Marcus Tatius

Marcus Tatius, a​uch (Marcus) Tatius Alpinus, vermutlich Marcus Tach (?) (* u​m 1509 i​n Zernez; † 12. Juli 1562 i​n Freising), w​ar ein Schweizer Humanist, Übersetzer u​nd Poet. 1541 w​urde er z​um Poeta laureatus gekrönt.

Leben

Marcus Tatius entstammte einer armen Familie im Engadin, Kanton Graubünden. Wohl über seinen Vater, der niederer Kirchendiener im Zernez war, gelangte er an die Domschule zu Chur.[1] Auf Empfehlung des Bischofs von Chur Paul Ziegler kam Marcus Tatius Ende der 1520er-Jahre als Schüler zu Wolfgang Anemoecius (Wolfgang Winthauser) nach St. Peter in München. Seinen Lebensunterhalt bestritt er zunächst durch Musizieren und Betteln, um dann Münchner Bürgersöhne zu unterrichten.[1] 1532 wurde er Erzieher in Augsburg im Haus von Raymund Fugger. In diese Zeit fiel auch sein Erstlingswerk Progymnasmata. Nach Raymunds 1535 übernahm er eine Anstellung bei Hieronymus Fugger.

1539/1540 w​urde er Professor für Poesie i​n Ingolstadt. 1540 f​iel Tatius a​us unbekannten Gründen i​n Ungnade u​nd musste vorübergehend n​ach Straßburg ausweichen.[2] 1541 w​urde er i​hm die Dichterkrone verliehen. Er w​ar damit n​ach Konrad Celtis (1487) u​nd Jakob Locher (1497) d​er dritter Poeta laureatus, d​er an d​er Universität Ingolstadt lehrte. Nach d​er Promotion z​um Doktor beider Rechte 1548/1550 k​am er a​ls Assessor a​n das Reichskammergericht i​n Speyer. 1559 w​urde er Kanzler d​es Bistums Freising (heute Erzbistum München u​nd Freising). Marcus Tatius s​tarb 1562 i​n Freising. Er w​urde vermutlich i​n der dortigen Johanniskirche beigesetzt.[1]

Werke

Marcus Tatius verfasste lateinische Gelegenheitsdichtungen u​nd übersetzte lateinische Werke d​er Spätantike u​nd der Renaissance i​ns Deutsche.

  • Progymnasmata. Heinrich Steyner, Augsburg 1533.
  • Warhafftige Hiſtori vnd beſchreybung / von dem Troianiſchen krieg vnd zerſtörung der Stat Troie / Durch die hochgeachten Geſchichtſchreiber / Dictyn Cretenſem / vñ Darem Phrygium / Erſtlich in Griechiſcher ſprach beſchribē / darnach Latein / vñ yetzund newlich durch Marcum Tatium &c. Auß dē Latein ins Teütſch verwandelt / vormals nie geſehen / mit durchauß ſchoenen figuren gezieret. Heinrich Steyner, Augsburg 1536.
  • Polydorvs Vergilivs Vrbinas: Von den erfyndern der dyngen. [=De inventoribus rerum] Wie vnd durch woelche / alle ding / Nämlichen / alle Künſten / Handtwer(ck) / Auch all andere Haendel / Geyſtliche vnd Weltliche ſachen / Als Policeyen / Religiones / Orden / Ceremonien / vnnd anders &c. betreffende / von dem mayſten / biß auff das mynnſte / nichts außgelaſſen / Von anfang der Welt her / biß auff diſe vnſere zeit / geuebt vñ gepraucht / Durch Polydorum Vergilium / von Vrbin / in Acht buecheren / aygentlich im Latein beſchriben / vnd jetund newlich durch Marcum Tatium Alpinū / grüntlich / vñ aufs fleiſſigſt jñs Teütſch tranſferiert vñ gepracht / mit ſchoenen figuren durchauß gezyeret / jedem Menſchen nutzlich vnd kurtzweylig zů leſen. Heinrich Steyner, Augsburg 1537 (Digitalisat).
  • Ad Ferdinandvm Caesarem Semper Avgvstvm, Carmen. Rihel, Strassburg 1540.
  • Nobilissimi Ornatissimiqve Ivvenis Ac Domini D. Osualdi ab Ecche [vermutl. Oswald von Eck, Sohn von Leonhard von Eck] in Volphs Ecche, et Rhand Ecche. &c. Et Annae à Binzenaue […] Virginis Epithalamion / M. Tatio Alpino Poeta Imperatorio authore. Ottmar, Augsburg 1544.

Literatur

  • Gerhart Sieveking: Die drei Engadiner Humanisten Gian Travers, Marcus Tatius Alpinus und Simon Lemnius. In: Bündner Monatsblatt: Zeitschrift für bündnerische Geschichte, Landes- und Volkskunde, 1946, Heft 7–8, S. 193–237 (Digitalisat).
  • Petra Fochler: Fiktion als Historie. Der Trojanische Krieg in der deutschen Literatur des 16. Jahrhunderts. Diss. Würzburg 1989. Wiesbaden 1990, S. 16–31 (=Wissensliteratur im Mittelalter. Schriften des SFB 226 Würzburg/Eichstätt, 4).
  • Lothar Mundt: Szenen aus dem Münchner Humanistenleben. Zwei Gedichte des Marcus Tatius Alpinus. In: Der Buchstab tödt – der Geist macht lebendig. Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans-Gert Roloff. Hrsg. von James Hardin und Jörg Jungmayr. Band 2. Bern / Berlin / Frankfurt a. M. 1992, S. 1085–1116.
  • Gerhard Sieveking: Die drei Engadiner Humanisten Gian Travers, Marcus Tatius Alpinus und Simon Lemnius. In: Bündnerisches Monatsblatt, 1946, S. 193–237.
  • Gerd Treffer: Der Ingolstädter Poeten-Professor. Marcus Tatius Alpinus: Dichterfürst und seine Freunde von der Humanistenschule Sankt Peter.
    • Teil 1. In: Historische Blätter, 2013, Ausgabe 26; Digitalisat (PDF; 513 kB).
    • Teil 2. In: Historische Blätter, 2013, Ausgabe 27; Digitalisat (PDF; 4,8 MB).
    • Teil 3. In: Historische Blätter, 2013, Ausgabe 28; Digitalisat (PDF; 458 kB).
    • Teil 4. In: Historische Blätter, 2013, Ausgabe 29; Digitalisat (PDF; 547 kB).
  • Georg Westermayer: Tatius, Marcus. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 37, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 415.

Einzelnachweise

  1. Gerd Treffer: Der Ingolstädter Poeten-Professor. Marcus Tatius Alpinus: Dichterfürst und seine Freunde von der Humanistenschule Sankt Peter. Teil 1. In: Historische Blätter, 2013, Ausgabe 26; Digitalisat (PDF; 513 kB).
  2. Gerd Treffer: Der Ingolstädter Poeten-Professor. Marcus Tatius Alpinus: Dichterfürst und seine Freunde von der Humanistenschule Sankt Peter. Teil 3. In: Historische Blätter, 2013, Ausgabe 28; Digitalisat (PDF; 458 kB)
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