Midas
Midas (altgriechisch Μίδας Mídas) ist der Name mehrerer Könige von Phrygien. Zum Teil haben sie mythischen Charakter; mindestens ein Midas ist aber als historische Person in zeitgenössischen Quellen belegt.
Mythos
Der sagenhafte Midas soll ein Sohn des Gordios[1] und der Kybele[2] gewesen sein und seiner Mutter das große Heiligtum in Pessinus geweiht haben.[3]
Als Kind sollen ihm, während er schlief, der Sage nach Ameisen Weizenkörner in den Mund getragen haben. Daraus wurde ihm geweissagt, dass er sehr reich werden würde.[4]
Über seine Gier und Dummheit gab es etliche antike mythische Anekdoten, beispielsweise die folgende:
Um so weise wie Silenos zu werden, glaubte Midas, genüge es, ihn zu fangen. Er stellte ihm eine Falle, indem er einer Waldquelle Wein beimischte,[5] aus der Silenos trank und berauscht einschlief. Dionysos, der seinen alten Lehrer vermisste, musste dem König für dessen Freigabe einen Wunsch erfüllen. Midas wünschte sich, dass alles, was er berühre, zu Gold würde. Der Wunsch wurde ihm gewährt. Doch da ihm nun auch Speisen und Getränke zu Gold wurden, drohte ihm der Tod. Deshalb bat er den Gott, die Gabe zurückzunehmen. Dionysos riet ihm, im Fluss Paktolos zu baden, auf den dann die Gabe überging, so dass er zum goldreichsten Fluss Kleinasiens wurde.[6]
Am Paktolos-Fluss (heute Sart Çayı, Westtürkei) lag die antike Stadt Sardes (griechisch Sardeis, türkisch Sart), in der der sagenhaft reiche letzte lydische König Krösus residierte.
Nach einer weiteren Erzählung erkannte Midas bei einem musikalischen Wettstreit zwischen dem hässlichen Pan und dem wohlgestalteten Apollon, den Vertretern der Syrinx und der Kithara, Pan den Preis zu, wofür ihm Apollo die Ohren zu zwei Eselsohren lang zog (vgl. Bachkantate Der Streit zwischen Phoebus und Pan). Midas verbarg diese Schmach unter einer Phrygischen Mütze. Nur sein Barbier entdeckte sie. Der wagte zwar nicht, das Geheimnis einem Menschen zu verraten, konnte aber dem Drang, es weiterzusagen, nicht widerstehen, grub am Flussufer ein Loch und flüsterte hinein, was für Ohren er gesehen hatte. Dann warf er es wieder zu. Doch das Schilfrohr hatte mitgehört und flüsterte es anderen Binsen weiter, wenn der Wind rauschte, so dass am Ende alle Welt es wusste.[7] Demnach kannte bereits das Altertum eine Ausdrucksweise für allgemeine Bekanntschaft vergleichbar der deutschen Binsenweisheit.
Geschichte
Der historische Midas war in der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. Herrscher des phrygischen Reichs, das damals weite Teile Anatoliens beherrschte. Er ist sowohl in griechischen („Midas von Phrygien“) als auch in assyrischen („Mita von Muški“) Schriftquellen bezeugt. Als die Kimmerier ins Phrygerreich einfielen und die Hauptstadt Gordion vor dem Fall stand, nahm Midas sich das Leben – nach einer griechischen Erzählung, indem er Stierblut trank.[8] Ob es derselbe Midas war, der nach Eusebius (31,72 ff.) ab 738 v. Chr. regierte und 696 v. Chr. starb, ist unklar. Das hängt unter anderem von dem Datum der Zerstörung Gordions – 696 oder 679 v. Chr. – ab. Früher bevorzugte man das erstgenannte Datum und ging davon aus, dass es dieselbe Person sei. Da immer mehr Althistoriker und Archäologen zu 679 v. Chr. tendieren, geht nun ein Teil der Forschung davon aus, dass der Midas des 8. Jahrhunderts und der Midas, unter dessen Herrschaft Gordion fiel, zwei unterschiedliche Könige gleichen Namens sind.
Einen großen Tumulus in der Nähe von Gordion, der sehr viele kostbare Grabbeigaben enthielt, hat man lange als mögliches Grab des Midas angesehen. Einige Gegenstände wurden damals aufgrund stilistischer Kriterien in die Zeit um 700 v. Chr. datiert. Für ein Stück Holz wurde dendrochronologisch als Fälldatum 718 v. Chr. ermittelt. In dem Grab wurde das Skelett eines 60–70 Jahre alten Mannes gefunden. Das alles passte gut zum berühmten historischen König Midas. Inzwischen wurden jedoch neuere naturwissenschaftliche Daten ermittelt, nach denen das Grab älter ist. Auch einige Beigaben gelten stilistisch nun als deutlich älter, da auch die entsprechenden Schichten in der Siedlung Gordion deutlich früher datiert wurden. Damit kann mittlerweile ausgeschlossen werden, dass hier der historische Midas, der laut griechischen Quellen im frühen 7. Jahrhundert v. Chr. starb, bestattet ist. Der Tumulus kann besichtigt werden. Über einen Gang ist die aus Holz gefertigte Grabkammer im Inneren des Tumulus für Besucher erreichbar. Eine Rekonstruktion der Grabkammer ist im Museum für anatolische Zivilisationen in Ankara zu sehen.
Nach William Francis Ainsworth, einem Forschungsreisenden des 19. Jahrhunderts, war an einem Grab bei Seyitgazi (in der Nähe von Eskişehir) ebenfalls der Name Midas zu lesen.[9]
Siehe auch
- Midasstadt (Midas Şehir)
- Das Urteil des Midas, Lustspiel von Christoph Martin Wieland
- König Midas, Komische Oper in einem Akt von Wilhelm Kempff
- Midaskomplex
Literatur
- Wilhelm Drexler: Midas. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 2,2, Leipzig 1897, Sp. 2954–2968 (Digitalisat).
- Johannes Scherf: Midas. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 8, Metzler, Stuttgart 2000, ISBN 3-476-01478-9, Sp. 154–155.
- Anneke Thiel: Midas. Mythos und Verwandlung. Winter, Heidelberg 2000, ISBN 3-8253-1043-4 (zugleich Dissertation, Universität Münster 1998).
- Anneke Thiel: Midas. In: Maria Moog-Grünewald (Hrsg.): Mythenrezeption. Die antike Mythologie in Literatur, Musik und Kunst von den Anfängen bis zur Gegenwart (= Der Neue Pauly. Supplemente. Band 5). Metzler, Stuttgart/Weimar 2008, ISBN 978-3-476-02032-1, S. 429–432.
Weblinks
Einzelnachweise
- Arrian, Anabasis 2,3,1
- Hyginus, Fabulae 274
- Heinrich Wilhelm Stoll: Die Götter und Heroen des classischen Alterthums. Verlag B. G. Teubner, Leipzig 1861, S. 289.
- Marcus Tullius Cicero, De divinatione 1,36
- Xenophon, Anabasis 1,2,13
- Ovid, Metamorphosen 11,85–145; Hyginus, Fabulae 191
- Ovid, Metamorphosen 11,146–193
- Max Duncker: Band 1 von Geschichte des Alterthums. Verlag Duncker und Humblot, 1863, S. 745.
- William Francis Ainsworth: Travels and Researches in Asia Minor, Mesopotamia, Chaldea and Armenia. Band 2, London 1892, S. 59.