Offizierspatent
Der Begriff Offizierspatent kommt von lateinisch litterae patentes und bedeutet landesherrlicher „offener Brief“. Nach heutigem Sprachgebrauch versteht man hierunter eine Ernennungsurkunde. Durch das Patent wurde die Ernennung zum Offizier (wie auch jede weitere Beförderung in einen höheren Offiziersdienstgrad) wirksam und glaubhaft gemacht. Das Datum der Ausfertigung legte die Rangfolge im Dienstalter fest. Als Auszeichnung konnte es vordatiert werden, womit die Karriere des Inhabers beschleunigt wurde. Die dem Offizier zustehenden Vorrechte und Pflichten waren im Text vermerkt.
Deutschland
Preußen
König Friedrich Wilhelm I. fertigte ab 1713 jedes Offizierspatent persönlich aus. Der Wortlaut jener Patentschrift blieb in der preußischen Armee bis 1919 kaum verändert erhalten.
- Patent für einen preuß. Portepee-Fähnrich (Oberfähnrich) Vorderseite 1872[1]
- desgl. Rückseite 1872[2]
- desgl. Innenseite 1900[4]
Alle Patente sind mit dem Großen Siegel (Prägesiegel) versehen; Patente bis zum Premier-Lieutenant/ Oberleutnant sind ohne Unterschrift, ab Hauptmann aufwärts stets vom König unterzeichnet.
Nach bestandener Offizierprüfung werden die Kriegsschüler zu charakterisierten Fähnrichen ernannt und erhalten das Patent nach zwei bis sechs Monaten, je nach Prüfungsergebnis. Selektaner werden sofort zum Leutnant ernannt mit einem Patent drei Monate später. Die Reihenfolge (Buchstaben A bis Z) der Patente mit gleichem Datum werden durch das Leistungsergebnis bestimmt.[5] Das Patent bestimmt die Anciennität (Dienstalter) und damit die Reihenfolge der regulären Beförderung.
Bei hervorragenden Leistungen können Offiziere bei Beförderungen „vorpatentiert“ werden, d. h. das Patent wird mit einem älteren Datum versehen.
Das (oft aus wertvollem Pergament ausgefertigte) Patent für einen Militär-Beamten im Offiziersrang wurde in der Regel vom Kriegsminister ausgestellt. Unteroffiziere erhielten ebenfalls Bescheinigungen über ihre Beförderung(en), die sogenannte (aus Papier gefertigte) „Bestallung“.
Bundeswehr
In der Bundeswehr gibt es keine Offizierspatente im eigentlichen Sinne. An der Offizierschule des Heeres wird den Absolventen seit Ende 2002 nach dem Bestehen des Offizierlehrgangs Teil 1 der Offizierbrief der Offizierschule des Heeres überreicht. Auch an der Marineschule Mürwik wird den Absolventen ein Offizierbrief überreicht. An der Offizierschule der Luftwaffe wird den Absolventen in Anlehnung an die Tradition der Patentvergabe nach bestandenem Offizierlehrgang Lehrgangsurkunden verliehen, die den Titel Offizierspatent tragen.
Die Beförderung zum Leutnant, dem niedrigsten Offizierdienstgrad in der Bundeswehr, setzt nach § 27 Abs. II Nr. 2 Soldatengesetz neben dem entsprechenden Bildungsabschluss ein positives Lehrgangszeugnis der jeweiligen Offizierschule sowie eine Mindestdienstzeit von 36 Monaten für aktive Soldaten voraus.[6] Für Reserveoffiziere gelten abweichende Voraussetzungen.
Schweiz
In der Schweizer Armee wird das Dokument, das die Beförderung zum Offizier bescheinigt, als Offiziersbrevet bezeichnet und üblicherweise vom Kommandanten des entsprechenden Lehrverbandes ausgestellt.
Patente in der Handelsschifffahrt
Die Befähigungszeugnisse für Schiffsoffiziere in der Handelsschifffahrt hießen in der Vergangenheit ebenfalls Patente, und in der Umgangssprache werden die damit qualifizierten Offiziere noch immer als Patentinhaber bezeichnet. Das gilt gleichermaßen für nautische wie für technische Offiziere.
Offiziell wird der Begriff Patent bei Befähigungszeugnissen in der Binnenschifffahrt gebraucht wie z. B. beim Bodenseeschifferpatent.
Vereinigte Staaten
Das Offizierspatent wird in den Vereinigten Staaten Commission genannt. Entsprechend heißen Offiziere im Regelfall Commissioned Officers. Nach der Verfassung der Vereinigten Staaten ist nur der Präsident berechtigt, für die Offiziere der Bundesstreitkräfte ein Patent auszustellen. Er kann die Ausstellung aber an untergeordnete Minister delegieren, die dann im Auftrag des Präsidenten das Patent ausstellen, was in der Praxis der Regelfall ist. Während Mannschaften und Unteroffiziere aufgrund eines Vertrags (englisch contract) ihren Aufgaben nachkommen, haben damit Offiziere die direkte Beauftragung des Präsidenten. Da die Nationalgarde sowohl eine Staatsmiliz als auch eine Reservekomponente der Bundesstreitkräfte ist, erhalten die Offiziere ein Doppelpatent vom Gouverneur als auch Präsidenten. Das Offizierspatent ist die offizielle Erlaubnis, Befehle zu erteilen und Truppen zu führen.
Warrant Officer in der untersten Besoldungsstufe erhalten ein Warrant (deutsch Vollmacht) durch den Minister der Teilstreitkraft. Ab dem Dienstgrad Chief Warrant Officer erhalten sie ebenfalls ein Offizierspatent und sind damit Offizieren gleichgestellt, obwohl eine Truppenführung für sie nicht vorgesehen ist.
Weblinks
- Ein preußisches Offizierspatent von 1694 in dhm.de (Memento vom 16. November 2012 im Internet Archive)
Einzelnachweise
- Nachdem Seine Königliche Majestät von Preußen Unser allergnädigster König und Herr resolviert haben, den characterisirten Portepee-Fähnrich vom Schleswig-Holsteinischen Füsilier-Regiment No. 86, Richard Windeck, zum Portepee-Fähnrich in gedachtem Regiment in Gnaden zu ernennen und zu bestellen, so thun Allerhöchst Dieselben solches auch hiermit und in Kraft dieses Patents dergestalt daß Seiner Königlichen Majestät und Dero Königlichem hohen Hause, derselbe zuvörderst getreu, hold und gehorsam sein, seiner Charge gebührend wahrnehmen, was ihm zu thun und zu verrichten obliegt und aufgetragen wird, bei Tag und bei Nacht, zu Wasser und zu Lande fleißig und treulich ausrichten, bei allen vorfallenden Krieges-Begebenheiten sich tapfer und unverweislich verhalten, übrigens aber auch alle mit dieser Charge verbundenen Praerogative und Gerechtsame genießen solle. Des zu Urkund haben Allerhöchst Dieselben dieses Patent mit Dero Insiegel bedrucken und autorisieren lassen. So geschehen und gegeben: Berlin, den 17. September 1872. A.
- Patent als Portepee-Fähnrich im Schleswig-Holsteinischen Füsilier-Regiment No. 86 für den characterisierten Portepee-Fähnrich Windeck
- Wir Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preußen etc. thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem Wir resolviert haben, den Hauptmann im Infanterie-Regiment von Lützow (1. Rheinisches) No. 25 – Richard Windeck – wegen seiner treu geleisteten Dienste, guten Eigenschaften und erlangten Kriegs-Kenntnisse zum Major der Infanterie in Gnaden zu ernennen und zu bestellen, so thun Wir solches auch hiermit und in Kraft dieses Patents dergestalt: daß Uns und Unserem Königlichen Hause derselbe noch ferner getreu, hold und gehorsam sein, Unsern Nutzen und Bestes überall suchen und befördern, Schaden und Nachtheil aber, nach äußerster Möglichkeit, verhüten, warnen und abwenden, was ihm als Major zu thun und zu verrichten obliegt, auch ihm von
- (linke Seite)seinen Vorgesetzten nach Gelegenheit aufgetragen und anbefohlen wird, mit gehöriger Treue, Fleiß und Eifer, bei Tag und bei Nacht, zu Lande und zu Wasser ausführen und bewerkstelligen, sich davon durch nichts abhalten lassen, auch bei allen vorfallenden Kriegs-Begebenheiten mit williger und ungescheueter Daransetzung seines Leibes und Lebens, Guts und Bluts, sich noch ferner dergestalt verhalten und bezeigen solle, wie es einem getreuen Diener und rechtschaffenen kriegserfahrenen Major eignet und gebühret, desselben Eidespflicht es erfordert und Unser allergnädigstes Vertrauen desfalls zu ihm gerichtet ist. Dagegen wollen Wir Unsern nunmehrigen Major Windeck bei diesem Dienstgrade und allen demselben daher zustehenden Praerogativen und Gerechtsamen jederzeit in Gnaden schützen und maintenieren, auch bei vorkommender Gelegenheit auf desselben weitere Beförderung bedacht sein. Des zu Urkund haben Wir dieses Patent
(rechte Seite)Eigenhändig unterschrieben und mit Unserm Insiegel bedrucken lassen. So geschehen und gegeben: Berlin, den 27. Januar 1900 E. (Wilhelm R.)
Patent als Major der Infanterie für den bisherigen Hauptmann Windeck - nach Firck's Taschenkalender für das Heer, Darmstadt 1918, S. 178 f.
- § 27 Soldatengesetz – Laufbahnvorschriften. Website Buzer.de Gesetze. Abgerufen am 13. Dezember 2010.