverdienen. Die Häuser des Dorfes waren meist eingeschossig angelegt mit einer Stube, Scheuer und einem kleinen Stall, der die Haltung einer Kuh und ein bis zwei Schweinen ermöglichte.
Kurz vor Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges hatte der Ort 33 Steuerpflichtige in etwa 30 Wohnhäusern, jedoch nur zwei mit Grundbesitz von 10 bis 20 Morgen. Die meisten hatten nur sehr wenig Vermögen.[Anm. 1] Das Untertanenverzeichnis von 1620 weist für Pferdsbach und Dudenrod zusammen 43 Familien aus, darunter sechs Ackerleute, die Geschirr zu fronen hatten, 22 Einzelinge, also Handwerker und Gefreite.[Anm. 2] Bis zum Krieg bestand in Pferdsbach eine eigene Schule, jedoch kein eigenes Schulhaus.
Erst nachdem Herzog Christian von Braunschweig 1622 die Schlacht bei Höchst verloren hatte, kam es zu Einquartierungen. Mit dieser Last und den Zwangsabgaben (Lieferungen) infolge des Krieges verarmten die Dorfbewohner endgültig. 1625 befanden sich 16 Familien auf Bettelfahrt, elf waren durch die Pest gestorben. Das Vieh war meist Leihvieh. Am 6. September 1634 verloren die Schweden die Schlacht bei Nördlingen. In diesem und im folgenden Jahr, 13 Jahre vor Kriegsende, überfluteten in der Folge die Kaiserlichen die Gegend. In Pferdsbach fanden sie keine Vorräte, stahlen aber das letzte Vieh.
1648 war das Dorf verlassen. Die verbliebenen vier verzeichneten Einwohner lebten in Dudenrod. 1662 war Pferdsbach immer noch nicht wieder besiedelt, während sich in den umliegenden Gemarkungen überall neues Leben rührte. So beschlossen die Herren der Landesregierung in Büdingen am 20. Januar 1662 in Übereinstimmung mit den Herrschaften in Wächtersbach, Hanau und Ortenberg ein Edict herauszugeben und in den jeweiligen Kellereien (Amtsräume der Rechnungsführer) anzuschlagen, „worinnen verstanden wird, dass der Jenige, so beliebung nacher pferdsbach sich zu setzen Und alda zu bawen, zehen Jahr von allen beschwerungen, waß namen sie haben mögen, frey gelassen werden solle.“[9] Das Edict zeigte Wirkung, und einige Familien siedelten sich an, doch auch in den folgenden einhundert Jahren erreichte das Dorf nicht wieder seine alte Größe; 1750 zählte es 25 huldigungspflichtige Bewohner. 1816, beim Übergang des Dorfes in den hessischen Staatsverband, weist die Spezial-Musterliste 49 Haushaltungen mit 220 Personen nach; bei 199 handelte es sich um Ortsanwesende, sechs waren beim Militär. Ein Jahr vor Beginn der Auswanderungsverhandlungen, 1845, wohnten dort 42 Familien.
Gründe und Planung der Auswanderung
Die Gemarkung Pferdsbach umfasste etwa 1000 Morgen Land einschließlich der Waldflächen. Die Feldmark betrug lediglich 387 Morgen, nahezu ein Drittel gehörte damals dem gräflichen Hofgut Christinenhof. Die Flächen waren jedoch höchst unterschiedlich verteilt[Anm. 3] und zudem durch die Solmser Erbteilung in über 2000 Parzellen zersplittert.[Anm. 4]
Durch die begrenzte Fläche und die geringen Ernteerträge von durchschnittlich vier Zentner pro Morgen sowie den erheblichen Wildfraß aus dem die Felder umgebenden fürstlich ysenburgisch-büdingischen Wald waren die Erträge viel zu gering, um die Familien ernähren zu können. Durch die Missernten im ganzen Land und die damit einhergehende Teuerung lag der Gedanke an eine Auswanderung nach Amerika mit seinem „unermesslichen Reichtum“[Anm. 5] nahe. Jede Siedlerfamilie sollte dort 500 Morgen Land als Geschenk erhalten: eine Fläche, mit der in Pferdsbach das ganze Dorf auskommen musste.
Nach langen Verhandlungen mit der hessischen Regierung kam es zu einem für die Pferdsbacher günstigen Kaufvertrag, durch den ihr Privatbesitz und der Gemeindebesitz auf das fürstliche Haus übergingen.
Auf der Gemeinde lasteten noch Verpflichtungen gegen die Pfarrei, die Kirche und Schule, andererseits hatte die Gemeinde von der Markwaldteilung um das Eckartswäldchen im Jahr 1830 her noch Rechte auf Holzbezug aus anderen Gemeinden und dergleichen mehr.[Anm. 6] Es musste weiter die Frage geklärt werden, wohin künftig die Schüler von Christinenhof und Dudenrod einzuschulen wären, da die Gemeinde Dudenrod nicht in der Lage war, aus ihren Mitteln eine Schule zu unterhalten.
Am 28. Februar 1846 unterbreitete der fürstliche Kammerdirektor K. Melior unter Vorbehalt der Genehmigung durch den Fürsten der Gemeinde ein Angebot, das einen Gesamtkaufpreis von rund 88.725 Gulden enthielt. Das Angebot enthielt für den Normalmorgen (2500 m²) durchschnittlich 75 Gulden, auf die Gebäude im Ganzen 7500 Gulden, auf den Wald 60.000 Gulden.
Die Gebäude wurden abgeschätzt, vielfach hatten sie nur Abbruchswert, die meisten waren elende Hütten. Dabei stellte sich auch heraus, dass die Gemeinde nicht einmal vollständig zur Auswanderung entschlossen war. Nach einem Bericht des Bürgermeisters Albrecht vom 25. Februar 1846 hatten sich 45 Haushaltungen und selbständige Einzelpersonen mit zusammen 150 Köpfen für die Auswanderung entschieden, 19 Haushaltungen mit 67 Personen wollten bleiben. Das großherzogliche Ministerium entschied daher, dass unter diesen Umständen von einer Veräußerung des Gemeindevermögens keine Rede sein könne. Dem folgte ein Versuch, die Gemeinde zum Bleiben zu bewegen. In der Zwischenzeit entschlossen sich neun weitere, sich doch der Auswanderung anzuschließen. Die verbleibenden zehn Familien wollten ihren Wohnsitz in Pferdsbach ebenfalls aufgeben, ihr Privatvermögen aber vorläufig noch behalten. Am 9. April 1846 wurde dann endlich zwischen der Gemeinde, vertreten durch die Bevollmächtigten Bürgermeister Albrecht, Heinrich Hardt, Heinrich Meinharde, Heinrich Schwab, Heinrich Reutzel und Johannes Mäuser mit Zustimmung des Hofgerichtssekretariatsakzessisten von Zangen einerseits und dem Fürsten Ernst Casimir I. zu Ysenburg-Büdingen andererseits, vertreten durch den ysenburgischen Kammerdirektor Melior unter Vorbehalt höherer Genehmigung, der in 19 Paragraphen fixierte Kaufvertrag abgeschlossen.
Kreisamt und Gemeinde hielten den Verkauf für die Bewohner für vorteilhaft, und so begannen die Vorbereitungen für die Auswanderung, trotz der noch ausstehenden Genehmigung des Vertrages durch das Ministerium. Im Juni 1846 brachte die Regierung Bedenken gegen den Vertrag vor, der dann, neu gefasst, endlich am 26. August genehmigt wurde. Seine wesentlichen Punkte waren:
Die Gemeinde Pferdsbach verkaufte an den Fürsten zu Ysenburg und Büdingen ihren 276 Morgen 356 Quadratklafter haltenden Wald, dazu dasjenige Ausgleichungsholz, das die Gemeinden Büdingen und Haingründau an sie, die Gemeinde Pferdsbach, herauszugeben hatten.[Anm. 7] Weiter verkaufte sie ihren Anteil am Eckartswäldchen, das in der Gemarkung Pferdsbach gelegene Grundeigentum, ebenso die der Gemeinde zustehenden Gebäude mit allen Rechten und Verbindlichkeiten. Gleichfalls verkauften 38 Güter- und 23 Gebäudebesitzer ihre Güter und Gebäude an den Fürsten. Die auf den Grundstücken stehenden Bäume und alles, was zu den Gebäuden gehörte, wurden mitverkauft. Ausgenommen waren nur Waschkessel, Feuerherde von Eisen und Öfen. Die Übergabe des Waldes an den Käufer sollte zügig nach Genehmigung des Vertrags erfolgen. Damit ging auch das Berechtigungsholz der Gemeinden Büdingen und Haingründau an den Käufer über, ebenso die Rechte der Pferdsbacher am Eckartswäldchen. Weiter wurde ausgehandelt, dass die Gebäude in dem „jetzigen Zustand“ zu belassen seien und dass Dünger und Futter nur in den verkauften Gütern verwendet werden durften. Der Kaufpreis wurde auf 95.000 Gulden festgelegt und war bis auf 12.000 Gulden am 1. Januar 1847 fällig. Der Rest sollte bei Übergabe der Gebäude bezahlt werden.
Schließlich einigte man sich auch über strittige Steuern und Tilgungsrenten. Der Fürst übernahm die Verpflichtung, die Beiträge zur Revierförster- und Försterbesoldung mit 51 Gulden 48 ¼ Kreuzer zu zahlen. Er bezahlte auch 17 Gulden Manngeld zur Besoldung der Pfarrei Wolf und das von ihr geforderte Holz. Weiter übernahm er das Schulgeld der Gemeinde Pferdsbach für die Schule in Dudenrod in Höhe von 11 Gulden 34 ½ Kreuzer und 4 Gulden Wohnungsgeld für den dortigen Lehrer.
Auswanderung
Am 14. September 1846 unterzeichnete die Regierung in Darmstadt das Auswanderungsgesuch, und am 19. September 1846 unterzeichneten 41 Familienväter und selbständige Einzelpersonen das Auswanderungsprotokoll, das Herr von Zangen führte. Noch im Herbst übernahm die Standesherrschaft derer von Ysenburg die verkauften Liegenschaften in der Gemarkung.
Am 2. Januar 1847 einigten sich die Pferdsbacher, dass sie gemeinsam über Mainz, Köln und Antwerpen nach New York reisen wollten. Dort wollten sie sich zunächst trennen. Einige hatten vor, nach Pennsylvania zu gehen, anderen wollten nach Ohio. Ein Ausschuss trat mit dem Büdinger Auswanderungsagenten Lehning in Verbindung. Mitte Januar wurde in Mainz der Schiffsvertrag abgeschlossen, der die Überfahrt von 171 Menschen nach New York vorsah. Man rechnete mit 90 Tagen für die Schifffahrt und beschaffte entsprechend Proviant.[Anm. 8]
Am 28. März brachen die Pferdsbacher auf. Mit bepackten Leiterwagen, von Bekannten und Freunden geliehen, fuhren die Auswanderer los. Die Strecke bis Antwerpen legten sie mit Etappen in Frankfurt, Mainz, Köln und Antwerpen per Schiff und Eisenbahn zurück. Von Antwerpen aus reiste die Gruppe in zwei Fahrten nach Amerika. 159 Personen, darunter frühere Einwohner von Büdingen, Orleshausen, Büches, Dudenrod, Wolf, Aulendiebach, Michelau, Hainchen, Mockstadt und Bindsachsen, trafen mit dem Schiff Albert[10] am 3. Juni 1847 im New Yorker Hafen ein.
Der zweite Transport folgte am 12. Juni mit dem Schiff Morgenstern.[11] Die hessische Regierung unterstützte die Auswanderer noch durch ihren Konsul in New York, der den Auswanderern nach deren Ankunft bei den Vorbereitungen zur Weiterfahrt half. Mit der Eisenbahn reisten die Pferdsbacher nach Pittsburgh, wo sie bereits von alten Bekannten aus ihrer engeren Heimat erwartet wurden. Manche von ihnen blieben in Pittsburgh, die Mehrzahl wurde in der weiteren Umgebung Farmer.[12] „Die meisten sind in der neuen Heimat wohlhabende Leute geworden, aber trotzdem mussten sie auch dort erfahren, daß das Leben ein Kampf ist.“[12]
Wüstung
Juristisch war mit der Auswanderung der Pferdsbacher die Gemeinde erloschen: „Bekanntmachung. Betreffend: Die Auflösung der Gemeinde Pferdsbach im Kreise Büdingen. – Die unterzeichnete Behörde bringt hierdurch in höchstem Auftrage zur allgemeinen öffentlichen Kenntniß, dass nunmehr die Voraußsetzungen, von welcher die Auflösung der Gemeinde Pferdsbach abhängig gemacht worden, eingetreten sind, Se. Königliche Hoheit der Großherzog die Auflösung der Gemeinde Pferdsbach vom 1. April d. J. an allergnädigst auszusprechen geruht haben. Zugleich wird hiermit bekannt gemacht, daß die Gemarkung Pferdsbach in administrativer und polizeilicher Hinsicht der Gemeinde Dudenrod zugetheilt und die desfalls nöthigen Verfügungen erlassen worden sind. Büdingen, den 1. Juni 1847. Der Gr. Hess. Kreisrath des Kreises Büdingen Dr. Spamer.“[13]
Die übrigen zehn oder elf Familien siedelten nach Büdingen und in die umliegenden Ortschaften um.[Anm. 9]
1906 wird nur noch von einem bestehenden Gebäude Pferdsbachs berichtet, einem Wohnhaus, das von der 5-köpfigen Familie des großherzöglichen Revierförsters Heinrich i. P. Jeck bis zu dessen Tod im Alter von 92 Jahren am 25. September 1902 bewohnt war. Jeck war auch der Letzte, der seinem Wunsche entsprechend am 28. September in Gegenwart des Fürsten Bruno, des Erbprinzen Wolfgang, des Büdinger Bürgermeisters und vieler anderer auf dem Pferdsbacher Friedhof bestattet wurde.[14][15] Das Haus wurde am 6. Dezember 1905 für 100 Mark zum Abbruch versteigert. Bis zum 1. Mai 1906 musste der Platz geräumt sein.[16]
Einzig eine Scheune, die vermutlich im 19. Jahrhundert aus den Resten verschiedener Scheunen der Ausgewanderten erbaut worden war (seit 1991 unter Denkmalschutz), zeugte noch vor Jahren gut sichtbar von der Besiedlung des Tals. Nachdem das Haus Ysenburg-Büdingen die Scheune trotz des bestehenden Denkmalschutzes hat verkommen lassen, ist diese 1997 eingestürzt. Nur mit Mühe findet man heute Hinweise auf das einstige Dorf Pferdsbach. Der versteckt gelegene Gedenkstein für die eingefallene Scheune und Reste des alten Friedhofs[Anm. 10] mit einigen unter Laub und Erde versteckten Grabsteinen sind die einzigen Reste des Gemeinwesens und stumme Zeugen der Vergangenheit. In Büdingen erinnert der Pferdsbacher Weg an das abgegangene Dorf.
Liste der Auswanderer
Das Verfahren der Auswanderung erforderte eine Klärung möglicher offener Forderungen. Daher wurden die folgenden Namen der Ausreisenden durch den großherzöglich-hessischen Kreisrat in Büdingen, Dr. Spamer, im September 1846 amtlich bekannt gemacht. „… beabsichtigen nach Amerika auszuwandern. Alle diejenigen, welche Forderungen oder sonstige Ansprüche an dieselben machen zu können glauben, werden hierdurch aufgefordert, solche binnen Drei Monaten a dato bei Großh. Landgericht dahier geltend zu machen, widrigenfalls die Entlassungsurkunden werden ertheilt werden.“[17]
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Literatur
Soweit nicht in den Einzelnachweisen genannt:
- Büdinger Allgemeiner Anzeiger: Bericht über den Vortrag des Lehrers und Heimatforschers Karl Heusohn zur Auswanderung der Einwohner Pferdsbachs, 3. Februar 1927
- Karl Heusohn: Ausgegangene Orte. In: Büdinger Heimatblätter Nr. 9–11, 1929
- Hans-Velten Heuson: „Im Auswandererstrom nach Amerika. Im Jahre 1847 lösten die Pferdsbacher ihre Gemeinde auf“, Heimat im Bild (Beilage zum Gießener Anzeiger, Alsfelder Kreis-Anzeiger, Büdinger Kreis-Anzeiger, Lauterbacher Anzeiger) Jahrgang 1968, Nr. 22, Mai 1968, S. 1–3
- Frankfurter Allgemeine Zeitung (es): Als die Pferdsbacher geschlossen nach Illinois zogen., 20. November 1984 Anm.: Bei Illinois scheint es sich um einen Fehler des Redakteurs zu handeln. Entsprechende Hinweise sind jedenfalls nicht bekannt.
Archivalien
Bestandsliste des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt:
- Amtsgericht Büdingen G 28, F1240 Auswanderung aller Einwohner Pferdsbach 1845–1849
- Amtsgericht Büdingen G 28, 270 – Familienrechtssachen
- Staatsministerium G 1, 135/6 Auswanderung sämtlicher Einwohner der Gemeinde Pferdsbach, Kreis Büdingen, nach Nordamerika 1847
Anmerkungen
- So waren für den Ort zwei Pferde, ein Füllen, 35 Kühe, zehn Kälber, fünf Ochsen, ein Stier, 50 Schweine, 97 eigene und etwa 12 Leihschafe sowie sieben Bienenstöcke verzeichnet.
- Vom Frondienst befreit waren die Gefreiten, der Hundsknecht, der die fürstlichen Hunde zu halten hatte, der Förster, der Schäfer, die beiden Zehnter sowie der Schulmeister Konrad Seng.
- Ein Ortsbürger besaß 27 Morgen, fünf Ortsbürger je 14–15 Morgen, fünf Ortsbürger je 10–13 Morgen, acht Ortsbürger je sechs bis neun Morgen, zwölf Ortsbürger vier bis fünf Morgen, neun Ortsbürger einen bis drei Morgen und fünf Ortsbürger besaßen weniger als einen Morgen
- 1845 besaßen die Dorfbürger ein Pferd, 59 Kühe, zwei Schafe, 42 Schweine und 16 Ziegen. In der Gemarkung wurden 891 Obstbäume gezählt, die meisten wohl Zwetschgenbäume.
- Gewissenlose Werber schilderten den Reichtum Nordamerikas in den schillerndsten Farben. So sei kein Dünger nötig und mehrere Ernten im Jahr möglich. So: Hans-Velten Heuson: Im Auswandererstrom nach Amerika. Im Jahre 1847 lösten die Pferdsbacher ihre Gemeinde auf. In: Heimat im Bild (Beilage zum Gießener Anzeiger, Alsfelder Kreis-Anzeiger, Büdinger Kreis-Anzeiger, Lauterbacher Anzeiger), Jahrgang 1968, Nr. 22, Mai 1968,
- Die Pfarrei Wolf verlangte als jährlichen Beitrag zur Pfarrbesoldung 6½ Stecken Buchen-Scheitholz, 1½ Stecken Prügelholz (4–6 cm Durchmesser) und 80 Wellen (Reisig) sowie 17 Gulden 40 Kreuzer Manngeld und vier Gulden Akzidentien. Für die gemeinsame Schulstelle der Orte Pferdsbach, Dudenrod und Christinenhof war die Besoldung von insgesamt 199 Gulden und 49 Kreuzer zu klären, an denen Pferdsbach 7½ Stecken Buchen-Scheit, 1½ Stecken Prügelholz und 2¼ Stecken Stockholz (Wurzelholz) und 90 Wellen zu liefern hatte. Die Pfarrei Wolf forderte einen jährlichen Beitrag von 35 Gulden zur Unterhaltung der Pfarreigebäude und der Kirche, was den vierprozentigen Zinsen von 875 Gulden Kapital gleich ist.
- Nämlich von der Stadt Büdingen 527 Stecken Buchen-Scheitholz, 117 Stecken Buchen-Prügelholz, 148 Stecken Buchen-Stockholz, 5940 Stück Buchen-Wellen; von der Gemeinde Haingründau: 136 Stecken Buchen-Scheitholz, 36 Stecken Buchen-Prügelholz, 149 Stecken Buchen-Stockholz, 1760 Stück Buchen-Wellen.
- Für jeden über zwölf Jahren von: 40 Pfund Schiffszwieback, zehn Pfund frisches Brot, 200 Pfund Kartoffeln oder für je 20 Pfund Kartoffeln 6 2/3 Pfund Dörrgemüse, zehn Pfund Reis, zwölf Pfund Mehl, acht Pfund geräuchertes Fleisch, sechs Pfund Butter oder Schmalz, zwei Pfund Salz, ein Maß Weinessig. Für Kinder von acht bis zwölf Jahren wurde 2/3, für solche von ein bis acht Jahren die Hälfte der Erwachsenenportionen angenommen.
- Fünf Familien gingen im Laufe der Jahre nach Wolf: Johannes Mäser 1847, Heinrich Imhof 1847, Heinrich Jeck I. 1850, Heinrich Hardt 1849 und Georg Wolf nach 1857. Die Familien Johannes Schäfer und Weigand Stürz, der Schmied, gingen 1847 nach Büdingen. 1891 folgte Peter Stoll (Abbruch 1898). Die zwei Familien Heinrich Schmidt (1868) und Karl Jeck († 1928 - Sohn des Heinrich Jeck II. – 1905, Abbruch 1906) zogen nach Dudenrod. Unbekannt ist die weitere Heimstätte Peter Bauers (Abbruch 1892).
- Koordinate des Friedhofs: 50° 19′ 17″ N, 9° 7′ 18″ O
Einzelnachweise
- W. Sturmfels: Die Ortsnamen Hessens, S. 74
- G. Simon: Die Geschichte des reichständischen Hauses Ysenburg und Büdingen. Band I. Heinr. Ludw. Brönner’s Verlag, Frankfurt a. M. 1865. S. 105
- Karl Heusohn: Ausgegangene Orte. In: Büdinger Heimatblätter Nr. 9, 1929
- G. Simon: Die Geschichte des reichständischen Hauses Ysenburg und Büdingen. Band II, Nr. 179
- W. Diemer: Die Besiedlung des Vogelsberges
- Scriba Regesten (Heinrich Eduard Scriba: Regesten der bis jetzt gedruckten Urkunden zur Landes- und Orts-Geschichte des Großherzogthums Hessen) Nr. 1620
- Scriba Regesten Nr. 1659
- Scriba Regesten Nr. 1630
- Peter Nieß: Die streitsüchtigen Pferdsbacher, unter Bezug auf die Ysenb. Protokolle, Fasz. 7 und 9, Datum unbekannt
- Möglicherweise auch Alert
- Vermutlich Morgenstien
- Hans-Velten Heuson: Im Auswandererstrom nach Amerika. Im Jahre 1847 lösten die Pferdsbacher ihre Gemeinde auf. In: Heimat im Bild (Beilage zum Gießener Anzeiger, Alsfelder Kreis-Anzeiger, Büdinger Kreis-Anzeiger, Lauterbacher Anzeiger), Jahrgang 1968, Nr. 22, Mai 1968, S. 1–3.
- Anzeigenblatt für die Stadt und den Kreis Büdingen, Nro. 23 vom 5. Juni 1847
- Reidel: Bauernlegen durch Standesherren – Schicksal des dem Erdboden gleichgemachten Dorfes Pferdsbach. In: Büdinger Allgemeiner Anzeiger, 16. Oktober 1940
- Todesanzeige und Danksagung, Büdinger Allgemeiner Anzeiger, 27. u. 29. September 1902
- Zeitungsanzeige, Büdinger Allgemeiner Anzeiger, 21. November 1905.
- Hessische Zeitung Darmstadt 1846, S. 1503.
Weblinks
- „Pferdsbach, Wetteraukreis“. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).