Robert Stewart, 2. Marquess of Londonderry
Robert Stewart, 2. Marquess of Londonderry (* 18. Juni 1769 in Dublin; † 12. August 1822 in London), war ein britischer Staatsmann. Von 1796 bis 1821 führte er den Höflichkeitstitel Viscount Castlereagh.
Leben
Stewart war der älteste Sohn des irischen Landbesitzers und Parlamentsabgeordneten Robert Stewart (später 1. Marquess of Londonderry) und dessen erster Frau Lady Sarah Frances Seymour, Tochter des 1. Marquess of Hertford, eines ehemaligen Lord Lieutenant of Ireland. Seine Mutter starb im Jahr nach seiner Geburt im Kindbett. Ein Halbbruder war Charles Vane, 3. Marquess of Londonderry.
Stewart besuchte die Royal School in Armagh und studierte anschließend am St John’s College der Universität Cambridge. 1790 zog er als Unabhängiger in das irische Parlament ein, doch trat er wenige Jahre später der Tory-Partei bei, weil er mit dieser 1795 ins britische Unterhaus einziehen konnte. Ein Jahr später erhielt er den Höflichkeitstitel Viscount Castlereagh, nachdem sein Vater in der Peerage of Ireland zum Earl of Londonderry erhoben worden war. Er trat 1793 in die von Thomas Conolly geführte Miliz ein und heiratete 1794 dessen Nichte Lady Amelia Anne Hobart, Tochter des 2. Earl of Buckinghamshire. Die Ehe blieb kinderlos.
Nach der Ernennung seines Onkels, des 2. Earl of Camden (Bruder der zweiten Frau seines Vaters), zum Lord Lieutenant of Ireland diente Castlereagh diesem als Berater und fungierte praktisch als Vertreter des häufig abwesenden Chief Secretary for Ireland. Er übernahm diesen Posten schließlich 1798 unter Charles Cornwallis, 1. Marquess Cornwallis und spielte eine wichtige Rolle bei der Unterdrückung der Irischen Rebellion dieses Jahres.
Im folgenden Jahr unterstützte er den Versuch des Premierministers William Pitt d. J., Irland und Großbritannien in einem Königreich zu vereinen. Castlereagh, der immer noch im irischen Parlament saß, verhalf dem von Pitt entworfenen Act of Union im zweiten Anlauf 1800 zur nötigen Mehrheit. Nach dem Inkrafttreten des Acts of Union trat er am 1. Januar 1801 zurück, da er mit dem politischen Kurs von König Georg III. nicht zufrieden war. Der König stellte sich vehement gegen den Catholic Emancipation Act, dem Gesetz zur Katholikenemanzipation im protestantisch-anglikanischen Königreich. Pitt und Castlereagh hatten den irischen Katholiken zugesagt, dass diese im zukünftigen vereinigten Parlament vertreten sein würden, um deren Zustimmung zum Act of Union zu erreichen. Sie konnten sich jedoch nicht gegen den König durchsetzen, der sich auf seinen Krönungseid berief, und traten folglich zurück.
Ab 1801 bis zu seinem Tod 1822 war Castlereagh Mitglied des Unterhauses im nunmehrigen Parlament des Vereinigten Königreichs. 1802 trat er als Präsident des Board of Control in die Regierung Addington ein. Nach der Rückkehr Pitts an die Regierung übernahm er 1805 zusätzlich für ein knappes Jahr das Amt des Kriegs- und Kolonialministers (Secretary of State for War and the Colonies). An der nach Pitts Tod Anfang 1806 gebildeten Regierung aller Talente beteiligte er sich nicht. Unter dem Herzog von Portland amtierte er von 1807 bis 1809 erneut als Kriegs- und Kolonialminister und war so maßgeblich an der Planung der britischen Feldzüge gegen Kaiser Napoleon Bonaparte beteiligt. Nach einem durch den desaströsen Verlauf der Walcheren-Expedition ausgelösten Duell Castlereaghs mit Außenminister George Canning 1809 mussten beide aus ihren Ministerämtern ausscheiden.
Nach dem Rücktritt des Marquess Wellesley im Februar 1812 übernahm Castlereagh dessen Amt als Außenminister in der Regierung Spencer Percevals. Als dieser wenig später ermordet wurde, wurde Castlereagh auch Fraktionsführer der Tories im Unterhaus (Leader of the House of Commons). Beide Ämter behielt er unter der Regierung von Lord Liverpool bis zu seinem Tod 1822 und übernahm somit eine führende Rolle in der britischen Politik während der entscheidenden Phase der Koalitionskriege und bei der Gestaltung der Nachkriegsordnung.
Als Außenminister war es ihm zu verdanken, dass er die Allianz während der entscheidenden Phase des Krieges 1813 und 1814 zusammenhielt. Auf dem Wiener Kongress vertrat er ebenfalls sein Land, wurde aber im Februar 1815 nach England zurückgerufen und durch Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington als Hauptbevollmächtigter abgelöst. Dennoch erreichte er, dass das Mächtegleichgewicht und die Pentarchie in Europa wiederhergestellt wurde. Auf dem Aachener Kongress von 1818 zeigte Castlereagh zum letzten Male sein enormes politisches Geschick, als er es verstand, den Versuchen des russischen Zaren Alexander I. zu widerstehen, Großbritannien in die Heilige Allianz einzubinden.
Trotz seiner diplomatischen Erfolge beim Volk unbeliebt, sank Stewarts politischer Einfluss schließlich. Als Sprecher des Unterhauses war es seine Aufgabe, unpopuläre Maßnahmen der Regierung zu verteidigen. Während einer Audienz bei Georg IV. am 9. August 1822 überraschte er den König mit der Aussage, man beschuldige ihn „des gleichen Verbrechens wie den Bischof von Clogher“ – dieser war in einem Pub mit einem jungen Mann und heruntergelassener Hose erwischt worden. Am 12. August 1822 schnitt sich Castlereagh sich mit einem Brieföffner die Kehle durch.
Castlereagh hatte nach dem Tod seines Vaters 1821 dessen Titel als 2. Marquess of Londonderry geerbt, war aber nicht wie dieser als irischer Representative Peer ins House of Lords gewählt worden. Der Titel ging nach Castlereaghs Tod an seinen jüngeren Halbbruder Charles über, der von 1807 bis 1809 unter ihm als Unterstaatssekretär gedient hatte und später Botschafter in Wien wurde.
Literatur
- John Bew: Castlereagh: A Life. Oxford University Press, Oxford 2012, ISBN 978-0-19-993159-0.
- Douglas Hurd: Choose your Weapons: The British Foreign Secretary. Weidenfeld & Nicolson, London 2010. ISBN 978-0-297-85334-3. (Kapitel Castlereagh and Canning, S. 1-68).
- Roland Thorne: ‘Stewart, Robert, Viscount Castlereagh and second marquess of Londonderry (1769–1822)’. In: Henry Colin Gray Matthew, Brian Harrison (Hrsg.): Oxford Dictionary of National Biography, from the earliest times to the year 2000 (ODNB). Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 0-19-861411-X, (oxforddnb.com Lizenz erforderlich), Stand: Mai 2009
- John Andrew Hamilton: Stewart, Robert (1769–1822). In: Sidney Lee (Hrsg.): Dictionary of National Biography. Band 54: Stanhope – Stovin. MacMillan & Co, Smith, Elder & Co., New York City / London 1898, S. 346–358 (englisch, Volltext [Wikisource]).
- Londonderry, Robert Stewart, 2nd Marquess of. In: Encyclopædia Britannica. 11. Auflage. Band 16: L – Lord Advocate. London 1911, S. 969 (englisch, Volltext [Wikisource]).
Weblinks
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