Müllsucher
Müllsucher, auch Müllsammler (gelegentlich Müllmenschen), sind Menschen vor allem in Entwicklungsländern, die von recyclingfähigem Müll leben, den sie sammeln, in Handarbeit trennen und verkaufen oder für sich selbst verwenden. Hiervon abzugrenzen ist das Ankämpfen gegen die Vermüllung.
Erwerbsgrundlage
Unter den verwertbaren Müll fallen unter anderem:
- Plastik (Einkaufstüten)
- Blech, Metall → Schrottsammler
- Papier → Papierrecycling
- Kronkorken, Metallstücke
- leere Flaschen
Diese können sie zu Kilopreisen verkaufen. Ihr tägliches Essen besteht zu einem Großteil aus im Müll gefundenen Resten. Ihre Lebensbedingungen sind dementsprechend schlecht. Der Biomüll, welcher rund 60 % des Gesamtmülls ausmacht, wird einerseits für die Fütterung ihrer Tiere verwendet, andererseits selbst verzehrt. Als Unterschlupf dient ihnen meist nur ein Verschlag aus Pappe und Blech.
Das Problem, dass Menschen auf Müllhalden leben müssen, betrifft nicht einzelne Länder, sondern bezieht sich auf alle Kontinente. Die Müllsammler stammen hauptsächlich aus dem ländlichen Raum, die in den Großstädten die Hoffnung auf ein besseres Leben haben, doch dort ist es für sie kaum möglich, Fuß zu fassen.
Krankheiten
Die fehlende Hygiene, das Trinkwasserproblem, die Moskitos und natürlich viele gefährliche Gegenstände, die sich im Müll befinden, bilden die Voraussetzungen für Krankheiten und Verletzungen:
- Atemwegsprobleme durch bei der Müllverbrennung entstehende Dämpfe und Gase
- Unter-, Mangel- und Fehlernährung
- Diabetes
- Dengue-Fieber
- Pilzerkrankungen
- TBC (Tuberkulose)
- Blutvergiftungen und Abszesse, die durch offene Wunden hervorgerufen werden.
- HIV/Aids (meist durch Prostitution)
Lateinamerika
Als Pepenadores, Recicladores oder auch Cartoneros werden im lateinamerikanischen Raum die (wörtlich) Müllsucher bezeichnet.
Diese Menschen aus den unteren sozialen Schichten, selbst schlechtergestellt als Arbeiter und Gelegenheitsarbeiter, haben es sich zur Aufgabe gemacht, in den Mülldeponien der Metropolen nach wiederverkaufbaren Resten zu suchen. Nur so sind sie in der Lage, sich ihre Existenz minimal zu sichern.
Auf der städtischen Zentraldeponie Mexiko-Stadts sollen sich allein schon 2500 dieser Pepenadores befinden, das heißt grob gerechnet einer je Tonne Abfall, die hier täglich anfällt.
Nicaragua
In Nicaragua – genauer: in der Nähe der Hauptstadt Managua – liegt La Chureca, die größte Müllhalde Zentralamerikas.
Sie umfasst rund 420 Hektar und ist Arbeitsgebiet von mehr als 1700 Menschen, von denen mindestens 80 % Minderjährige sind. Es leben etwa 280 Familien mit durchschnittlich sechs Familienmitgliedern auf dem Gelände von La Chureca. Weitere hunderte kommen täglich, um sich dort ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Öl und Gas werden von Versorgungsfirmen aufgrund von technischen Problemen und Korruption teilweise den ganzen Tag abgestellt. Ausreichende Hygiene ist bei einem Leben auf einer Müllhalde nicht vorhanden. Durch die schlechte Ernährung mit verschimmeltem Essen ist das Krebsrisiko sehr hoch. Rückstände von Blei und Quecksilber im Blut sind eine weitere Auswirkung des schlechten Essens. Viele Leute ernähren sich zusätzlich noch von im Managuasee gefangenen Fisch, der auf Grund der starken Wasserverschmutzung gesundheitsschädlich ist.
In den Sommermonaten (von Dezember bis April) werden riesige Mengen von Müll unter freiem Himmel verbrannt. Man nutzt hier die regenfreie Zeit, um sich des Mülls auf diese Art und Weise zu entledigen. Dies hat aber wiederum große Luftverschmutzung zur Folge.
Für La Chureca ist die Stadtverwaltung Managuas nicht zuständig. Dieser Verwaltungsbezirk hat mehr als 1,3 Millionen Einwohner, wodurch eine dementsprechend große Menge an Müll (rund 82 Tonnen pro Tag) anfällt. Um diesen zu beseitigen, fahren täglich von 9:00 bis 18:00 Uhr hunderte von Müllwagen auf das Gelände von La Chureca, um den Müll dort abzuliefern. Viele kommen auch mit Pick-ups oder Lastwagen und laden ihren Müll privat ab. Recycling gibt es in Managua von offizieller Seite nicht.[1]
Am 3. März 2008 begannen die Bewohner von La Chureca einen Streik. Sie wollten sich gegen das Verhalten der Lastwagenfahrer wehren, welches ihre Situation noch verschlechtert hatte. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine feste Ordnung, die besagte, wo genau die Müllwagen den Müll abladen sollen. So wurden teilweise große Mengen direkt vor den Hütten der dort wohnenden Menschen abgeladen und von fahrenden LKW Müll abgeworfen, wobei es sich mitunter um harte Gegenstände handelte.
Die LKW fuhren mit hohen Geschwindigkeiten, was besonders in Bezug auf den großen Anteil der dort ansässigen Kinder gefährlich erscheint. Die für die Stadtverwaltung arbeitenden Müllmänner beanspruchten für sich jegliche Materialien, die wiederverkauft werden können, wie Kupfer, Zink, Aluminium und Papier. Plastikflaschen kann man zurzeit zum Kilopreis von vier Córdobas verkaufen, das sind etwa 30 Flaschen zum Preis von umgerechnet 0,14 €, was in Nicaragua nicht viel ist (zum Vergleich: Bohnen, das Haupternährungsmittel der Nicaraguaner, kosten zurzeit 17 Córdobas das Pfund).
Aus Protest blockierten die Müllsammler von La Chureca am 3. März 2008 alle Zufahrten zum Areal, sodass kein Lastwagen mehr auf das Gebiet kommen konnte. Dies führte zu einem vollkommenen Chaos in der ganzen Stadt. Die direkten Folgen waren eine starke Verschmutzung der Straßen, die direkt zur Müllhalde führen. Viele LKW-Ladungen wurden vor den offiziellen Eingängen der Müllhalde illegal abgeladen oder brachten den Müll in andere Gebiete.
Am 7. März wurde ein Abkommen unterzeichnet, welches festlegt, dass die für die Stadt arbeitenden Müllmänner den Müll nicht mehr für sich beanspruchen dürfen. Dieser darf nun ausschließlich von den Arbeitern der Chureca genutzt werden. Jedoch wurde dieser Vertrag von der Mehrheit der Churcequeros (den Leuten, die in La Chureca leben) bisher nicht anerkannt. Sie argumentieren, dass die Personen, die diesen Vertrag ausgehandelt haben, nicht aus ihrer Gemeinschaft stammen.[2] Sie versuchen weiterhin, die Müllablagerung zu verhindern.
Ägypten
In Kairo bestehen acht Müllsiedlungen, wo rund 50.000 Müllsucher, Zabbalin (arabisch زبالين, DMG Zabbālīn) genannt, zu finden sind. Izbat an-Nakhl ist die Müllsiedlung im Süden von Kairo, der Hauptstadt Ägyptens, in der etwa 8000 Müllsammler wohnen.[3][4][5] Eine ähnliche Müllsiedlung im Osten von Kairo befindet sich in Manschiyyet Nasser.
Die Müllsucher sind überwiegend koptische Christen. Da Ägypten islamisch dominiert ist, haben sie mit vielen Benachteiligungen zu kämpfen. 2003 wurde eine zentrale Müllabfuhr eingerichtet, um den Müllsucher ihre Lebensgrundlage zu entziehen.
Die Lebensgrundlage der Zabbalin besteht aus Müllgebühren und dem Gewinn aus dem Wiederverkauf des verlesenen Mülls. Müllsammler gehen mit ihren Eselskarren von Haus zu Haus und sammeln dort den Müll ein. Es ist wichtig, dass sie noch vor der städtischen Müllabfuhr dort sind, denn das Müllsammeln in Ägypten ist illegal. Vor der Gründung der städtischen Müllabfuhr bekamen die Zabbalin noch ein kleines Trinkgeld von den Bewohnern. Der faulende Müll wird nach dem Sammeln in Plastik, Papier, Glas, Dosen und Essensresten aussortiert. Plastik, Papier und Glas werden von einem Händler abgeholt und zu den Recyclingstellen gebracht. Das Blech alter Dosen ist sehr begehrt. Es wird von den Menschen in den Müllsiedlungen aufgeschnitten und dann an Händler weiterverkauft. Der Müll wird an Sammelstellen zu 100-kg-Paketen gepresst und daraufhin zu den Wiederverwertungsstellen am Rande der Viertel gebracht.
Fleisch essen die Zabbalin nicht, denn es ist zu teuer. Auf den Tisch kommen Brot, Milch, Käse und Gemüse. Bis abends muss der Müll fertig sortiert und verladen sein, denn die Zabbalin brauchen diesen Platz zum Schlafen und Wohnen. Die Lebenserwartung der Zabbalin beträgt rund 50 Jahre. Grund dafür ist die hohe Verletzungs- und Infektionsgefahr.
Philippinen
Die 15.000 Müllsammler, die auf den Philippinen leben, kommen hauptsächlich aus 3 Gebieten: Manila, Quezon-Stadt und Cebu City.[6] In Manila leben die Menschen auf den beiden Müllhalden Smokey Mountain und Payatas. Es handelt sich hierbei um riesige Müllberge (bis zu 40 Meter hoch), wobei der Smokey Mountain sogar als international bekanntes Wahrzeichen der Hafenstadt Manila gilt. In der Region rund um Cebu-City werden die Müllsammler auch „Scavengers“ (engl. für Müllsammler oder Aasfresser) genannt. Der Verkauf von Müll findet in so genannten „Junkshops“ statt und bringt den „Scavengers“ im Schnitt täglich zwischen 50 und 65 Pesos (rund 0,75–1 €) ein.
Hunderte starben bereits, wenn einer der großen Müllberge meist infolge eines anhaltenden Monsunregens in sich zusammenstürzte und viele Menschen unter sich begrub. Immer wieder wird den Müllsammlern staatliche Hilfe, saubere Unterkünfte, richtige Arbeit oder ähnliches versprochen, doch werden diese Versprechen kaum oder gar nicht von den Zuständigen eingehalten. Mittlerweile gibt es immer mehr Hilfe aus dem Ausland wie etwa Ärzte, Ordensleute und Vereine, die den „Scavengers“ aus ihrem Elend helfen möchten.
Durch Bildung soll den Menschen aus dem Elend geholfen werden. Auf dem stillgelegten Teil der Müllhalde von Smokey Mountain, Tondo, Manila entsteht mit Unterstützung aus Deutschland eine Schule. Diese Schule wird mit recyceltem Material errichtet. Nach ihrer Fertigstellung im Jahre 2010 soll das digitale Lerncenter 1.000 Schulabbrechern die Möglichkeit bieten, einen Abschluss zu machen.
Die meisten Kinder können nicht zur Schule gehen, nur wenige erlangen einen Schulabschluss, da die Schule auf den Philippinen nicht kostenfrei ist.
Die Deutsche Oenophilogen Gesellschaft Gemeindienst e.V., ein gemeinnütziger Weinverein aus Oberhausen, baut diese Schule mit einem Gesamtkostenvolumen von 109.000 Euro. Im Jahr 2010 sollten zunächst 400, später 800 Kinder hier unterrichtet werden.
Deutschland
Besonders in den Ballungszentren der Großstädte tritt das Phänomen der Flaschensammler auf; vergleichbare Erscheinungen existieren auch in anderen Staaten mit Pfandsystem auf Getränkeverpackungen. Diese Personen sammeln liegengelassene oder illegal weggeworfene Pfandflaschen oder neben Pfandautomaten aufgegebene Fehlwürfe auf oder suchen in (hauptsächlich öffentlichen) Abfalleimern oder auch Altglascontainern danach und führen sie dem Pfandsystem wieder zu.[7]
Nichtregierungsorganisationen in Deutschland, die Müllsammler unterstützen sind:
Deutsche Oenophilogen Gesellschaft Gemeindienst e.V.
Der Verein Deutsche Oenophilogen Gesellschaft Gemeindienst e.V.[8] unterstützt seit 1999 ausschließlich Ausbildungsprojekte in Tondo, Manila (Smokey Mountain). 2009 wurde vom Verein eine gemeinnützige, selbständige Stiftung zur Unterstützung der Projekte gegründet.[9]
„Die Müllkinder von Kairo“
Der Neuwieder Verein „Die Müllkinder von Kairo“[10] wurde 2001 gegründet und unterstützt eine koptische Ordensgemeinschaft in Ägypten, die im Müllgebiet von Ezbeth el Nakl ihr Zentrum hat. Die Ordensgemeinschaft betreibt Bildungseinrichtung für muslimische und christliche Kinder und Jugendliche.
Afrika-Freundeskreis
Der Afrika-Freundeskreis[11] entstand auf Initiative von Geografiestudenten der Universität Bayreuth. Er wurde am 2. Juli 1992 gegründet und hat inzwischen weltweit 160 Mitarbeiter. Derzeit unterstützen sie Projekte in Kenia, Tansania, Äthiopien, Ägypten und dem Sudan.
Yalla e.V.
Yalla e.V.[12] leitet „Hilfe zur Selbsthilfe“ in arabischen Ländern. Der Verein entstand aus der Begegnung von Studierenden mit der Ordensschwester Maria Theresia Grabis in Kairo 1992. Das Hauptanliegen des Vereins ist es einen aktiven Beitrag zur Völkerverständigung zwischen Europa und den arabischen Ländern zu leisten. Mit Spenden und Arbeitseinsätzen vor Ort unterstützt der Verein Selbsthilfeprojekte.
Weblinks
Einzelnachweise
- Los Niños del Basurero Managua Nicaragua, Teile 1-4, YouTube (abgerufen am 23. April 2008)
- Nicaragua: Streik der Müllhalden-Arbeiter, Indymedia (9. März 2008)
- Thorsten Gerald Schneiders: "Die zabbālīn in 'Izbat an-Nakhl, Ägypten. Modernes Alltagsleben am Rande der Gesellschaft", in: Thomas Bauer u. a. (Hrsg.): Alltagsleben und materielle Kultur in der arabischen Sprache und Literatur. Festschrift für Heinz Grotzfeld, Wiesbaden 2005, S. 309–326.
- Kairofahrt Mai 2005: Das Salam-Zentrum ist für die Müllmenschen (Memento des Originals vom 11. April 2008 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , www.muellkinder-von-kairo.de
- Moytamadea - das Müllviertel der Zabalins (Memento vom 21. Mai 2008 im Internet Archive), www.yallaev.de
- Als Arzt auf Cebu (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven) Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , Visite, Magazin St.-Vincenz-Krankenhaus Paderborn / St.-Josefs-Krankenhaus Salzkotten (4-2006)
- Philipp Catterfeld / Alban Knecht (Hrsg.): Flaschensammeln. Überleben in der Stadt, Konstanz, München 2015
- Deutschen Oenophilogen Gesellschaft Gemeindienst e.V. Abgerufen am 18. Juni 2019.
- Stiftung In-Vino-Caritas. Abgerufen am 18. Juni 2019.
- Willkommen. Abgerufen am 18. Juni 2019.
- Afrika-Freundeskreis e.V. | Hilfe zur Selbsthilfe. Abgerufen am 18. Juni 2019 (deutsch).
- Yalla e.V. | Internationaler Kulturverein. Abgerufen am 18. Juni 2019 (deutsch).