Kopten
Kopten (aus griechisch Αἰγύπτιοι „Ägypter“, durch arabisch قبط, DMG qibṭ) sind eine ethnisch-religiöse Gruppe, mit der meist die Angehörigen der koptischen Kirchen bezeichnet werden. Ursprünglich bezeichnete der Ausdruck diejenigen Einwohner Ägyptens, die als ihr Idiom die ägyptische Sprache verwendeten. In römischer, byzantinischer und frühislamischer Zeit wurde das Wort ohne Rücksicht auf die Religionszugehörigkeit gebraucht. Die koptische Sprache entstand aus dem Ägyptischen im 3. Jahrhundert nach Christus. Seit der zunehmenden Arabisierung und Islamisierung Ägyptens wird der Begriff allein für Christen der koptischen Kirchen verwendet. Aufgrund von Spannungen zwischen Kopten und Muslimen, die mitunter auch in Gewalttaten islamistischer Gruppen münden, und wegen des Wunsches nach wirtschaftlicher Verbesserung, sind viele Kopten ausgewandert.
Geschichte
Kopten in Ägypten
Als Kopten wurden ursprünglich alle ägyptisch sprechenden Bewohner Ägyptens bezeichnet. Während der islamischen Eroberung Ägyptens mussten die Bewohner eine Kopfsteuer (Dschizya) bezahlen oder zum Islam konvertieren.[1] Die heute als Kopten bezeichnete Gruppe sind diejenigen, die nicht zum Islam konvertierten. Die meisten Kopten sind Teil der Koptisch-Orthodoxen Kirche, während ein kleiner Anteil koptisch-katholisch, protestantisch oder konfessionslos[2] ist.
Schwankende Zahlenangaben
Über den Anteil der Christen an der ägyptischen Bevölkerung gibt es stark abweichende Zahlen. Die meisten Schätzungen gehen von 5 bis 8 Millionen aus (zwischen 6 und 10 % der Gesamtbevölkerung).[3] Die Mehrheit davon sind koptische Christen (meistens altorientalische Miaphysiten, ein kleiner Teil koptisch-katholisch), der Rest verteilt sich auf griechisch-orthodoxe, griechisch-katholische und protestantische Christen. Der Fischer Weltalmanach nennt eine höhere Zahl von 6 bis 15 % Kopten.[4]
Diskriminierung und Gewalt gegen Kopten
Kopten sind in Ägypten verschiedenen Formen der Diskriminierung ausgesetzt: im Alltag, in Staats- und Militärfunktionen sowie beim Bau von Kirchen. Obwohl die koptische Weihnacht seit 2002 als offizieller Feiertag gilt,[5] beklagen die koptischen Christen eine gesellschaftliche, aber auch staatliche Benachteiligung sowie eine Zunahme eines intoleranten islamischen Diskurses. Die Kopten fühlten sich auch von der Muslimbrüder-Regierung 2012–2013 an den Rand gedrängt und nicht gegen Gewalttaten geschützt.[6] Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch bemängelte schon 2006, dass Ägypter, die vom Islam zu einer anderen Religion übertreten, verhaftet werden können. Behörden sollen sich außerdem geweigert haben, den Religionswechsel einzutragen.[7]
Besonders in Oberägypten sind die Kopten Ziel von Gewalttaten, deren Zahl in den Jahren bis 2011 stark zugenommen hat.[8] 2001 wurden bei den Massakern von el-Koscheh 21 Kopten und ein Muslim getötet,[9][10] 2002 kam es nach der Einweihung einer koptischen Kirche zu Unruhen[11] und 2006 wurde ein Kopte bei Angriffen auf drei Kirchen in Alexandria getötet und 17 wurden verletzt. Weihnachten 2009 wurden sechs Christen vor einer Kirche in Nag Hammadi von drei Attentätern erschossen. Die Menschenrechtsorganisation Initiative für Persönlichkeitsrechte zählte allein zwischen 2008 und 2010 rund 60 solcher Gewalttaten gegen Christen.[12] Bei einem Bombenanschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria wurden am Neujahrstag 2011 mindestens 21 Menschen getötet.[13] Der ägyptische Rechtsanwalt und Direktor des Al-Kalema Center for Human Rights (ACHR), Mamdouh Nakhla, hatte bereits zwei Tage nach dem Anschlag die Vermutung geäußert, dass es bei diesem Anschlag Komplizen im Innenministerium gegeben haben könnte.[14] Am 7. Mai 2011 griffen Salafisten die St.-Mina-Kirche im Kairoer Stadtteil Imbaba an und setzten sie in Brand. Im Laufe heftiger Straßenschlachten vor der Kirche wurden zwölf Angehörige der Religionsgemeinschaften – sowohl Muslime als auch koptische Christen – getötet, 230 Menschen wurden verletzt.[15] Am 9. Oktober 2011 kamen bei einer Demonstration von koptischen Christen in Kairo mindestens 24 Menschen ums Leben. Am 9. April 2017 sind bei Anschlägen auf koptisch-christliche Kirchen in Alexandria und Tanta mindestens 38 Menschen getötet und mehr als hundert Menschen verletzt worden. Die Terrormiliz IS reklamierte beide Anschläge für sich.[16][17]
Solche Beispiele für Verfolgung und Gewalt gegen Kopten gibt es auch weiterhin. Im Zuge der Revolution in Ägypten 2011 und der dortigen Staatskrise 2013 wurden wiederholt Kopten und Muslime getötet, viele Kirchen wurden geplündert oder zerstört.
Kopten in Europa
Im deutschsprachigen Raum gibt es mehrere koptische Gemeinden:
Zwei koptische Klöster, nämlich das koptisch-orthodoxe Kloster der Jungfrau Maria und des heiligen Mauritius in Höxter-Brenkhausen, in dem der koptische Generalbischof für Deutschland Anba Damian residiert, und eines in Waldsolms-Kröffelbach bei Frankfurt am Main. Weitere Gemeinden bestehen in Berlin, Bitburg, Bremen, Düsseldorf, Frankfurt, Heidelberg, Hamburg, Holzwickede, München und Stuttgart.
Ein Kloster in Obersiebenbrunn, nahe Wien, das ein spiritueller Treffpunkt österreichischer Kopten ist (s. a. Weblinks); weitere Gemeinden bestehen in Wien, Graz und Klagenfurt.
Weiterhin gibt es in fast jedem europäischen Land auch größere Gemeinden (London, Birmingham, Paris, Mailand, Rom, Stockholm und andere größere Städte Europas).
Bekannte Kopten
- Aziz Atiya (1898–1988), Koptologe und Historiker
- Boutros Boutros-Ghali (1922–2016), Diplomat, Politiker und ehemaliger UN-Generalsekretär
- Youssef Boutros-Ghali (* 1952), Finanzminister Ägyptens von Juni 2004 bis Januar 2011[18]
- Albert Cossery (1913–2008), frankophoner Schriftsteller
- Anba Damian (* 1955), Bischof für Norddeutschland
- Anba Gabriel (* 1959), Bischof für Österreich
- Boutros Ghali (1846–1910), Ministerpräsident Ägyptens 1908–1910
- Anba Michael (* o. J.), Bischof für Süddeutschland
- Salama Moussa (1889–1958), berühmter Literat und Denker der arabischen Welt
- Raouf Salama Moussa (1929–2006), Bakteriologe und Verleger
- Onsi Sawiris (1930–2021), Geschäftsmann, Gründer und Kopf der größten ägyptischen Firmengruppe Orascom
- Naguib Sawiris (* 1954), Unternehmer und Milliardär (ältester Sohn von Onsi Sawiris)
- Samih Sawiris (* 1957), ägyptisch-montenegrinischer Unternehmer (2. Sohn von Onsi Sawiris)
- Kamal Stino (1910–1987), Vize-Premierminister unter Präsident Nasser
- Hany Azer (* 1949), deutscher Bauingenieur
- Rami Malek (* 1981), US-amerikanischer Schauspieler, Oscargewinner 2019
Siehe auch
- Koptologie (Forschungsgebiet zur koptischen Sprache, Kultur, Geschichte und Religion)
- Koptische Kunst (Volkskunst seit der römischen Zeit)
- Abu Mena (UNESCO-Weltkulturerbe in der Wüste Mariut)
- C-TV Coptic Channel (koptisch-orthodoxer Fernsehkanal)
- Äthiopisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche
Literatur
- Wolfgang Boochs: Die Kopten – Kirche der Märtyrer. Bernardus, Aachen 2015, ISBN 978-3-8107-0217-3.
- Wolfgang Boochs: Geschichte und Geist der koptischen Kirche. 2. Auflage. Bernardus, Aachen 2009, ISBN 978-3-8107-9184-9.
- Emma Brunner-Traut: Die Kopten – Leben und Lehre der frühen Christen in Ägypten. Diederichs, Köln 1982.
- William Faragallah: Die Koptischen Christen des heutigen Ägyptens, eine Dokumentation. Faragallah, Sulzbach 2012, ISBN 978-3-929682-99-1.
- Heinz Gstrein, Paul Meinrad Strässle, Martyn Thomas, Adly A. Youssef: Copts in Egypt – A Christian Minority under Siege. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006, ISBN 978-3-525-54102-9.
- S. S. Hasan: Christians Versus Muslims in Modern Egypt – The Century-Long Struggle for Coptic Equality. Oxford University Press, Oxford/New York 2003.
- Meir Hatina: In Search of Authenticity – A Coptic Perception. In: Middle Eastern Studies. Jahrgang 42, Nr. 1, Januar 2006, S. 49–65.
- Martin Mosebach: Die 21 – Eine Reise ins Land der koptischen Märtyrer. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2018, ISBN 978-3-498045-40-1.
- Siegfried G. Richter: Das koptische Ägypten. Schätze im Schatten der Pharaonen (mit Fotos von Jo Bischof). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2019, ISBN 978-3-8053-5211-6
- Samuel Tadros: Motherland Lost – The Egyptian and Coptic Quest for Modernity. Hoover Institution Press, Stanford, CA 2013.
Weblinks
- Homepage: Koptisch-orthodoxe Kirche in Deutschland. St. Markus Koptisch-Orthodoxe Kirche Frankfurt e. V.
- Homepage: Die Koptisch-Orthodoxe Diözese in Österreich und dem deutschsprachigen Teil der Schweiz. Koptisch-Orthodoxe Diözese in Österreich.
- Homepage: Koptisch-Orthodoxe Kirche in der Schweiz. Private Webseite, 2007.
- Zum Christentum konvertierte Ägypter – eine rare Spezies. In: Neue Zürcher Zeitung. 3. September 2007 .
- Gundula Madeleine Tegtmeyer: Koexistenz in Ägypten: Gegen den Exodus. In: zenith. 16. Oktober 2012, archiviert vom Original am 22. März 2016 .
Einzelnachweise
- Kopten: Ägypten unter arabischer Herrschaft (642–1517) – Arabische Eroberung und Frühzeit arabischer Herrschaft (642–660). Abgerufen am 28. Dezember 2021 (wiedergegeben auf scribd.com).
- Randa Ali: Alber Saber detained for political, not religious reasons. In: Ahram Online. 30. Oktober 2012, abgerufen am 28. Dezember 2021 (englisch).
- Harenberg Aktuell (von Meyers und Brockhaus herausgegeben), S. 532: 94 % Muslime gegenüber 6 % Christen insgesamt (die meisten davon Kopten) / Spiegel-dtv-Jahrbuch 2004, S. 54: 90 % Muslime gegenüber 9 % Kopten / Länderinformationen des Auswärtigen Amtes: 90 % Muslime gegenüber 6 % Kopten
- Der Fischer Weltalmanach 2011 gibt 6 bis 15 % Kopten und 80 % Muslime an (15 % Kopten 2009 und 2010), gab aber 2008 noch 12–15 % Kopten an und führte 2006 noch 85 % Muslime gegenüber 12 % Kopten auf bzw. 2003 noch 90 % Muslime gegenüber 9–10 % Kopten (6 Mio. von 64 Mio.). In der Ausgabe Fischer WA 1996 wurde der Anteil der Kopten an der Gesamtbevölkerung mit 4,1 % angegeben, 1998 mit 10,4 %. Die Quellen für diese stark schwankenden Informationen sind nicht bekannt.
- Der Papst aus Ägypten. (Memento vom 8. April 2011 im Internet Archive) Die Koptisch-Orthodoxe Kirche in Österreich (bei Internet Archive)
- Gewalt gegen Christen am Nil, Artikel in der Neuen Zürcher Zeitung vom 17. Juni 2013.
- Human Rights Watch: Essential Background: Overview of human rights issues in Egypt. (Memento vom 14. November 2008 im Internet Archive) 31. Dezember 2005
- Autobombenanschlag auf Kopten-Kirche in Alexandria (Memento vom 6. Januar 2011 im Internet Archive)
- Die Lage der Christen in Ägypten (Memento vom 3. Dezember 2013 im Internet Archive)
- Zwei Schuldsprüche wegen «Massaker von El Kosheh»
- Meldung: Religionsunruhen in Ägypten: 34 Festnahmen. ORF, 11. Februar 2002, abgerufen am 19. Juli 2018.
- Das Verschwinden der Gerechtigkeit
- Autobombenanschlag auf Kopten-Kirche in Alexandria (Memento vom 6. Januar 2011 im Internet Archive)
- Egyptian Security Guards Withdrew One Hour Before Church Blast, Say Eyewitnesses
- Gegen Christen und „ungläubige“ Muslime Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. Mai 2011.
- Anschläge auf koptische Kirchen in Ägypten. In: DiePresse.com. 9. April 2017, abgerufen am 6. Januar 2018.
- Meldung: Terror in Ägypten: Zweiter Anschlag auf Christen - Präsident Sisi beruft Sicherheitsrat ein. In: Spiegel Online. 9. April 2017, abgerufen am 19. Juli 2018.
- Christof Haverkamp: Religionsminister Zakzouk: Ägyptens Regierung braucht keine Lektionen vom Papst – „Wir schützen Kopten genauso wie Muslime“. In: Neue Osnabrücker Zeitung. 17. Januar 2011, abgerufen am 19. Juli 2018.