Matthiae-Mahlzeit
Die Matthiae-Mahlzeit (häufig auch nur als Matthiae-Mahl, historisch als Convivium Eines Ehrbaren Rates bezeichnet) in Hamburg ist „das älteste noch begangene Festmahl der Welt“. Es besteht seit 1356 und findet immer um den 24. Februar herum im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses statt. Zwischen 1724 und 1956 fand das Mahl, wahrscheinlich aus Kostengründen, nicht statt.[1][2]
Geschichte
Das Mahl begründet sich auf dem Matthiae-Tag, der alljährlich am 24. Februar den mittelalterlichen Frühlingsanfang einläutete. Es war zudem der Tag des Dienstbotenwechsels und es wurden Wetterregeln aufgestellt sowie Orakelhandlungen durchgeführt. An diesem besonderen Tag wurden die Aufgaben im Senat neu verteilt und ein neuer Erster Bürgermeister gewählt.
Traditionell wurde es Brauch, Vertreter der Hamburg freundlich gesinnten Mächte[1] einzuladen, d. h. ausländische Minister und andere hohe Gäste. Ihnen wurde ein Messer als Zeichen der Courtoisie (ritterliches Benehmen) aufgedeckt, denn im 14. Jahrhundert aß man gewöhnlich mit den Fingern. Jedes Jahr wurden Forellen, Kapaunenbraten, Rehrücken, Kalbsviertel und Mandelmilch sowie Bier und Wein serviert.
Ab dem Jahr 1622 waren auch Frauen beim Mahl zugelassen. Bis die Herren diese zum Tanz aufforderten, mussten sie jedoch in einem getrennten Saal speisen.[3]
Schon seit den Anfängen des Mahls wurde stets ein deutscher und ein ausländischer Ehrengast, meist der kaiserliche und der holländische Gesandte, empfangen. Im 18. Jahrhundert wurde in vielen Jahren ein Lied speziell für das Mahl komponiert, unter anderem 1711 von Reinhard Keiser oder 1724 von Georg Philipp Telemann.
Gegenwart
Das Matthiae-Mahl diente und dient der Zusammenkunft von Vertretern aus Adel und Politik. In neuerer Zeit werden neben Vertretern aus der lokalen Politik und Wirtschaft, Sport und Gesellschaft traditionell alle Ehrenbürger Hamburgs, alle ehemaligen ersten Bürgermeister sowie die in Hamburg ansässigen Konsuln samt Begleitung eingeladen. Das Fest wird jährlich für 400 bis 600 Gäste ausgetragen.[4]
Noch heute wird der „Hamburger Silberschatz“ zum Matthiae-Mahl geöffnet. Tafelaufsätze, Pokale und Schalen aus Silber, die von Senatoren und deren Familien sowie von Vertretern der Hamburg freundlich gesinnten Mächte gestiftet wurden, sind Teil des Tischschmucks. Zudem werden Geschenke der zahlreichen Ehrengäste ausgestellt. Besonders hervorzuheben ist der von König Edward VII. gestiftete „Holbein-Pokal“ aus dem Jahre 1904. Er ziert stets die Ehrentafel.
Generell wird die Matthiae-Mahlzeit von dem jahrhundertealten Protokoll der Freien und Hansestadt Hamburg dominiert. Insbesondere schreibt dieses seit 1538 vor, dass der Bürgermeister seine Ehrengäste stets oben auf der Senatstreppe empfängt, da historisch niemals ein Hamburger Bürgermeister einem auf dem Pferde angereisten Ehrengast die Steigbügel halten sollte.
Ehrengäste
Der Hamburger Bürgermeister bittet heute noch jedes Jahr mehrere Ehrengäste, darunter immer einen ausländischen Ehrengast am Mahl teilzunehmen. Die Ehrengäste tragen sich, wie es das Protokoll vorsieht, immer in das Goldene Buch der Stadt ein.
Im Jahr 1994 kam es zu einem Eklat: Festredner des Abends war der damalige estnische Präsident Lennart Meri. Als dieser in seiner Rede davon sprach, dass Russland die erneute Vorherrschaft im Osten anstrebe, verließ Wladimir Putin, damals Vizebürgermeister von Hamburgs Partnerstadt St. Petersburg, lautstark den Saal.[3] Nur einmal in der mehr als 429-jährigen Geschichte hat ein Ehrengast seine Teilnahme abgesagt: Italiens damaliger Ministerpräsident Romano Prodi blieb 2007 der Veranstaltung fern. Grund dafür war nicht, wie ursprünglich angenommen, die innenpolitische Krise in Italien, sondern seine Forderung, keine Presse für die Berichterstattung zuzulassen.[5] Seine Vertretung übernahm kurzfristig Italiens Botschafter in Berlin, Antonio Puri Purini.
Als Ehrengäste geladen waren unter anderem:
- 2020 Mircea Geoană (stellvertretender NATO-Generalsekretär in Vertretung für Jens Stoltenberg), Heiko Maas (Bundesaußenminister)
- 2019 Raimonds Vējonis (Präsident von Lettland), Frank-Walter Steinmeier (Bundespräsident)
- 2018 Jean-Claude Juncker (Präsident der EU-Kommission), Joschka Fischer (Bundesaußenminister aD)
- 2017 Justin Trudeau (Premierminister von Kanada), Sigmar Gabriel (Bundesminister des Auswärtigen)
- 2016 David Cameron (britischer Premierminister), Angela Merkel
- 2015 Bronisław Komorowski (Staatspräsident von Polen), Joachim Gauck (Bundespräsident)
- 2014 Helle Thorning-Schmidt (Ministerpräsidentin von Dänemark), Frank-Walter Steinmeier (Bundesminister für Auswärtiges)
- 2013: Jean-Marc Ayrault (Französischer Premierminister), Ulrich Wickert (Frankreich-Kenner, Buchautor und ehemaliger Nachrichtensprecher)
- 2012: José Manuel Barroso (EU-Kommissionspräsident), Jürgen Fitschen (Deutsche Bank-Vorstand)
- 2011: Lykke Friis (dänische Umweltministerin), Norbert Röttgen (Bundesumweltminister)
- 2010: László Sólyom (ungarischer Staatspräsident), Hans-Dietrich Genscher, Marianne Birthler
- 2009: Donald Tusk (polnischer Ministerpräsident), Angela Merkel
- 2008: Jakaya Kikwete (tansanischer Staatspräsident), Horst Köhler
- 2007: Antonio Puri Purini (italienischer Botschafter) als Vertretung für Romano Prodi (Italienischer Ministerpräsident), Wolfgang Huber
- 2006: Frederik und Mary (Kronprinzenpaar von Dänemark), Michael Frenzel
- 2005: Abdullah II. (König von Jordanien), Günter Blobel
- 2004: Wolfgang Schüssel (österreichischer Bundeskanzler), Peter Ruzicka
- 2003: Silvia (schwedische Königin), Steffi Graf
- 2002: Rudolf Schuster (slowakischer Staatspräsident), Heide Simonis
- 2001: Paavo Lipponen (finnischer Ministerpräsident), Gerhard Schröder
- 2000: Vaira Vīķe-Freiberga (lettische Staatspräsidentin), Hans Eichel
Weitere Ehrengäste in den vergangenen Jahrzehnten waren unter anderem Diana und Charles (Kronprinzenpaar des Vereinigten Königreichs).
Kosten
Die Gesamtkosten des Festbanketts belaufen sich jedes Jahr auf rund 100.000 Euro. Im Jahr 2013 teilte sich beispielsweise der Gesamtbetrag von 104.226,15 Euro auf in ca. 30.000 Euro für Speisen und Getränke, 6.500 Euro für Blumen, rund 40.000 Euro für Personalkosten und ca. 17.000 Euro für Sonstiges wie Fahrdienste und Übersetzer.[3]
Kritik
Der ehemalige Bürgermeister Ole von Beust kritisierte in einem Interview mit der Die Zeit 2012 die Sinnhaftigkeit des Mahls.[6] Während seiner Amtszeit hatte er in einem Gastbeitrag für die Welt das Mahl noch als „Werbung für unsere Stadt im besten Sinne“ bezeichnet.[3] Die Linke Hamburg kritisiert das Matthiae-Mahl als „Elitenspeisung“, die im krassen Gegensatz zu den Problemen der Stadt stehe.[7]
Literatur
- Eduard Meyer: Das Eimbecksche Haus in Hamburg. W. Maucke Söhne, Hamburg 1868, S. 40 ff. (uni-hamburg.de).
Einzelnachweise
- Das Mahl des Heiligen Matthias. FHH auf hamburg.de, abgerufen am 20. Januar 2019: „Seit 1356 feiern die Hamburger mit ihren Gästen das Matthiae-Mahl. Es ist damit das weltweit älteste heute noch begangene Festmahl. Eine historische Anordnung sieht vor, dass das Matthiae-Mahl nur stattfindet, „wenn die Zeitläufte es erlauben“. Nach 1724 wurde die Feier über 200 Jahre lang ausgesetzt, die Gründe für diese Pause sind jedoch nicht bekannt.“
- Dagmar Seifert: Im Juni 1350 landet der Tod an der Elbe. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Der Hamburger (Ausgabe 04). Der Hamburger Verlag-Die Stadtmedienmanufaktur GmbH, 2009, archiviert vom Original am 18. August 2017; abgerufen am 20. Januar 2019: „Im Februar 1356 feierte Hamburg zum ersten Mal das Matthiae-Mahl, ein Essen auf Ratskosten, das inzwischen zum ältesten noch begangenen Festmahl der Welt avancierte, denn es findet – von einer »kleinen«, kostenbedingten Pause zwischen 1724 und 1956 mal abgesehen – bis heute Jahr für Jahr statt.“ Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- Marc-Oliver Rehrmann: Ein Abendessen wie im Mittelalter. NDR, 11. Februar 2016, abgerufen am 19. Januar 2019.
- Matthiae-Mahl 2018: Auszug aus der Gästeliste, FHH auf hamburg.de, abgerufen am 20. Januar 2019
- Absage an Hamburgs Matthiae-Mahl: Prodi stellte Bedingungen - keine Presse!, Hamburger Abendblatt vom 23. Februar 2007, abgerufen 20. Januar 2019
- Matthiae-Mahl ist Völlerei der Selbstverliebten, Welt Online vom 22. Juni 2012, abgerufen am 20. Januar 2019
- Sabine Boeddinghaus: Matthiae-Mahl: Dekadente Eliten-Speisung. Linksfraktion Hamburg, 8. Februar 2016, abgerufen am 20. Januar 2019.
Weblinks
- Offizielle Website zur Matthiae-Mahlzeit, Zahlen und Fakten, Musikfolge, Menü (Veröffentlichung des Hamburger Senats)
- Blick hinter die Kulissen: Matthiae-Mahl 2018, Veröffentlichung des Hamburger Senats auf youtube