Maastrichter Platt

Das Maastrichter Platt (Eigenbezeichnung: Mestreechs, niederländisch Maastrichts) i​st jener Dialekt d​es Limburgischen, d​er in d​er niederländischen Stadt Maastricht gesprochen wird. Er g​ilt als e​in noch s​ehr lebendiger Dialekt, d​er sich allerdings d​urch einen verhältnismäßig großen Einfluss d​es Französischen v​on anderen limburgischen Dialekten unterscheidet.

Verbreitung

Mit Maastrichtsch w​ird ausschließlich d​er Dialekt d​er Stadt Maastricht, n​icht aber d​ie Dialekte d​es Umlandes, bezeichnet. Die Gemeinde Maastricht gemeindete 1970 v​ier anliegende Gemeinden – Itteren, Borgharen, Amby u​nd Heer ein, i​n denen s​ich zwar v​iele Maastrichter angesiedelt haben, a​ber in d​enen andere Dialekte heimisch sind. Was i​m Folgenden für d​as Maastrichtsche gesagt wird, g​ilt also n​icht automatisch für d​ie Dialekte dieser v​ier Dörfer.

Spezifische Eigenheiten des Maastrichtsch

Schließlich g​ibt es a​uch noch Merkmale, d​ie nur i​n Maastricht u​nd manchmal seiner direkten Umgebung vorkommen. Sie gelten o​ft bei Sprechern anderer Dialekte a​ls "typisch Maastrichtsch".

  • Das lange ae [εː], sehr häufig in anderen limburgischen Dialekten, wird immer zu ee [e:]. Das Wort gere "gerne" trifft man sogar nur in Maastricht an. Das lässt sich aus niederländischem Einfluss erklären.
  • -Sj/-sch [ʃ] in Auslaut kommt nur in Fremdwörtern vor, während es in anderen Dialekten so häufig wie im Deutschen auftritt. Maastrichtsch vès "Fisch" steht vèsj und vösj aus der Umgebung gegenüber. Auch dies muss aus nördlichem Einfluss erklärt werden. Übrigens kennen auch viele nordlimburgische Dialekte das -sj im Auslaut nicht; in Süd-Limburg fällt Maastricht jedoch als Enklave auf.
  • Die Kombination awt/awd wurde zu aajt [aːjt], z. B. aajd "alt", zaajt "Salz". Diese Kombination hat im limburgischen Sprachgebiet zahllose Varianten (neben aajd findet sich ald, aad, awd, oud und aod); diese Variante kommt aber nicht anderswo vor.
  • Vokale werden oft besonders langgezogen. Dies fällt vor allem auf beim Soziolekt der autochthonen Unterklasse, tritt aber bei allen Sprechern in gewissem Maße auf. Vergleiche maan [maːn] "Mann" (anderswo man [mɑn]) keend [keː/nt] "Kind" (anderswo kind [kı/nt] kèndj [kɛɲtj]) und hoond [hoː/nt] "Hund" (anderswo hónd(j) [hont], [hoɲtj]).

Unterschiede zu den anderen Dialekten

Innerhalb des Limburgischen gibt es große dialektale Unterschiede. Maastricht liegt in der Nähe einiger wichtiger Isoglossen (Sprachgrenzen), wodurch andere limburgische Dialekte, die nicht weit von Maastricht gesprochen werden, stark vom Maastrichtschen abweichen können. Die folgenden Merkmale werden nicht durch alle Dialekte in der Nähe geteilt:

  • Maastricht liegt genau westlich der Panninger Linie. Diese Isoglosse läuft quer durch Limburg und trennt das Gebiet, in dem man slecht sagt (nördlich und westlich), vom Gebiet, in dem schlecht gesagt wird. Sie ist also die Grenze zwischen dem schmalen und dem breiten Zischlaut ([s] bzw. [ʃ]). Seit der Nachkriegszeit läuft diese Isoglosse durch die Stadtbebauung von Maastricht: in den östlichen Stadtteilen Amby und Heer hört man schon sjlech [ʃlæç].
  • Maastricht liegt östlich der ii/äi- und uu/öi-Linien. Man kennt hier noch ies [iː/s] "Eis" für ndl. ijs [ɛis] und hoes [huː/s] "Haus" für ndl. huis [høys]. Die diphthongierte Aussprache dringt in manchen Wörtern aber schon hervor, während das nördlich und östlich von Maastricht nicht der Fall ist. So kennt man hier bij [bɛi] ("bei" oder "Biene", je nach Ton) statt bie. Und während "Zeit" noch monophthongisch tied [tiː/t] ist, lautet der Plural dieses Wortes tije [tɛiə].
  • Die mittelniederländischen Diphthonge ie und oe werden als ie [iː] und oe [uː] realisiert. Danach heißt "rot" roed [ʁuːt], im Gegensatz zum Meerssener rwad [ʁwɑt] und Valkenburger road [ʁoɑt].
  • -Rs im Auslaut ist erhalten geblieben. Östlich von Maastricht wurde die Kombination -rs im Auslaut zu -(r)sj [ʁʃ].

Übereinstimmungen

Jedoch h​at der Dialekt überwiegend Merkmale, d​ie er m​it den meisten anderen limburgischen Dialekten teilt[1]:

  • Maastricht liegt nordwestlich der Benrather Linie, aber noch südöstlich der Uerdinger Linie. Das heißt, dass man hier iech maak statt des niederfränkischen ik maak oder dem ripuarischen ich mach(e) hört. Diese Kombination halten viele Sprachwissenschaftler für das wichtigste Kriterium dafür, ob ein Dialekt Limburgisch ist oder nicht.
  • Im Maastrichtschen kann eine lange Silbe auf zwei Weisen betont werden: mit einem Schleifton (steigend und dann fallend) oder mit einem Stoßton (fallend). Da diese Töne gelegentlich bedeutungsunterscheidend sind, spricht man von einer Tonsprache. Südlich von Maastricht, um Eijsden und Riemst, gibt es eine "tonlose" Enklave, in der man zwar die zwei Töne kennt, aber sie nicht (mehr) Bedeutungsunterscheidend benutzt werden[2].
  • Das Maastrichtsche kennt, anders als das Hochniederländische, den Umlaut in Diminutiven (Verkleinerungsformen), bei Mehrzahlformen männlicher Wörter und in der Konjugation starker Verben.
  • Es werden, im Gegensatz zum Holländischen und deutlicher als im Brabantischen, noch drei grammatische Geschlechter unterschieden.
  • Wörter, die ursprünglich im Singular einen kurzen Vokal hatten und im Plural einen langen, haben im Maastrichtschen sowohl im Singular als auch im Plural einen langen Vokal: daak - daker "Dach - Dächer" gegenüber niederländisch (ndl.) dak - daken.
  • Das Wort Du ist erhalten geblieben, während es im Niederländischen durch jij, einen Kognat von ihr, ersetzt worden ist.
  • Die urgermanischen Vokale ê und ô sind hier nicht zu ie [i(:)] und u [u(:)] geworden: limburgisch beer [beːʁ] gegenüber deutsch und ndl. bier ([biɑ] bzw. [biːr] oder [biːɹ]).
  • Urgermanisches sk- in Anlaut wird, wie im Deutschen, zu [∫] und nicht zu [sx].
  • Das T wird am Wortende elidiert (weggelassen) nach den Konsonanten b, ch, d, f, g, k, p und s. Nach m und ng wird es assimiliert zu -p bzw. -k.
  • Das W wird bilabial (mit beiden Lippen), nicht labiodental, ausgesprochen.
  • Das R ist ein uvularer Approximant [ʁ] nach französischem Modell, im Gegensatz zum im Niederländischen üblichen alveolaren Vibranten [r] oder alveolaren Approximanten [ɹ].

Lautinventar

Das Maastrichtsche hat, w​ie die anderen limburgischen Dialekte, e​in großes Lautinventar m​it vor a​llem viel Vokalen d​ie im Niederländischen unbekannt sind. Darum k​ennt die Rechtschreibung dieses Dialekts v​iele diakritische Zeichen, d​ie im Niederländischen i​n der Regel n​icht bzw. n​ur in Fremdwörtern vorkommen.

Monophthonge

ZeichenIPAmaastrichter Beispieldeutsches BeispielBemerkung
a[ɑ]kat ("Katze")--wie im Ndl. ein hintener Vokal
aa[aː]maan ("Mann")Hahnoft länger
ao[ɒː]maon ("Mond")--
äö[œː]häöm ("ihm", "ihn")cœur (fr.)häufig als Umlaut von ao
e[æ] ([ɛ])werk ("Arbeit")man (engl.)offener als dt. e
e[ə]de (der/die)FahneSchwa
è[ɛ]wèrke ("arbeiten")Herretwas geschlossener
ee[eː]wee ("wer")Seeohne Nachschlag
eu[øː]leus ([du/er] "liest")böseohne Nachschlag
i[ɪ]hin ("Henne")Kinn
ie[i]diech ("du", "dir", "dich")ichkurz!
ie[iː]zie ("Meer")sie
o[ɔ]lot ("Loß")--relativ geöffnet
ó[o]lótsj ("Lutsch")tollrelativ geschlossen, u-artig
ö[œ]dörp ("Dorf")œuf (fr.)relativ geöffnet
oe[uː]hoes ("Haus")Hure
oo[oː]hoond ("Hund")Mondohne Nachschlag
u[ʏ]un ("Zwiebel")--etwa norddt. ü
uu[yː]vuur ("Feuer")Hühn

Diphthonge

Echte u​nd falsche.

ZeichenIPAmaastrichter Beispieldeutsches BeispielBemerkung
aaj[aːi]aajd ("alt")--häufig im Maastrichtschen
aoj[ɒːi]slaoj ("Salat")--
äöj[œːi]dräöj ("Fäden")--nicht sehr häufig
aj[ɑi]ajdste ("älteste(r)")feinnicht frequent
au[ɑu]autoAutooft enger als im Dt.
aw[ɑw]klaw ("Klau")--kons. W ist deutlich zu hören
ei, ij[ɛ(ː)ɪ]ei ("Ei")--manchmal [ɛː]
ej[æj]hej ("hätte")--
ew[æw]klewke ("Kläuchen")--selten
iew[iːw]kiew ("Kieme")--nicht sehr häufig
oj[ɔi]trojt ([er] "heiratet")neu
ooj[oːj]snooj ("schnitt")--
ou[ɔu]douf ("taub")--relativ eng
ui[øi]buimke ("Bäumchen")--nicht sehr häufig, vor allem
als Umlaut von ou

Konsonanten

ZeichenIPAmaastrichter Beispieldeutsches BeispielBemerkung
b[b]broorBruder
ch[x], [ç]ouchauchwie dt. Ich-Laut, nie wie im Ndl.
d[d]daakDacham Wortende [t], wie im Dt.
f[f]fienfein
g[ɣ], [ʝ]good ("gut")--etwa wie ch, aber stimmhaft am Anfang einer Silbe
gk[g]lègkelegenkommt nur im Inlaut vor
h[h]heihier
j[j]jaja
k[k]klaorklarnie aspiriert!
l[l]leefliebdickes l, ähnlich wie im Ndl.
m[m]miewMöwe
n[n]nuineu
ng[ŋ]ingeng
p[p]priesPreisnie aspiriert!
r[ʁ]roondrundnie gerollt
s[s]asAchseimmer stimmlos
sj[ʃ]sjeepSchiff
t[t]tied ("Zeit")trinkennie aspiriert!
v[v]veer ("vier")Sklavestimmhaft
w[w]wien ("Wein")--bilabial
z[z]zie ("Meer")Seeein Laut, stimmhaft


Einzelnachweise

  1. Auf dieser Karte ist dargestellt, dass Maastricht die wichtigsten Merkmale der limburgischen Gruppe teilt
  2. Cajot 2001
  • Kengkee.nl - Webseite für die Maastrichter Sprache und Kultur (einsprachig Maastrichtsch)
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