Palmiro Togliatti
Palmiro Togliatti ( [palˈmiːro toʎˈʎatti] ; * 26. März 1893 in Genua; † 21. August 1964 in Jalta) war ein italienischer Politiker. Von 1947 bis 1964 war er Generalsekretär der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) und ein führender Vertreter des Kommunismus.
Leben
Togliatti absolvierte ein Studium der Rechtswissenschaft in Turin. Er begann sein politisches Leben in der sozialistischen Partei Italiens (Partito Socialista Italiano) vor dem Ersten Weltkrieg. Nach dem Krieg, an dem er als Offizier teilnahm, wurde er 1920 Parteisekretär in Turin und gehörte der Gruppe um L’Ordine Nuovo in Turin an.
Er war 1921 ein Gründungsmitglied des PCI. Bereits seit 1922 gehörte Togliatti dem Zentralkomitee an, veröffentlichte bis 1926 unter dem Pseudonym Ercole Ercoli antifaschistische Propaganda, geriet 1923 und 1925 in Haft durch das faschistische Regime von Benito Mussolini, emigrierte 1926 nach Deutschland, später in die UdSSR. Dort übernahm er eine führende Rolle in der Komintern, wurde auf dem VII. Kongress 1935 Befürworter der Volksfrontpolitik Stalins und nahm zwischen 1937 und 1939 als Angehöriger des Garibaldi-Bataillons am Spanischen Bürgerkrieg teil. Nachdem Generalsekretär Gramsci verhaftet worden war, rückte er bis zu seinem Tode zur Führungsfigur der PCI auf, deren Generalsekretär er ab 1947 wurde.
Die 1930er Jahre verbrachte er im Exil, aus dem er im März 1944 nach Italien zurückkehrte. Unter seiner Leitung unternahm der von ihm wiedergegründete PCI die Wende von Salerno. Der PCI sollte sich als „Partei neuen Typs“ von der Kader- zur Massenpartei wandeln. Togliatti strebte mit den Sozialisten eine Volksfront an, um auf parlamentarischem Weg Staat und Gesellschaft zu revolutionieren.
Auf dem VII. und letzten Weltkongress der Komintern im August 1935 hatte der italienische Kommunistenführer, der sich den Decknamen „Ercoli“ zugelegt hatte, erklärt:
„Wenn es notwendig ist, um an die Menschen heranzukommen, eine neue Sprache zu reden, frühere Formeln abzuwerten, alte Pläne zu zerstören, die Arbeitsmethoden zu verändern, die Organisations-Formen umzugestalten – nun was, wir werden das ohne das geringste Schwanken tun.“
Dieser Politikwechsel war die Abkehr von der Politik der Diktatur des Proletariats hin zu demokratischen Reformen, ermöglichte andererseits dem PCI die Anerkennung durch die übrigen antifaschistischen Parteien als Teil des demokratischen Spektrums, das über die Beibehaltung der Monarchie oder die Einführung der Republik entschied. Sie ging jedoch einher mit der Entwaffnung der von Kommunisten dominierten Resistenza. Im Ergebnis öffnete sich die Partei weit nach rechts gegenüber den vorher vertretenen Positionen; so verzichtete sie auf größere Verstaatlichungen in der Industrie und erkannte eine starke Rolle der Kirche an.
Dies brachte ihr aber auch den Eintritt in die bürgerliche Regierung ein, deren Stellvertretender Ministerpräsident Togliatti von 1944 bis 1945 wurde. Dem Kabinett von Ferruccio Parri gehörte er zusammen mit dem Christdemokraten Alcide de Gasperi von 1945 bis 1946 als Justizminister an. Mit seinem Namen ist die weitreichende Amnestie unmittelbar nach Kriegsende verbunden, mit der Verbrechen während der faschistischen Diktatur unter Straffreiheit gestellt wurden. Am 14. Juli 1948 wurde ein Attentat auf Togliatti verübt, das er überlebte und das eine Reihe von Streiks zur Folge hatte. Ab 1948 gehörte er für insgesamt vier Legislaturperioden der Camera dei deputati an.
1956 war Togliatti entscheidend an der Entwicklung der Theorie des Polyzentrismus, also der „Einheit in der Vielfalt“ unterschiedlicher politischer Praxis beteiligt. Nach der Niederwerfung des Aufstands in Ungarn (Ungarischer Volksaufstand) durch die Sowjetunion proklamierte er einen eigenen „nationalen Weg zum Sozialismus“.
Unter seiner Führung wuchs die Partei zur zweitstärksten Italiens und zur größten nicht regierenden kommunistischen Partei in Europa. Obwohl sie nach 1946 permanent von der nationalen Regierung ausgeschlossen blieb, stellte sie in vielen Städten den Bürgermeister und blieb nicht ohne Einfluss.
Die russische Stadt Stawropol an der Wolga, in der die Automobilfabrik AwtoWAS (Lada) in Zusammenarbeit mit Fiat errichtet wurde, bei deren Gründung Togliatti hilfreich gewesen war, wurde nach seinem Tod 1964 ihm zu Ehren in Toljatti (Transkription der kyrillischen Schreibung) umbenannt.
Nachfolger als Generalsekretär des PCI wurde 1964 Luigi Longo, der auch die Veröffentlichung des politischen „Testaments Togliattis“ in der Tageszeitung L’Unità und der Zeitschrift Rinascita veranlasste.[1][2]
Ehrung
Nach Togliatti wurde 1973 die im Dezember 1944 gegründete zentrale Parteihochschule des PCI benannt.
Die Schule sollte bereits in den 1950er Jahren nach Togliatti benannt werden, was dieser aber mit dem Satz „Man gibt den Namen einer lebenden Person nicht an eine Organisation weiter, es sei denn, man wünscht ihr den Tod.“ abgelehnt habe.[3] So kam es zunächst zu dem neuen Namen Institut für kommunistische Studien, bevor die Schule dann 1973 endgültig den Namenszusatz Palmiro Togliatti erhielt.
Schriften
- Kampf für Frieden, Demokratie und Sozialismus. Aus Reden und Schriften über den Kampf der italienischen und der deutschen Arbeiterklasse. Dietz-Verlag, Berlin 1965.
- Lektionen über den Faschismus. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1973.
- Ausgewählte Reden und Aufsätze. Verlag Marxistische Blätter, Frankfurt am Main 1977. ISBN 3-88012-461-2
- Die Italienische Kommunistische Partei. Cooperative, Frankfurt am Main 1979. ISBN 3-88442-000-3
Einzelnachweise
- Deutsche Übersetzung: MEMORANDUM des Genossen Palmiro Togliatti, Neues Deutschland, 11. September 1964, S. 6 (mit dem Vorwort von Luigi Longo)
- Hansjakob Stehle: Roms Rezept für die Reform, Die Zeit, 18. September 1964 (Artikel zu den Hintergründen des Togliatti-Memorandums)
- Zitiert nach einem Interview mit Anna Tonelli (Online): „Non si dà il nome di un vivo a una organizzazione qualsiasi se non per augurargli di morire.“
Weblinks
- Literatur von und über Palmiro Togliatti im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Zeitungsartikel über Palmiro Togliatti in der Pressemappe 20. Jahrhundert der ZBW – Leibniz-Informationszentrum Wirtschaft