Pan (Mythologie)
Pan (altgriechisch Πάν Pán, arkadisch Πάων Páōn, deutsch ‚Hirte‘)[1] ist in der griechischen Mythologie der Hirtengott. Seiner Gestalt nach ist er ein Mischwesen aus Menschenoberkörper und dem Unterkörper eines Widders oder eines Ziegenbocks.
Allgemeines
Er ist der Gott des Waldes und der Natur. Die Hirten verehren Pan, fürchten sich aber vor seinem Anblick. Doch als Gott der Wälder und Wiesen bitten sie ihn um Schutz für ihre Herden und bringen ihm dafür auch Opfer dar. Sein bevorzugter Aufenthaltsort ist der Berg Lykaion in Arkadien, wo er ein Heiligtum hatte.[2]
In den Händen trägt er einen gekrümmten Hirtenstab oder eine siebenröhrige Flöte, die Panflöte. Der gekrümmte Hirtenstab symbolisiert die Natur der Dinge an sich und ihren Kreislauf (z. B. die Wiederkehr der Jahreszeiten). Andere Waldgötter mit Ziegenfüßen werden Ägipanen genannt.
Pan hat Freude an Musik, Tanz und Fröhlichkeit. Die Mittagsstunde ist ihm jedoch heilig, und er kann sehr ungehalten werden, wenn man ihn zu dieser Zeit stört. Er jagt dann z. B. ruhende Herdentiere in „panischem Schrecken“ zu jäher Massenflucht auf, woher sich das Wort Panik ableitet.
In manchen Erzählungen wird Pan auch dem Gefolge des Dionysos, des Gottes der Fruchtbarkeit und der Ekstase zugeordnet[3], wo er mit seiner Flöte musiziert und so die feiernde Gefolgschaft bereichert. Für seine Wollust bekannt, ist er von Nymphen und Satyrn umgeben.
Die besondere Liebe des Pan gilt der Mondgöttin Selene.[4]
Mythos
Abstammung
Zur Abstammung des Pan gibt es mehrere Versionen:
Nach der bekanntesten war Pan ein Sohn des Hermes und einer Tochter des Dryops[5] bzw. der Dryope. Als seine Mutter nach der Geburt feststellte, dass ihr Sohn Ziegenfüße, -hörner und einen Bart hat, erschrak sie so sehr, dass sie vor ihm floh, er wurde jedoch von Hermes auf den Olymp gebracht.[6] Weil Pan aber keinen Platz im Olymp erhielt, brachte Hermes ihn wieder zur Erde auf die Insel Kreta.
Nach anderen Quellen war Pan ein Sohn des Zeus und der Kallisto bzw. des Zeus und der Nymphe Hybris.[7] Nach einer weiteren Erzählung ist Pan ein Sohn des Kronos und der Amaltheia, also ein Halbbruder des Zeus. Die Amaltheia war zugleich die Amme des Zeus. Auch Aither und die Nymphe Oinoe werden als Eltern des Pan genannt.[8]
Erfindung der Panflöte
Pan verfolgte liebestrunken die Nymphe Syrinx, welche aber vor ihm floh. Ihre Flucht endete jäh am Fluss Ladon, wo sie sich plötzlich in ein Schilfrohr verwandelte, das Pan daraufhin umarmte. Als nun der Wind in das Rohr blies, kamen klagende Töne hervor. Pan wollte die Klänge nicht verlieren, also brach er aus dem Schilfrohr sieben Teile, eines immer etwas kürzer als das vorherige, und band sie zusammen. So erfand er die Hirtenflöte, die er nach der Nymphe Syrinx benannte.[9]
Pans Wettstreit mit Apollon
In Ovids Metamorphosen[10] wird auch die Geschichte vom musikalischen Wettstreit zwischen Pan und Apollon berichtet. Richter war der Berggott Tmolos. Dieser erklärte Apollon zum Sieger, da das Instrument Apollos, bei Ovid eine Lyra, über der Panflöte stehe. König Midas, der das Spiel des Pan zufällig hörte, war mit dem Urteil nicht einverstanden. Apollon war darüber derart gekränkt, dass er Midas mit Eselsohren strafte.
Diesen musikalischen Wettstreit vertonte J. S. Bach in seiner weltlichen Kantate „Der Streit zwischen Phoebus und Pan“ (BWV 201 – Geschwinde, ihr wirbelnden Winde).
Tod des Pan
Plutarch überliefert, dass zur Zeit des Tiberius ein ägyptischer Steuermann namens Thamus vor der griechischen Küste eine Stimme gehört habe, die ihm befahl, in Palodes[11] kundzutun, dass „der große Pan gestorben sei“ (Ὁ μέγας Πὰν τέθνηκε Ho mégas Pàn téthnēke). Sobald das Schiff auf der Höhe von Palodes gewesen sei, habe der Steuermann die Nachricht über das Wasser gerufen, wonach ein Wehklagen vieler Stimmen zu hören gewesen sei. Nach der Rückkehr habe Tiberius davon gehört und die Geschichte so ernst genommen, dass er Untersuchungen anstellen ließ.[12] Somit wäre Pan „der einzige Gott, der in irdischen Zeiten starb.“[13]
Salomon Reinach hat ein Missverständnis vermutet und dass die Klage sich auf den Tod des Tammuz bezog: Θαμοῦς πάνμεγας τέθνηκε Thamoús pánmegas téthneke, „der unendlich große Tammuz ist tot!“.[14] Dem wurde unter anderem entgegengehalten, dass der Name des Tammuz auf Griechisch Adonis sei.[15]
Pans Dämonisierung im Christentum
Im christlichen Mittelalter wurde die Ikonographie des Pan für die Darstellung des Teufels übernommen.[16] Dabei erfuhren auch die bis dahin positiv konnotierten Attribute der Bocksfüße und der Kopfhörner als Zeichen des dionysischen Rausches und der Lust durch die Übernahme in die christliche mittelalterliche Ikonographie eine Umdeutung im Sinne einer negativ gedeuteten „Wollust“.
Pan in der Popkultur
Pan ist eine wesentliche Figur im Film Pans Labyrinth (2006) des mexikanischen Regisseurs Guillermo del Toro. Jedoch ist es im spanischen Original nicht der Hirtengott selbst, sondern ein gewöhnlicher Faun, der Ofelia durch den Film leitet (im Film genannt El fauno). Um eine Verwechslung der im Englischen gleich klingenden Worte faun und fawn (dt. Rehkitz) zu vermeiden, wurde der Name in der englischen Fassung in Pan umgeändert, was die deutsche Synchronisation später übernahm.
Pan spielt auch eine wichtige Rolle in dem Roman Jitterbug Perfume von Tom Robbins (1984, deutsch Pan Aroma, 1985).
Galerie
- Skulptur von Pan und Daphnis, der Knabe mit einer Panflöte in der Hand.
(Ca. 100 v. Chr., gefunden in Pompeii.) - Römisches Mosaik mit Pans Darstellung
- Pan im Geschlechtsverkehr mit einer Ziege, Statue aus der Villa dei Papiri, Herculaneum.
- Pan (Florenz)
- Pan und Syrinx, Jan Breughel und Rubens Werkstatt
Literatur
nach Autoren / Herausgebern alphabetisch geordnet
- Reinhard Herbig: Pan, der griechische Bocksgott. Klostermann, Frankfurt 1949.
- Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen. Die Götter- und Menschheitsgeschichten. dtv, München 1998, ISBN 3-423-30030-2.
- Jörg Robert: Pan. In: Maria Moog-Grünewald (Hrsg.): Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 5). Metzler, Stuttgart/Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02032-1, S. 539–544.
- Gabriele Uerscheln, Bettina Baumgärtel (Hrsg.): Der große Pan ist tot! Pan und das arkadische Personal (Ausstellungskatalog) (= Benrather Schriften – Bibliothek zur Schlossarchitektur des 18. Jahrhunderts und zur Europäischen Gartenkunst. 4). Wernersche Verlagsgesellschaft, Worms 2007, ISBN 978-3-88462-254-4.
- Leo Vinci: Pan, Great God of Nature. London 1993, ISBN 0-9505001-8-6.
- Hans Walter: Pans Wiederkehr. Der Gott der griechischen Wildnis. dtv, München 2001, ISBN 3-423-30811-7.
- Konrad Wernicke: Pan. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 3,1, Leipzig 1902, Sp. 1347–1481 (Digitalisat).
Weblinks
- Pan Mythologie auf www.die-goetter.de
- Pan im Theoi Project (englisch)
Einzelnachweise
- Jens Holzhausen: Pan. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 9, Metzler, Stuttgart 2000, ISBN 3-476-01479-7, Sp. 221.
- Pausanias, Beschreibung Griechenlands 8,38,5
- Lukian, Göttergespräche 22,4
- Vergil, Georgica 3,391–393
- Homerische Hymnen, Pan 28–34
- Homerische Hymnen, Pan 35–46
- Zum Teil wird auch der Name Thymbris angegeben. Bibliotheke des Apollodor 1,4,1
- Otto Höfer: Oinoe 2). In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 3,1, Leipzig 1902, Sp. 763 (Digitalisat).
- Ovid, Metamorphosen 1,689–712
- Ovid, Metamorphosen 11,146–179
- Die Lokalisierung von Palodes ist unklar; es soll „bei Kerkyra“ liegen. (Friedrich Maier (Hrsg.): HELLAS. Lehrgang des Griechischen. Buchner, Bamberg 1996, ISBN 3-7661-5820-1, S. 60.)
- Plutarch, De defectu oraculorum („Vom Verschwinden der Orakel“) 17 [419 C]. Vgl. S. Dušanić: Plato and Plutarch’s Fictional Techniques: The Death of the Great Pan. In: Rheinisches Museum. Band 139, 1996, S. 276–294.
- Robert von Ranke-Graves: Griechische Mythologie. Quellen und Deutung I. 6. Auflage. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1969, S. 89.
- Salomon Reinach: La Mort du grand Pan. In: Bulletin de correspondance hellénique. Band 31, 1907, S. 5–19. Die Theorie geht auf W. H. Roscher zurück.
- A. D. Nock: Ὀ μέγας Πὰν τέθνηκε. In: The Classical Review. Band 37, Nr. 7/8, 1923, S. 164–165. Ausführliche Darstellung siehe auch: Philippe Borgeaud: The Death of the Great Pan: The Problem of Interpretation. In: History of Religions. Band 22, Nr. 3, 1983, S. 254–283.
- Pan als Teufel, Über den Teufel und seine Zusammenhänge mit anderen Figuren