Meisterwurz
Meisterwurz (Peucedanum ostruthium), auch Kaiserwurz und Ostruz genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Haarstrang (Peucedanum) innerhalb der Familie der Doldenblütler (Apiaceae). Sie ist vor allem im Alpenraum verbreitet und als Heilpflanze bekannt.
Meisterwurz | ||||||||||||
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Meisterwurz (Peucedanum ostruthium) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Peucedanum ostruthium | ||||||||||||
(L.) W.D.J.Koch |
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Der Meisterwurz ist eine ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 30 bis 100 Zentimetern erreicht. Meisterwurz strömt einen starken würzigen Geruch nach Möhren und Sellerie aus.
Der „Wurzelstock“ ist dick spindelförmig, braun und milchend. Er treibt unterirdische Ausläufer aus. Die Sprossachse steht aufrecht, ist stielrund und gerillt. Im Inneren ist sie röhrig-hohl und an der Außenseite kahl, außer unter den Dolden, wo sie rauflaumig behaart ist.
Die Laubblätter sind grasgrün und kahl oder an der Blattunterseite, besonders an den Blattrippen, borstig-flaumig behaart und am Rand borstig bewimpert. Das Laubblatt ist bis zu 30 Zentimeter lang und bis zu 34 Zentimeter breit. Die unteren, basalen Laubblätter sind häufig fast doppelt dreizählig. Die Abschnitte erster Ordnung sind gestielt und tief (fast bis zum Grund) dreiteilig. Die Lappen sind elliptisch bis lanzettlich, zugespitzt und zwischen 5 und 10 Zentimeter lang sowie 4 bis 7 Zentimeter breit. Der Spreitenrand ist ungleich doppelt gesägt mit derber Stachelspitze an den Zähnen. Die oberen Laubblätter sind in der Regel nur einfach drei-schnittig, auf großen, aufgeblasenen, fast häutigen Scheiden sitzend.
Generative Merkmale
Die Blütezeit reicht von Juni bis August. Die Blütenstände sind große, flache bis zu 50-strahlige Dolden. Die Strahlen sind dünn, kantig, ungleich lang und innerseits fein rauflaumig behaart. Die Döldchen sind reichblütig. Die Blütenstiele sind sehr dünn, fast glatt und deutlich länger als die Früchte. Hüllblätter fehlen oder sind zuweilen einblättrig vorhanden. Die wenigen Hüllchenblätter sind borstlich, krautig und fast glatt.
Die Blütezeit erstreckt sich von Juni/Juli bis August. Die Blüten sind zwittrig. Der Kelchsaum ist verwischt. Die Kronblätter sind weiß oder rötlich, etwa 1 bis 1,5 Millimeter lang und zwischen 0,75 und 1 Millimeter breit. Sie sind fast glatt, sehr schwach oder stumpf papillös, breit verkehrt-eiförmig und am Grunde leicht genagelt. Die Spitze ist ausgerandet und mit einem eingeschlagenen, spitzen Läppchen versehen. Der Fruchtknoten ist oberständig und kegelförmig gewölbt, der Griffel ist zwischen 1 und 1,5 Millimeter lang. Die Narbe ist kopfig.
Die Spaltfrucht, Doppelachäne genannt, ist weiß-gelblich mit bräunlicher Scheibe, fast kreisrund, zwischen 4 und 5 Millimeter lang und ebenso breit. Die Spitze ist etwas ausgerandet und stark zusammengedrückt. Die drei Rückenrippen der Teilfrüchte sind im Querschnitt dreikantig vorspringend, und stumpflich durch große Buchten voneinander getrennt. Die dünnen Randflügel sind sehr breit, fast so breit wie der Gehäusedurchmesser an der breitesten Stelle. Das Gewebe der Fruchtwand ist teilweise fein getüpfelt, aber parenchymatisch und kaum wesentlich verdickt.
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 22.[1]
Ökologie
Die Meisterwurz ist ein sommergrüner Hemikryptophyt und eine Schaftpflanze. Ihr Rhizom riecht aromatisch. Vegetative Vermehrung erfolgt durch die unterirdischen Ausläufer.
Blütenökologisch handelt es sich um vormännliche „Nektar führende Scheibenblumen vom Heracleum-Typ“. Sie sind andromonözisch d. h. männliche und zwittrige Blüten kommen auf derselben Pflanze vor. Die Blüten werden reichlich von Insekten besucht, die die Blütenstände als „Sonnendeck“ nutzen. Bestäuber sind u. a. Männchen der Bremsen-Art Tabanus borealis.
Die Einzelfrüchte breiten sich aus als Segelflieger, daneben erfolgt Zufallsausbreitung durch Huftiere sowie Menschenausbreitung als Kulturrelikt und Kulturflüchter. Fruchtreife ist von September bis Oktober. Die Früchte sind Wintersteher.
Natürliche Feinde
Meisterwurz ist die einzige Futterpflanze für die Larven von Oreina gloriosa, einer Blattkäfer-Art.[2]
Giftigkeit
Die Pflanze wirkt durch Furocumarine photosensibilisierend.
Verbreitung
Die Meisterwurz kommt ursprünglich vor in Spanien, Andorra, Frankreich, Korsika, Italien, Deutschland, der Schweiz, Österreich, Liechtenstein, Slowenien, Kroatien, Polen, Ukraine und Rumänien.[3] In Großbritannien, Irland, Dänemark, Norwegen und Schweden und auch in Kanada und in den Vereinigten Staaten ist sie ein Neophyt.[3][4]
In Deutschland ist die Meisterwurz ursprünglich nur in den bayrischen Alpen in Höhenlagen zwischen 1450 und 2100 Meter heimisch. In den Allgäuer Alpen steigt sie bis zu einer Höhenlage von 2200 Metern auf.[5] Einzelne Vorkommen finden sich heute im Gesenke und den Mittelgebirgen. In ganz Österreich ist die Meisterwurz verbreitet. Bei den vereinzelten Vorkommen in Nordeuropa, einschließlich Island, Südeuropa und Osteuropa ist unklar, ob diese natürlich sind.
Meisterwurz ist auf Gebirgswiesen, steilen Hängen, Kar- und Hochstaudenfluren, auf feuchten Schutthalden, in Lawinenrunsen, auf Lägerfluren (wo Vieh lagert), im Grün-Erlengebüsch und Krummholz, auf Rutschstellen in Wäldern, am Fuß von Felsen und an Bachufern innerhalb der Alpen und Voralpen nicht selten. Sie bevorzugt Kalk- und Urgestein in Höhenlagen zwischen 1400 und 2700 Meter. In den Mittelgebirgen und im Flachland ist die Meisterwurz selten und zumeist aus ehemaligen Kulturen verwildert. Meisterwurz ist in Mitteleuropa eine Adenostylion alliariae-Verbandscharakterart, eine Art der Hochstaudenfluren.[1] Sie kommt aber auch in Gesellschaften der Verbände Rumicion alpini oder Aegopodion vor.[1]
Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt & al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 3 (mäßig feucht), Lichtzahl L = 3 (halbschattig), Reaktionszahl R = 3 (schwach sauer bis neutral), Temperaturzahl T = 2 (subalpin), Nährstoffzahl N = 4 (nährstoffreich), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental).[6]
Systematik
Die Erstveröffentlichung erfolgte 1753 unter dem Namen (Basionym) Imperatoria ostruthium durch Carl von Linné. Die Neukombination zu Peucedanum ostruthium (L.) W.D.J.Koch wurde 1824 durch Wilhelm Daniel Joseph Koch in Novorum Actorum Academiae Caesareae Leopoldinae-Carolinae Naturae Curiosorum, 12, 1, S. 95.veröffentlicht. Weitere Synonyme für Peucedanum ostruthium (L.) W.D.J.Koch sind Imperatoria major Gray, Ostruthium officinale Link, Angelica ostruthium (L.) Lag. und Selinum ostruthium (L.) Wallr.[7]
Von Peucedanum ostruthium gibt es drei Varietäten:
- Peucedanum ostruthium var. angustifolium (Bell.) Alef.
- Peucedanum ostruthium (L.) W.D.J.Koch var. ostruthium
- Peucedanum ostruthium var. vulgare Alef.
Nutzen
Meisterwurz wird traditionell als Heilpflanze verwendet – war in der Antike aber offenbar unbekannt. Hildegard von Bingen kannte zwar eine Heilpflanze, die sie Astrencia[8] nennt, dabei könnte es sich aber ebenso gut um die Große Sterndolde (Astrantia major) handeln. Im 16. Jahrhundert zumindest wurde die Meisterwurz Astrenz genannt, wohingegen die Große Sterndolde Schwartz Astrenz genannt wurde. Mit „Astränze“, „Astrantia“, „Stränze“, „Strenze“ und „Strenzel“ wurden Alfred Helfenstein[9] folgend aber auch andere Pflanzen wie Sanikel, Bibernellen, Fünffingerkraut und Bergpetersilie bezeichnet.
Klar ist, dass Conrad Gessner 1560 den Anbau des Meisterwurzes empfiehlt, und sich die Meisterwurz bis in das 19. Jahrhundert vielfach in Gärten findet.
Der „Wurzelstock“ enthält zwischen 0,18 und 0,78 % (in Extremfällen bis 1,4 %) Ätherische Öle, der größte Teil davon (etwa 35,2 %) ist Sabinen.[10] Weitere Bestandteile sind 1,3 % Oxypeucedanin (C13H12O2), 0,5 % Ostruthin (C18H20O8), 0,3 % Ostruthol (C24H24O8) und 0,1 % Osthol (C12H18O2). Für das isolierte Kumarin Ostruthin konnten 2003 in Laborexperimenten (in vitro) hemmende Eigenschaften gegenüber verschiedenen Mykobakterien beobachtet werden.[11]
Aus den Wurzeln wurden Pillen, Pulver, Dekokte, Aufgüsse oder Salben gefertigt, die als Universalmittel bei Bronchialkatarrh, Asthma, Delirium tremens, Epilepsie, ansteckenden Krankheiten, Dermatophytosen, zur Wundbehandlung, bei Magenbeschwerden, als Gegengift, bei Wassersucht oder Zahnschmerz verwendet wurden. Meisterwurz war auch Bestandteil des Spiritus carminativus Sylvii. Auch im Orvietan war sie enthalten, einem aus vierundfünfzig verschiedenen Kräutern zusammengesetzten Allheilmittel.[12] Aus ihr wird besonders in Gebirgsgegenden Schnaps und auch Kräuterkäse hergestellt.[12] In Tirol wurde zur Weihnachtszeit die Stube mit der „Wurzel“ ausgeräuchert. Die „Wurzel“ diente zum ‚Vertreiben von Hexen‘.
Literatur
- Gustav Hegi: Peucedanum ostruthium. In: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 5, 2. Teil. J. F. Lehmanns Verlag, München 1926, S. 1396–1401.
- Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Portrait. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
- Orientierende Untersuchungen zur Inkulturnahme von Meisterwurz (Peucedanum ostruthium)/Preliminary investigations on the introduction of masterwort (Peucedanum ostruthium) (L.)W. Koch. EM. Walle, Journal of Medicinal & Spice Plants, 2, 2010, S. 86–94.
Einzelnachweise
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 720–721.
- Susanne Dobler, Patrick Mardulyn, Jacques M. Pasteels, Martine Rowell-Rahier: Host-Plant Switches and the Evolution of Chemical Defense and Life History in the Leaf Beetle Genus Oreina. In: Evolution. Band 50, Nr. 6, Dezember 1996, S. 2373–2386, JSTOR:2410706.
- R. Hand (2011): Apiaceae: Datenblatt Peucedanum In: Euro+Med Plantbase - the information resource for Euro-Mediterranean plant diversity.
- Peucedanum im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 23. Mai 2018.
- Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 282.
- Peucedanum ostruthium (L.) W. D. J. Koch In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 28. März 2021.
- Datenblatt Peucedanum ostruthium bei POWO = Plants of the World Online von Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew: Kew Science.
- Vgl. auch Ute Obhof: Rezeptionszeugnisse des „Gart der Gesundheit“ von Johann Wonnecke in der Martinus-Bibliothek in Mainz – ein wegweisender Druck von Peter Schöffer. In: Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018, S. 25–38, hier: S. 33 (Astrens „maister wurcz“).
- Alfred Helfenstein: Das Namengut des Pilatusgebietes. Keller, Luzern 1982, ISBN 3-85766-004-X, S. 43.
- Wojciech Cisowskia, Urszula Sawickaa, Marek Mardarowicz, Monika Asztemborska, Maria Łuczkiewicz: Essential Oil from Herb and Rhizome of Peucedanum ostruthium (L. Koch.) ex DC.. In: Zeitschrift für Naturforschung C. 56, 2001, S. 930–932 (PDF, freier Volltext).
- Andreas Schinkovitz, Simon Gibbons, Michael Stavri, Michael J. Cocksedge, Franz Bucar: Ostruthin: An Antimycobacterial Coumarin from the Roots of Peucedanum ostruthium. In: Planta Med. Band 69, Nr. 4, 2003, S. 369–371, doi:10.1055/s-2003-38876.
- Meisterwurz bei Pflanzenfreunde.com.
Weblinks
- Peucedanum ostruthium (L.) Koch, Meisterwurz. FloraWeb.de
- Meisterwurz. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
- Die Verbreitung auf der Nordhalbkugel nach Eric Hultén
- Thomas Meyer: Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben)