München-Dachauer Papierfabriken
Die München-Dachauer Papierfabriken Aktiengesellschaft (AG) waren ein Unternehmen mit mehreren Papierfabrikationsstätten in der Umgebung von München, vornehmlich in Dachau und München, welches am 12. November 1862 gegründet wurde.
München-Dachauer Papierfabriken AG | |
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Rechtsform | Aktiengesellschaft |
Gründung | 12. November 1862 |
Auflösung | 1996 |
Auflösungsgrund | Übernahme durch Myllykoski |
Sitz | Dachau, Deutschland |
Branche | Papierproduktion |
Unternehmensgeschichte
Paun'sche Papiermühle Dachau
Der Papierfabrikant Ulrich Kurz aus Mehring kaufte 1840 das Anwesen des Kistler und Fourniersägebesitzers Willibald Ruf am Fuße des Schlossberges Dachau an der heutigen Brunngartenstraße Dachau. Hierzu beantragte der Käufer vom Markt Dachau, ihm ebenfalls das östlicherseits hiervon gelegene Grundstück zu überlassen.[1] Weiterhin ersuchte er den Magistrat, eine Genehmigung zum Betrieb einer Papiermühle zu bekommen. Nachdem die Genehmigung durch den Magistrat vorlag, überließ er das Anwesen seinem Gewerbsgenossen Johann Paun, wodurch die Paun'sche Papiermühle (heute Gewerbehof Brunngartenstraße in Dachau) entstand.
Der königliche Ingenieur-Oberleutnant Gustav Medicus übernahm 1859 die Paun'schne Papiermühle und baute sie in den Jahren 1859 bis 1861 vollständig um. Mit Entscheid der königlichen Regierung von Oberbayern vom 11. Juli 1859 erhielt er ebenfalls die Wassernutzungsrechte für den Betrieb der Papiermühle notwendigen Wasserkraft am Dachauer Brunnenkanal (heutiger Mühlbach).[2] Zur Erweiterung der Paun'schen Papiermühle erhielt Medicus am 21. März 1860 die Baugenehmigung und den Gemeindegrund, der für die Erweiterung notwendig war.[3] Nach Fertigstellung der Papierfabrik brach jedoch ein Brand aus, bei dem der Schaden jedoch eingegrenzt werden konnte.[4]
Auer Papiermühle München
Bereits am 1. Januar 1851 erwarb Gustav Medicus ebenfalls die Auer Papiermühle am Auermühlbach in München. Diese war bereits am 27. Mai 1841 von Karl Ritter von Stegmaier an den Hofbuchdruckereibesitzer Josef Rösl, welcher jedoch bereits am 23. Februar 1849 verstarb, und seine Frau Antonie Rösl veräußert worden. Gustav Medicus machte aus der Auer Papiermühle nach und nach eine Papierfabrik mit mechanischen Antrieb.
Gustav Medicus verfolgte sein großes Ziel, eine Produktion für Maschinenpapiere großen Stils im Münchener Raum ins Leben zu rufen. Dies brachte ihm schon frühzeitig die Kritik der "Augsburger Neuesten Nachrichten" aus der führenden Drucker- und Tuchmacherstadt Augsburg ein, welche in einem Artikel vom 16. Juli 1862 bereits die Rentabilität des Projektes in Frage stellten.[5]
Gründung München-Dachauer Aktiengesellschaft für Maschinen-Papierfabrikation
König Maximilian II. von Bayern erteilte am 29. September 1862 die Betriebserlaubnis für die Rösl'sche Papierfabrik zu München und Dachau unter dem Namen München-Dachauer-Aktiengesellschaft für Maschinen-Papierfabrikation mit Sitz in München vorläufig für die Dauer von 50 Jahren. Am 23. Oktober 1862 fand im Börsenlokal Kaufingerstraße 9 in München die erste Generalversammlung der Aktiengesellschaft statt, auf welcher von der Versammlung der königliche Advokat Dr. Henle zum Vorsitzenden der Generalversammlung und Gustav Medicus zum ersten Vorstand der Aktiengesellschaft bestellt wurde. Bis jedoch alle Genehmigungen und Einzahlungen der gezeichneten Aktienbeträge vorlagen, verging noch einige Zeit, sodass die offizielle Gründung erst am 12. November 1862 erfolgen konnte.[6] Im Jahre 1864 wurde Louis Weinmann zum ersten Vorstand der Aktiengesellschaft berufen.
Kauf Kegelhof-Fabrik
Nach der ersten Betriebserweiterung der Aktiengesellschaft durch Kauf der Fabrik am Kegelhof in der Au in München erfuhr auch die Paun'sche Papierfabrik 1868 einen beträchtlichen Ausbau. Zuerst investierte man ein einen Sortier- und Satiniersaal und im darauffolgenden Jahr kam eine zweite Papiermaschine von Escher Wyss mit 1,625 m Arbeitsbreite hinzu.
Aufgrund der großen geschäftlichen Erfolge verhandelte man ab 1868 mit den Grundstückseigentümern entlang des Amper-Mühlbachkanals, um ein großes, zusammenhängendes Gelände zu erwerben, auf dem mehrere Papiermaschinen mit allen Nebenanlagen unterzubringen wären.
Erwerb Steinmühle Dachau
Im Jahre 1871 erwarb die Aktiengesellschaft für 76000 fl den weitläufigen Besitz der Steinmühle des Mahlmühlenbesitzers Johann Dick, dessen Mühle zu den ältesten Getreidemühlen im ganzen Dachauer Land zählte. Noch 1871 begann man den Abbruch der Mühleneinrichtungen und mit dem Bau der neuen Papierfabrik Steinmühle, in welche ebenfalls eine Strohstoff-Fabrik integriert wurde, weil man Rohstoffknappheit fürchtete.
Ausbau und Innovation – Strohstoff-Fabrik
Immer auf der Suche nach technischen Innovationen und Erweiterungen entsandte die Aktiengesellschaft 1873 ihr gesamtes Führungspersonal mit dem ersten Vorsitzenden Louis Weinmann zur Weltausstellung nach Wien.[7] Dort vertreten war ebenfalls das Maschinenbauunternehmen Escher Wyss (Zürich), von welchem man für die Papierfabrik Steinmühle eine zweite Papiermaschine zu günstigen Konditionen, welche eigentlich für einen österreichischen Kunden vorgesehen war, erwerben konnte.[7] Diese zweite Papiermaschine hatte eine Arbeitsbreite von 1,83 m und eine Produktionsgeschwindigkeit von etwa 20 m/min. Im Werk Steinmühle umfasste die Produktion vorwiegend hochwertige Druckpapiere, in der Paun'schen Papierfabrik hauptsächlich Schreibpapiersorten, welche hauptsächlich vom Papiergroßhandel Andreas Kaut München abgenommen wurden.[7]
In den nachfolgenden Jahren wurden gute Geschäfte erzielt, sodass die München-Dachauer Papierfabriken AG mit der Löwenbrauerei die am höchsten gehandelten Unternehmen an der Münchner Börse waren.[7]
In den Jahren 1885 bis 1887 entschied man sich für den nächsten Innovationsschub durch den Bau eines Kalandersaales und eines Papiersaales sowie die Installation einer dritten Papiermaschine in der Papierfabrik Steinmühle.[7] Nach Fertigstellung der Bauarbeiten, in deren Zuge das Werksgelände völlig umgestaltet wurde, schmückte man voll Stolz den Zuganker an der Außenseite des Ausrüstungsgebäudes erstmals mit einem MD-Signet (erstes Logo) und einer Turmuhr auf dem Dach der ausgebauten Produktionsstraße.[7]
Vorstandsvorsitzender Louis Weinmann, welcher an einer breiten eigenen Rohstoffbasis interessiert war, integrierte in das Werk Steinmühle eine Strohstoff-Fabrik.[7] Weizen- und Roggenstroh wurden von den Dachauer Bauern im Umland angekauft, geputzt und aufbereitet und nach Durchlauf durch eine Abpapp-Presse zu Rollen mit 30 Prozent Trockengehalt aufbereitet.[7] Im April 1904 stellte man die Strohstoff-Produktion ein, da der Aufwand an Chemikalien sehr hoch war und eine Wiedergewinnung dieser zu gering. Während der Inflation kam zwar der Gedanke wieder auf, die Strohstoff-Produktion wieder in Betrieb zu nehmen, jedoch waren die Anlagen so veraltet, dass dies nicht mehr möglich war.[7]
Erster Weltkrieg
Für die zum Kriegsdienst einberufenen Mitarbeiter legte man fest, dass sie in den Kassen und in ihren Rechten im Unternehmen verbleiben und gewährte einen monatlichen Unterhaltszuschuss von 10 Mark für Frauen und 6 Mark für jedes Kind unter 14 Jahren. Für die Kriegswohlfahrtsausschüsse in den Orten der Niederlassungen Dachau, Pasing und Olching wurden ebenfalls Zahlungen geleistet.
Ab 1916 verschlechterte sich die Personalsituation dramatisch; ebenfalls durch die vorrangige Versorgung mit Personal der Pulver- und Munitionsfabrik in Dachau. Um den Betrieb im Werk Steinmühle aufrechterhalten zu können, legte man 1916 die Paun’sche Papierfabrik/Obere Fabrik still.
Die Aktiengesellschaft bewies erneut ihre Verantwortung für ihre Mitarbeiter, indem sie für die Jahre 1914, 1915 und 1916 eine aus dem Betriebe zu entnehmende Summe von 185.000 Mark zur Verfügung stellte, welche innerhalb eines Jahres in zwei Raten an alle Organe der Gesellschaft und Arbeiterinnen und Arbeiter zur Auszahlung kam.
Räterepublik
Im November 1918 berichtete der Vorstand von einer sehr günstigen Geschäftslage, obwohl wenige Tage zuvor die Novemberrevolution ausgerufen wurde. In Dachau wurde eine Betriebsversammlung in den Hörhammersaal einberufen, zu der der Betriebsleiter Gustav Kittelberger vorgeladen wurde. Dieser ignorierte die Vorladung, weshalb ihm am darauffolgenden Morgen von einer Arbeiterabordnung eröffnet wurde, dass er abgesetzt sei. Er ließ die Leute ruhig ausreden und verrichtete seinen Dienst dann weiter.(Gustav Kittelberger Bericht vom 12. Januar 1950)
Der Finanzminister der Räterepublik Baiern ließ bei der Aktiengesellschaft erhebliche Mengen von Wasserzeichenpapier für die Herstellung von Banknoten produzieren, sodass sogar andere Lieferungen an Kunden fast nicht mehr erfüllt werden konnten. Am 30. April 1919 vertrieb das Freikorps Görlitz die „Roten“ aus Dachau.
Weimarer Republik
1921 wurde der Ausbau des Elektrizitätswerkes Olching I durch die Aktiengesellschaft abgeschlossen. Dieses lieferte günstigen Kraftstrom zur Schlifferzeugung in das Werk Olching II. Die Papierfabrik Pasing erfuhr ebenfalls einen modernisierenden Umbau, der die Produktionsgeschwindigkeit der Papiermaschinen I und II erheblich steigerte.
Zum 1. April 1922 wurde die Firma in München-Dachauer Papierfabriken Aktiengesellschaft in München geändert.
Die rasante Inflation brachte die Mitarbeiter der Aktiengesellschaft immer wieder in wirtschaftliche Nöte. Die Aktiengesellschaft versuchte die entstehende wirtschaftliche Not durch Zuteilung von Kohlen und Kartoffeln zu lindern. In dieser wirtschaftlichen turbulenten Zeit musste durch eine Goldmarkschätzung ein weiterer wirklicher Betriebswert gefunden werden, welcher mit einer Bewertung der Werke beginnend ab 1. Oktober 1924 erfolgte.
Aus dem Bewertungsbericht:
Obere Fabrik Dachau (Paun’sche Papierfabrik)
2 ältere Papiermaschinen mit Holländern, Bleicherei, Kollergängen, Kalander, Querschneider und allen Nebenmaschinen, die alle außer Betrieb sind. Der Sortiersaal arbeitet für das Werk Steinmühle; ausgebaute Wasserkraft 180 PS, ausbaufähig auf insgesamt 500 PS.
Steinmühle Papierfabrik
Papiermaschine I: 2,1 m Arbeitsbreite, Papiermaschine II mit 2,0 m Arbeitsbreite, Papiermaschine III mit 2,5 m Arbeitsbreite Leistung 28.500 kg Papier netto pro Arbeitstag Holländer, Kegelmühle, Kollergänge, Misch- und Rührbütten, Bleichholländer, Chlorauflösung, Hadernsortierung, Hadernkocherei, Stoffrückgewinnung. Kalander, Umroll- und Rollenschneidmaschinen, Winkel- und Planschneidmaschinen, Präge-, Falz- und Liniermaschinen, Papiersaal. Dampferzeugungsanlagen, Dampfkraftanlagen. Ausgebaute Wasserkraft 250 PS.
Werk Deutenhofen
3 Friktionsschleifer mit Raffineuren und Feinsortierern, 3 Entwässerungsmaschinen, Holzplatz und Holzschälerei; ausgebaute Wasserkraft 400 PS, ausbaufähig auf insgesamt 1000 PS.
Werk Olching I
Ausschließlich Elektrizitätswerk, eine komplette Wehranlage, Turbinen, Motoren und Schaltanlagen für Kraft und Licht. Ausgebaute Wasserkraft 650 PS
Werk Olching II
7 Friktionsschleifer von Wasserkraft angetrieben, Vorsortierer, Raffineure, Feinsortierer, 6 Entwässerungsmaschinen, 1 Magazinschleifer mit 600 PS-Antrieb. Holzplatz und Holzschälerei. Ausgebaute Wasserkraft 750 PS; ausbaufähig auf insgesamt 1000 PS.
Werk Pasing
Papiermaschine I mit 2,00 m Arbeitsbreite, Papiermaschine II mit 1,64 m Arbeitsbreite, Papiermaschine III mit 2,20 m Arbeitsbreite, Ganz- und Halbzeugholländer, Kegelmühle, Kollergänge, Misch- und Rührbütten. Bleichholländer, Chlorauflösung, Hadernkocherei, Stoffrückgewinnung. Umroll-, Rollenschneid- und Rollenklebemaschinen, Kalander, Schneid-, Pressen-, Präge-, Falz- und Liniermaschinen. Sortier- und Papiersaal, Dampferzeugungsanlagen, Dampfkraftanlagen. Ausgebaute Wasserkraft 270 PS.
Münchner Anlagen (Krichplatzstraße 9 und Kegelhof 2 und 3)
Verwaltung mit Kontorgebäuden, Lagerräume für die Papiergroßhandlung Max Bullinger, die als eigene Firma geführt wird, aber im Besitz der MDP-AG war. Die Geschäftsräume der Firma Bullinger und der Hauptverwaltung liegen in bester Geschäftslage in der Residenzstraße 6 und Schrammerstraße 4. Am Auer Mühlbach, der früher dem Betrieb der alten Papierfabrik diente, ist eine absolut konstante Wasserkraft von 74 PS vorhanden, die vermietet ist. Zur Goldmarkschätzung des Immobilienbesitzes benötigte man einen weiteren Sachverständigen, der alle Gebäude und Grundstücke gewissenhaft erfasste. Dabei ergaben die Anlagen in München, die alle bebaut waren und eine Ausdehnung von 0,972 ha hatten, einen Wert von 1.033.000 Mark; die Anlagen in Dachau, bebaut und unbebaut (Steinmühle und Obere Fabrik) mit 21,182 ha, einen Wert von 2.040.882 Mark, die Anlagen in Pasing, bebaut und unbebaut mit 27,612 ha, einen Wert von 4.606.952 Mark, die Anlagen in Olching, bebaut und unbebaut mit 131,656 ha, einen Wert von 726.319 Mark, die Anlagen in Deutenhofen, bebaut und unbebaut mit 47,205 ha, einen Wert von 268.000 Mark. Waldbesitz mit einem bis 20-jährigen Bestand: 173,860 ha, 20–40-jähriger Bestand: 62,460 ha, 60-jähriger Bestand: 64,869 ha.
Weblinks
- Louis Weinmann Projekt. (PDF) Von der Papierfabrik zum Stadtviertel. Isaria Wohnbau AG, 2017, abgerufen am 7. November 2019 (Geschichte der Papierfabrik von 1862 bis 2007).
Einzelnachweise
- Magistratsprotokoll Markt Dachau vom 27. Mai 1837
- Entscheid königliche Regierung von Oberbayern vom 11. Juli 1859
- Magistratsprotokoll Markt Dachau vom 21. März 1860
- Magistratsprotokoll Markt Dachau vom 30. Juni 1861
- Augsburger Neueste Nachrichten Nr. 101 vom 16. Juli 1862
- Eugen Hubrich: Die Anfänge der München-Dachauer Papierfabriken. In: Amperland. 1996, S. 324–327.
- Eugen Hubrich: München-Dachauer Papierfabriken 1837-1937. Hrsg.: Eugen Hubrich und Helmut von der Heyde. Band 1. Eigenverlag, 1997, S. 41.
- Die Welt vom 23. Dezember 1995: Die Skandinavier decken sich mit Papier ein