Moritz Mitzenheim

Hartmut Moritz Mitzenheim (* 17. August 1891 i​n Hildburghausen; † 4. August 1977 i​n Eisenach) w​ar zwischen 1943 u​nd 1945 Vorsitzender d​er Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft i​n Thüringen[1] u​nd von 1945 b​is 1970 Landesbischof d​er Evangelisch-Lutherischen Landeskirche v​on Thüringen. Er w​ar wegen seines Eintretens für e​ine Zusammenarbeit m​it den staatlichen Institutionen d​er DDR innerhalb d​er evangelischen Kirche umstritten.

Mitzenheim (2. v. l.) 1969 bei einer Begegnung mit Funktionären verschiedener Parteien in Eisenach.
Ehrengrab auf dem Eisenacher Hauptfriedhof.

Leben und Wirken

Seine Eltern waren Heinrich und Anna (geb. Luther) Mitzenheim. Der Vater war Oberstudienrat, Organist und Chormeister. 1911 legte er die Reifeprüfung auf dem Gymnasium seiner Vaterstadt ab. Nach dem Studium der Theologie in Leipzig, Berlin, Jena und Heidelberg wurde Mitzenheim im September 1914 ordiniert. Nach 1916 war er nacheinander Pfarrer in Wallendorf, Saalfeld sowie schließlich von 1929 bis 1945 in Eisenach. Daneben war er Dozent am „Neulandhaus“, der Weiterbildungsstätte des Neulandbundes, einer rechtskonservativen, später „protestantisch-völkischen Bewegung“ (Carsten Dippel).[2] 1943 wurde er Vorsitzender der Lutherischen Bekenntnisgemeinschaft in Thüringen, die der Usurpation der Kirche durch die Deutschen Christen widerstanden hat; im Mai 1945 Landesoberpfarrer, ab Dezember Landesbischof. Als im Herbst 1945 das ehemalige Konzentrationslager Buchenwald als Speziallager Nr. 2 in der SBZ mit politischen Gefangenen und verdächtigen Personen von der sowjetischen Militärverwaltung belegt wurde, war Mitzenheim die letzte Hoffnung vieler Familienangehöriger. Im Dezember 1949 predigte er für die in Buchenwald Internierten, im Lager wurde kirchliche Literatur verteilt.[3] 1947/48 nahm er am von der SED initiierten Deutschen Volkskongress als Delegierter teil. Mitzenheim war Ehrenmitglied der CDU der DDR. 1955 bis 1961 gehörte er dem Rat der EKD an. Im Jahre 1964 traf er sich mit Walter Ulbricht auf der Wartburg. Er gehörte zu den Unterzeichnern des 2. Stockholmer Appells zur Beendigung des Wettrüstens und für die Einberufung einer Weltrüstungskonferenz (1976).[4] Er betrieb die Politik des sogenannten „Thüringer Weges“, der – im Gegensatz zu den meisten übrigen ostdeutschen Landeskirchen – loyal zum SED-Staat war.[5] Mitzenheim war deshalb ein wichtiger Ansprechpartner der DDR-Regierungsstellen und wurde 1961 mit dem Vaterländischen Verdienstorden in Gold ausgezeichnet. 1971 erhielt er die Ehrenspange zu diesem Orden.[6] Daneben pflegte er Kontakte zu den Kirchen der Ostblockstaaten. Hierfür wurde er 1959 von der Russisch-Orthodoxen Kirche mit den Wladimir-Orden ausgezeichnet. Er war Mitglied der Christlichen Friedenskonferenz (CFK).

Während e​iner Predigt g​ing er a​uf die eigene Charakterisierung d​urch seine Kritiker e​in mit d​en Worten:

„Man n​ennt mich e​inen ‚roten Bischof‘. Das i​st recht so. Denn e​s gibt a​uch ein ‚Rotes Kreuz‘ – u​nd das bringt Hilfe!“[7]

Mitzenheim w​ar Dr. h. c. d​er Theologie d​er Universitäten v​on Jena (1947), Bratislava (1962) u​nd Warschau (1974).

Die Straße i​n Eisenach, d​ie zum ehemaligen Sitz d​es ev. Landesbischofs i​n der Eichel-Streiberschen Villa führt, i​st nach i​hm benannt. Auch s​eine Geburtsstadt Hildburghausen h​at eine „Doktor-Moritz-Mitzenheim-Straße“. Das Haus d​er Begegnung i​n Finsterbergen n​eben der Dreifaltigkeitskirche trägt ebenfalls seinen Namen; e​r hatte 1959 d​ort drei Turmglocken geweiht.

Publikationen (Auswahl)

  • Geschichte der Familie Mitzenheim. 1. Teil: Bis zur Einwanderung in Thüringen. Max Hense, Eisenach 1933, DNB 366880381.
  • Geschichte der Familie Mitzenheim. 2. Teil: Von der Einwanderung in Thüringen bis zur Gegenwart. Max Hense, Eisenach 1935, DNB 36688039X.[8]
  • Gottes gute Gaben. Die 10 Gebote Kindern erläutert. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1951; 3. Auflage. Ebenda 1963, DNB 453412769.
  • Gottes wunderbares Wirken. Kinderbriefe über den christlichen Glauben. Berlin 1963.
  • Unser Martin Luther. Thüringer Lutherbüchlein. Berlin 1970.

Literatur

  • Ernst Köhler: D. M. Mitzenheim. Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche Thüringen. In: Christlicher Hauskalender. 1956, S. 47–49.
  • Landeskirchenrat der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen (Hrsg.): Domine dirige me in verbo tuo. Festschrift zum 70. Geburtstag von Landesbischof D. Moritz Mitzenheim, Berlin 1961.
  • Stadt Eisenach, Urania Kultur- und Bildungsverein Gotha e.V. (Hrsg.): Eisenacher Persönlichkeiten. Ein biografisches Lexikon. Rhino-Verl., Weimar 2004, ISBN 3-932081-45-5, S. 95–96.
  • Herbert von Hintzenstern: Mitzenheim, Moritz. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994, ISBN 3-428-00198-2, S. 592 f. (Digitalisat). (Volltext mit Links).
  • J. Jürgen Seidel: MITZENHEIM, Moritz. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 5, Bautz, Herzberg 1993, ISBN 3-88309-043-3, Sp. 488–490, letzte Aktualisierung: 25. Juni 1998.
  • Ehrhart Neubert: Mitzenheim, Moritz. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Mitzenheim, Moritz. In: Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Deutsche Biographische Enzyklopädie (DBE). Band 7: Menghin – Pötel. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. K. G. Saur/Walter de Gruyter, München 2007, ISBN 978-3-11-187289-6, S. 130 f., urn:nbn:de:101:1-201607307363 (Vorschau in der Google-Buchsuche).
Commons: Moritz Mitzenheim – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Erich Stegmann: Der Kirchenkampf in der Thüringer Evangelischen Kirche 1933–1945. Ein Kapitel Thüringer Kirchengeschichte. Berlin 1984, DNB 850416930, S. 67.
  2. Michael Haspel, Leiter der Evangelischen Akademie Thüringens: „Nach 1945 muss das der Kirche bewusst gewesen sein [d. h. die Geschichte des Neulandhauses], weil der dann amtierende Bischof Mitzenheim in den 20er und 30er-Jahren auch als Dozent am Neulandhaus tätig war. Wann es quasi vergessen wurde, ist im Moment nicht nachzuvollziehen. Heute ist es so, dass viele sagen, wir wussten gar nichts von dieser Geschichte. Einige sagen, wir wussten was, aber es ist schwierig, eine solche Tradition eines solchen Namens zu ändern, wo ganz viele Leute ganz positive Erinnerungen daran haben.“ Zit. n. Carsten Dippel: Neulandbewegung vor 100 Jahren. Wegbereiter des Nationalsozialismus (s. Weblinks). 
    „Moritz Mitzenheim, Thüringens umstrittener Bischof zu Ulbricht-Zeiten, schlug 1947 sogar vor, eine Stiftung zu Ehren Guida Diehls zu gründen.“ (Carsten Dippel).
  3. Bodo Ritscher: Spezlager Nr. 2 Buchenwald. Zur Geschichte des Lagers Buchenwald 1945 bis 1950. Gedenkstätte Buchenwald, Weimar-Buchenwald 1993, DNB 930913604, S. 139–144 (Abschnitt Chronik); 2., überarb. Auflage, ebenda 1995, DNB 944656374 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Vgl. Stadt Eisenach, Urania, 2004, S. 96.
  5. Gerhard Besier: Die Kirche, gehorsamer Diener des Staates. IM „Ingo“ oder Der besonders forsche Weg der Thüringischen Landeskirche in die Arme der Staatssicherheit. In: Die Welt. 11. September 1996, abgerufen am 7. November 2012.
  6. Neues Deutschland. 16. September 1971, S. 3.
  7. Peter Franz (Hrsg.): Hinter der Mauer und doch frei. Ein NachLeseBuch von DDR-Christen. GNN-Verlag, Schkeuditz 1997, ISBN 3-929994-96-8, S. 14.
  8. 3. Teil, 1941. Nicht näher ausgeführte Angabe nach Vierhaus, 2007, S. 131, und v. Hintzenstern, 1994; bei DNB und WorldCat allerdings nicht nachgewiesen.
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