Markus Nierth
Markus Nierth (* 9. Februar 1969 in Eisleben)[1] ist ein deutscher evangelischer Theologe, Trauerredner und Ortschaftsrat, der im Zusammenhang mit den Konflikten um eine Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz überregionale Bekanntheit erlangte.
Leben
Nierth wuchs von 1969 bis 1980 in Schraplau und von 1980 bis 1986 in Weißenfels auf. Sein Vater, Wolfram Nierth, war Pfarrer und Superintendent und 1976 Hauptinitiator des Querfurter Papiers. Als 16-Jähriger siedelte er mit seinen Eltern aus der DDR nach Hofheim am Taunus über und studierte nach dem Abitur 1989 evangelische Theologie an der Lutherischen Theologischen Hochschule Oberursel und an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Er wollte Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau werden. Von 1997 bis 1999 absolvierte er in Rimbach (Odenwald) sein Vikariat. Wegen schlechter Chancen auf eine Pfarrstelle ging er 1999 nach Tröglitz in Sachsen-Anhalt, um dort in der ehemaligen DDR mit Spenden evangelische Gemeinden aufzubauen. Seinen Unterhalt erwarb er als freiberuflicher Trauerredner.[2] Nierth ist seit 2009 in zweiter Ehe verheiratet.
Er war von 2009 bis 2015 ehrenamtlicher Bürgermeister von Tröglitz. Im März 2015 legte er sein Amt nieder, als eine von der NPD organisierte Demonstration an seinem Haus vorbeiziehen sollte und er die Sicherheit seiner Familie nicht mehr gewährleistet sah, weil die Versammlungsbehörde keine Auflagen zur Demonstrationsroute machen wollte. Trotz offen geäußerter Bedenken setzte sich Nierth für die Unterbringung von Flüchtlingen in Tröglitz ein, stellte nach dem Brand der vorgesehenen Asylunterkunft am 4. April 2015 privaten Wohnraum zur Verfügung und widersetzte sich damit fremdenfeindlichen Bürgern und NPD-Aktivisten.[3]
Politik und Rücktritt
Der von der CDU für das Amt nominierte parteilose Theologe Markus Nierth war fünfeinhalb Jahre Bürgermeister und hatte sich offen für die Unterbringung von 40 Flüchtlingen in Tröglitz eingesetzt. Daraufhin betrieben fremdenfeindliche Tröglitzer Bürger, NPD-Mitglieder (NPD Kreis Burgenland) sowie diesen nahestehende Kreise ab Januar 2015 jeden Sonntag Protestmärsche durch die Ortschaft. Angemeldet wurden die „Sonntagsspaziergänge“ von NPD-Kreisrat Steffen Thiel (* 1976)[4]. Nierth lud daraufhin zum sonntäglichen Friedensgebet in seine Kirche ein, um ein Zeichen für Weltoffenheit in Tröglitz zu setzen. Als bei der zehnten fremdenfeindlichen Demonstration die Endkundgebung des Marsches nach NPD-Plänen vor dem Privathaus von Markus Nierth abgehalten werden sollte und er nur sehr wenig Rückenstärkung aus der Bürgerschaft erhielt und auch von Seiten des Burgenlandkreises keinen ausreichenden Rückhalt verspürte, sah er sich außerstande, das Amt weiterzuführen.[4][5][6] Nierth sah sich sowohl vom Landkreis (Landrat Götz Ulrich) und von den Parteien als auch von der Nachbarschaft alleingelassen. Der dpa sagte er: „Meine Frau und ich wurden zur persönlichen Zielscheibe.“ Dennoch betonte Nierth immer wieder, Tröglitz sei kein radikaler Ort, jedoch fehlten die Sozialstrukturen. Dass im Ort 40 Asylbewerber untergebracht werden sollten, hätte anders vorbereitet werden müssen.[7]
Der Kreistag bekräftigte im März das Vorhaben und sprach sich mehrheitlich für die Aufnahme von Asylbewerbern in Tröglitz aus. Landrat Götz Ulrich sah darin ein „Signal“, dass man nicht einknicke vor Demonstrationen, die von der NPD organisiert würden. Inzwischen sind vier Familien in Tröglitzer Privatwohnungen untergebracht. Mit seiner Familie betreut Markus Nierth als Pate drei afghanische Familien und wird weiter für sein Engagement angefeindet.[8][9] Seine Erlebnisse hat er gemeinsam mit Juliane Streich in dem Buch verarbeitet: Brandgefährlich - Wie das Schweigen der Mitte die Rechten stark macht. Erfahrungen eines zurückgetretenen Ortsbürgermeisters, Chr. Links Verlag, Berlin 2016.
Reaktionen
Der Fall aus dem kleinen Ort in Sachsen-Anhalt zog bundesweite Aufmerksamkeit auf sich. SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi sagte, der Fall von Bürgermeister Markus Nierth bewege sie und sie verstehe die Sorge, die er sich um seine Familie mache. Fahimi: „Und ich verstehe die Verzweiflung, die Nierth angesichts der Untätigkeit der Behörden verspürt hat, die offenbar zu wenig getan haben gegen die rechtsextremistischen Umtriebe in dem Ort.“ Weiter sagte sie, es könne nicht angehen, dass jemand zurücktreten müsse, weil er sich für Minderheiten engagiere und sich Neonazis in den Weg gestellt habe.[7] Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) bedauerte Nierths Rücktritt als Ortsbürgermeister.[10]
Am 22. April 2017 wurden Susanna und Markus Nierth vom Bund der Lutherstädte mit dem Preis „Das unerschrockene Wort“ ausgezeichnet.[11]
Werk
- Markus Nierth, Juliane Streich: Brandgefährlich: Wie das Schweigen der Mitte die Rechten stark macht – Erfahrungen eines zurückgetretenen Ortsbürgermeisters, Ch. Links Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-86153-909-4.
Weblinks
- Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz: Rücktritt von Bürgermeister Markus Nierth, auf YouTube veröffentlicht am 10. März 2015
- DasErste: Video: Bürgermeister-Rücktritt wegen Neo-Nazis (Memento vom 12. März 2015 im Internet Archive), vom 10. März 2015 (verfügbar bis 9. März 2016)
- Tröglitz: Die große Mehrheit ist still, Interview mit Markus Nierth, in: Die Zeit Online, 11. März 2015
Einzelnachweise
- Wahlvorschläge (Memento vom 2. April 2015 im Internet Archive) der Ortschaft Tröglitz zur Ortschaftsratswahl am 25. Mai 2014 (PDF-Dokument)
- Nierth bei Südwestpresse (nach epd) vom 21. März 2015
- Tröglitz: Die große Mehrheit ist still, Artikel auf Zeit.de vom 11. März 2015
- Nach Anfeindungen durch Rechtsextreme - Ortsbürgermeister von Tröglitz tritt zurück (Memento vom 12. März 2015 im Internet Archive), MDR Sachsen-Anhalt, 9. März 2015
- Bürgermeister tritt wegen NPD-Demo zurück, sueddeutsche.de, 9. März 2015
- Rücktritt wegen NPD-Demo: "Ich wurde als Bürgermeister geopfert", Spiegel Online, 9. März 2015
- Politiker empört nach Bürgermeister-Rücktritt (Memento vom 10. März 2015 im Internet Archive), auf tagesschau.de vom 10. März 2015
- MDR SACHSEN-ANHALT HEUTE vom 2. Oktober 2015 (Memento des Originals vom 11. Oktober 2015 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (ab 3.23 min)
- Thomas Gerlach: Alltagsrassismus in Tröglitz: Teilen macht reich. In: taz.de. 3. März 2016, abgerufen am 11. März 2016.
- Mitteldeutsche Zeitung vom 9. März 2015: "Stahlknecht hat Angst vor Nachahmern"
- Auszeichnung für Tröglitzer Ehepaar Nierth: „Das Leben einer ganzen Familie ist verändert“. In: mdr.de. 22. April 2017, archiviert vom Original am 10. Juli 2017; abgerufen am 25. Mai 2017.