Liste der Todesopfer des DDR-Grenzregimes in Berlin von 1948 bis 1961

Zu d​en Todesopfern d​es DDR-Grenzregimes i​n Berlin v​or dem Bau d​er Berliner Mauer zählen Personen, d​ie im direkten Zusammenhang m​it dem bereits bestehenden Grenzregime d​er Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) u​nd der DDR u​ms Leben kamen, zumeist b​ei Grenzkontrollen. Nach aktuellem Forschungsstand d​er Stiftung Berliner Mauer trifft d​ies auf 39 Personen zu.[1] Darunter s​ind 34 zivile Opfer u​nd ein i​m Dienst getöteter West-Berliner Polizeibeamter s​owie zwei alliierte Soldaten. Außerdem zählen z​u den Todesopfern a​uch ein Offizier d​er KVP (Hauptartikel: Todesfälle u​nter DDR-Grenzern) u​nd ein Volkspolizist, d​ie vor d​em Bau d​er Berliner Mauer i​m Dienst umgekommen sind.

Kriterien

Damit e​in Todesopfer i​n der Liste aufgenommen wird, m​uss der Todesfall i​m direkten Zusammenhang m​it dem Grenzregime d​er SBZ/DDR stehen. Dafür sollten z​wei Kriterien erfüllt sein. Es m​uss ein örtlicher Bezug z​ur Berliner Grenze bestehen u​nd die Todesursache m​uss in Zusammenhang m​it dem Grenzregime stehen, e​twa bei e​inem Fluchtversuch o​der einem n​icht genehmigten Grenzübertritt. Hierzu zählen Fälle, b​ei denen e​in bewaffnetes Organ d​er DDR i​m Grenzdienst d​urch sein Handeln o​der Unterlassen e​iner Handlung für d​en Tod e​iner Person verantwortlich war.[2] Dazu zählen:

  • Personen, die erschossen wurden oder an den Folgen einer Schussverletzung gestorben sind.
  • Personen, die ohne Fremdeinwirkung bei einem Fluchtversuch an der Grenze zu Tode kamen.
  • Selbstmorde, die nach einer Verhaftung an der Grenze in Gewahrsam ausgeführt wurden.
  • Alliierte Soldaten und West-Berliner Polizeibeamte, die bei einer Auseinandersetzung an der Grenze getötet wurden.
  • Grenz- und Volkspolizisten, die im Dienst an der Grenze getötet wurden.[2]

Liste

Zwischen 1948 u​nd 1961 s​ind 39 Menschen i​n einem ursächlichen Zusammenhang m​it dem Grenzregime a​n der Grenze i​n Berlin gestorben. Von d​en 34 zivilen Personen, d​ie ums Leben kamen, wurden 33 erschossen.[1] Menschen, d​ie an d​er Innerdeutschen Grenze starben u​nd die Todesopfer a​n der Berliner Mauer zwischen 1961 u​nd 1989, s​ind in d​er Liste n​icht genannt.

1. Zivile Todesopfer des DDR-Grenzregimes
NameGeborenGestorbenAlterTodesumstände
Kurt Wolf7. Mär. 1903[3] 23. Jan. 194945 JahreWährend der Berlin-Blockade bei der Einfahrt mit einem Holztransporter vom sowjetischen in den französischen Sektor auf der Behmstraßenbrücke etwa um 1:45 Uhr von Ost-Berliner Polizisten beschossen, wobei der Beifahrer Wolf tödlich verwundet wurde.
Helmut Ryll24. Sep. 1908[4]17. Feb. 194940 JahreRyll wurde in seinem Wagen an der Oberbaumbrücke angehalten. Er soll betrunken gewesen sein. Zwei Ost-Berliner Polizisten stiegen zu und forderten Ryll auf, zurück nach Ost-Berlin zu fahren, woraufhin Ryll nach West-Berlin hineinfuhr. Dabei tötete ihn einer der Ost-Berliner Polizisten durch einen Schuss.
Hermann Meyer14. Okt. 190924. Mär. 195040 JahreBeim Versuch, ein geschlachtetes Kalb über die Grenze zu schaffen, wurden Meyer und ein Freund von Grenzpolizisten angehalten. Der Freund wurde verhaftet, Meyer, der flüchten wollte, wurde bei Potsdam-Drewitz erschossen.
Ernst Wulff25. Mär. 188718. Jun. 195063 JahreBei einer Verfolgungsjagd als Beifahrer eines mit Vieh beladenen Lastwagens am Lübarser Weg zwischen Schildow, Blankenfelde und Lübars von Grenzpolizisten erschossen.
Horst Blumberger2. Feb. 193029. Aug. 195020 JahreErschossen, als er bei Berlin-Lichtenrade in Grenznähe Schießübungen durchführte und sich der Festnahme durch Flucht nach West-Berlin entziehen wollte.
Gerd Fräßdorf3. Jun. 192713. Okt. 195023 JahreIm Grenzgebiet in Kleinmachnow bei Potsdam auf einer gesperrten Straße in seinem Auto von Grenzpolizisten erschossen, weil er nicht anhielt.
Albert Heyduck30. Mär. 190012. Mär. 195150 JahreErschossen auf seinem Fahrrad östlich von Berlin im Waldgebiet Schwarzmühle zwischen Schöneiche und Strausberg.
Walter Heinicke15. Jan. 190330. Apr. 195148 JahreBeim Grenzübergang Dreilinden auf seinem Fahrrad in den Kopf geschossen und am selben Abend im Krankenhaus Potsdam-Babelsberg seiner Verletzung erlegen.
Arthur Pokrzywinski8. Jan. 190614. Jul. 195145 JahrePokrzywinski war von der Grenzpolizei festgenommen worden, konnte aber aus dem Gewahrsam flüchten. Bei der Verfolgung kam es zu einem Handgemenge mit einem Grenzpolizisten, der auf ihn schoss und ihn tödlich verletzte.
Martin Dunkel31. Okt. 191414. Aug. 195136 JahreIn Schönefeld bei Berlin beim Versuch erschossen, einer Verhaftung wegen Schmuggels zu entgehen.
Rudolf Stütz9. Mai 19212. Sep. 195130 JahreDer West-Berliner Polizeiwachtmeister wurde am 28. August 1951 in Berlin-Lichterfelde nach Dienstschluss bei einem Grenzzwischenfall von Volkspolizisten und sowjetischen Soldaten angeschossen. Er verstarb an den Folgen der Verletzungen am 2. September 1951.
Heinrich Gerbholz10. Jun. 191026. Apr. 195242 JahreEr sollte nahe Großziethen bei Schönefeld von Grenzpolizisten wegen Schmuggels von Getreide verhaftet werden. Nach einem Handgemenge versuchte er, ins nahe gelegene West-Berlin zu flüchten und wurde dabei erschossen.
Gerhard Fickelschee23. Feb. 19322. Jun. 195220 JahreFickelschee weigerte sich, auf dem Weg nach West-Berlin am Kontrollposten Klein-Glienicke seine Papiere vorzuzeigen und versuchte zu flüchten, woraufhin ihn die Grenzpolizisten erschossen.
Ludwig Fraunhofer1. Mär. 192819. Feb. 195324 JahreBei der Überquerung der Grenze nach West-Berlin versuchte er, sich der Kontrolle und Festnahme zu entziehen. Ein Volkspolizist schoss auf den Flüchtenden in der Lohmühlenstraße in Berlin-Treptow und traf ihn tödlich.
Willy Grubenstein11. Nov. 190421. Feb. 195348 JahreIn einem Lastwagen am Kontrollpunkt Köpenicker Straße erschossen, als er einem Ehepaar aus Thüringen bei der Flucht helfen wollte.
Wolfgang Röhling22. Mai 193822. Jun. 195315 JahreAls er mit Freunden im Spandauer Schifffahrtskanal baden wollte, wurde er von Angehörigen der Kasernierten Volkspolizei gezielt erschossen.
Theodor Schulz30. Jul. 190218. Aug. 195351 JahreBei dem Versuch erschossen, sich einer Kontrolle an der Sektorengrenze in der Bernauer Straße/Strelitzer Straße zu entziehen.
Richard Prey4. Okt. 190818. Dez. 195345 JahreBei der Flucht vor einer Kontrolle am Kontrollpunkt Melchiorstraße angeschossen und später im Krankenhaus Mitte verstorben. Er hatte Lebensmittel bei sich, die er in Ost-Berlin gekauft hatte und nach West-Berlin mitnehmen wollte.
Joachim Wozniak4. Sep. 193726. Dez. 195316 JahreAls Beifahrer im Wagen seiner Eltern bei der Rückkehr aus dem Urlaub am Grenzübergang Babelsberg/Dreilinden von sowjetischen Soldaten erschossen.
Alfred Hans Minckwitz29. Jul. 19061. Mai 195447 JahreKonnte sich am Kontrollpunkt nicht ausweisen und versuchte sich der Festnahme zu entziehen. Nach mehreren Warnschüssen erfolgte ein gezielter Schuss, der ihn schwer verletzte und an dessen Folgen er einen Tag später im Krankenhaus Mitte verstarb.
Karl Simon25. Mär. 192719. Jul. 195427 JahreNachdem Grenzpolizisten ihm die Weiterfahrt nach Berlin verweigert hatten, versuchte er, auf der Kupplung eines S-Bahn-Zuges heimlich die Grenze zu überqueren. Er stürzte ab und verunglückte nahe dem S-Bahnhof Falkensee tödlich.
Dr. Conrad Doebbecke26. Aug. 18898. Sep. 195465 JahreFuhr nahe dem Grenzübergang Dreilinden von West-Berlin auf die Autobahn in die DDR ein. Er versuchte sich der Festnahme zu entziehen, wurde am 10. August von Volkspolizisten angeschossen und verstarb an den Folgen.
Stefan Majura192425. Aug. 195429–30 JahreSelbsttötung in Gewahrsam nach der Festnahme durch die Grenzpolizei.
Johannes Meier26. Jan. 188629. Jan. 195569 JahreIm Grenzgebiet zwischen Buckow und Großziethen von Grenzpolizisten versehentlich erschossen, weil sie ihn für einen Flüchtling hielten.
Wilhelm Schwietzer30. Nov. 191021. Apr. 195544 JahreNahe dem S-Bahnhof Dreilinden mehrfach angeschossen, als er versuchte, einer Festnahme durch die Grenzpolizei zu entgehen. Er starb einige Stunden später im Städtischen Krankenhaus Babelsberg.
Fredi Bröker12. Nov. 19255. Jul. 195529 JahreAm 30. Juni 1955 von einem Volkspolizisten in seinem Wagen an der Elsenstraße in Berlin-Treptow angeschossen und am 5. Juli 1955 im Krankenhaus Neukölln verstorben. Er war ehemaliger DDR-Bürger und lebte in West-Berlin unter dem Namen Wolfgang Pankow. Er arbeitete vermutlich für einen westlichen Nachrichtendienst oder eine antikommunistische Organisation.
Otto Borstel16. Feb. 193318. Sep. 195522 JahreVon einem Volkspolizisten bei einer Kontrolle an der Kreuzung Fritz-Heckert-Straße und Leuschnerdamm erschossen.
Wilhelm Runge10. Feb. 192721. Nov. 195528 JahreIn der Alexandrinenstraße in Berlin-Mitte von einem Volkspolizisten erschossen, weil dieser vermutete, dass Runge Schrott stehlen und nach West-Berlin bringen wollte.
Walter Tögel18. Mär. 192130. Dez. 195534 JahreAm Kontrollpunkt Invalidenstraße in Berlin-Mitte bei einer Kontrolle durch Volkspolizisten angeschossen und im Krankenhaus der Volkspolizei in der Scharnhorststraße verstorben.
Hans-Roland Scholz4. Apr. 194023. Mär. 195615 JahreBei der Flucht nach West-Berlin von einem Grenzpolizisten bei Berlin-Grünau erschossen.
Else Auris13. Sep. 190815. Apr. 195748 JahreBei der Flucht im Osdorfer Wald bei Heinersdorf von Grenzpolizisten angeschossen und kurz darauf den Verletzungen erlegen.
Iwanowitsch Scholomitzki193626. Apr. 195821–22 JahreSowjetischer Deserteur, der nach West-Berlin fliehen wollte. Als er bei der Fahndung entdeckt wurde, kam es zu einem Schusswechsel mit Grenzpolizisten und sowjetischen Soldaten, in dessen Verlauf er sich selbst erschoss.
Gerhard Hübner2. Aug. 195312. Nov. 19596 JahreBei der Flucht in der Babelsberger Enge nahe der Glienicker Brücke ertrunken. Der sechsjährige Junge war zusammen mit einem oder zwei Freunden aus einem Kinderheim ausgerissen und hatte versucht, nach West-Berlin zu schwimmen.
Otto Ackermann5. Apr. 191618. Nov. 195943 JahreAm Kontrollpunkt Erkner festgenommen und am Morgen im Gewahrsam der Grenzpolizei erhängt aufgefunden.

Quelle: Gerhard Sälter, Johanna Dietrich, Fabian Kuhn: Die vergessenen Toten. Todesopfer d​es DDR-Grenzregimes i​n Berlin v​on der Teilung b​is zum Mauerbau (1948–1961).[1]

2. West-Berliner Polizeibeamte und alliierte Soldaten, die im Dienst getötet wurden
NameGeborenGestorbenAlterTodesumstände
Sergeant John E. Staff25. Nov. 1949Der amerikanische Sergeant verfuhr sich im Dienstwagen in Berlin-Gatow und wurde in der Nähe eines Kontrollpunktes der DDR von Grenzposten beschossen. Staff verstarb im Militärhospital am britischen Flugplatz in Gatow.
Sergeant Robert F. DeBrake9. Jan. 19277. Sep. 195124 JahreDer Sergeant der US-Armee wurde am Abend des 6. September 1951 an der Lessingstraße in Teltow von einem Grenzpolizisten angeschossen und verstarb am folgenden Tag an seinen Verletzungen. Vermutlich hatte er die unzureichend gekennzeichnete Grenze nicht erkannt.
Oberwachtmeister Herbert Bauer30. Nov. 192525. Dez. 195227 JahreWest-Berliner Polizeibeamter, der an der Grenze bei Berlin-Frohnau von sowjetischem Soldaten erschossen wurde, als er eine Familie in West-Berlin vor deren Zudringlichkeiten schützen wollte.

Quelle: Gerhard Sälter, Johanna Dietrich, Fabian Kuhn: Die vergessenen Toten. Todesopfer d​es DDR-Grenzregimes i​n Berlin v​on der Teilung b​is zum Mauerbau (1948–1961).[5]

3. Grenz- und Volkspolizisten, die im Dienst getötet wurden
NameGeborenGestorbenAlterTodesumstände
Fritz Maqué7. Aug. 189831. Okt. 194850 JahreDer Oberwachtmeister der Ost-Berliner Polizei wurde am Grenzübergang Oberbaumbrücke durch einen PKW, der die Kontrolle vermeiden wollte, angefahren und tödlich verletzt.
N.N.20. Jun. 1953Der namentlich nicht bekannte Offizier der Kasernierten Volkspolizei (KVP) war im Zusammenhang mit dem Aufstand vom 17. Juni 1953 zusätzlich zur Grenzbewachung herangezogen worden. Er wurde von einem Posten der KVP am Grenzkontrollpunkt Sonnenallee, den er inspizieren wollte, erschossen, weil er auf Anruf nicht stehen geblieben war.

Quelle: Gerhard Sälter, Johanna Dietrich, Fabian Kuhn: Die vergessenen Toten. Todesopfer d​es DDR-Grenzregimes i​n Berlin v​on der Teilung b​is zum Mauerbau (1948–1961).[6]

Siehe auch

Literatur

  • Gerhard Sälter, Johanna Dietrich, Fabian Kuhn: Die vergessenen Toten. Todesopfer des DDR-Grenzregimes in Berlin von der Teilung bis zum Mauerbau (1948–1961). Ch. Links, Berlin 2016, ISBN 978-3-86153-933-9.
  • Hans-Hermann Hertle, Maria Nooke: Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961–1989. Ein biographisches Handbuch. Ch. Links, Berlin 2009, ISBN 978-3-86153-517-1.

Einzelnachweise

  1. Gerhard Sälter, Johanna Dietrich, Fabian Kuhn: Die vergessenen Toten. Todesopfer des DDR-Grenzregimes in Berlin von der Teilung bis zum Mauerbau (1948–1961). Berlin 2016, S. 97 ff.
  2. Gerhard Sälter, Johanna Dietrich, Fabian Kuhn: Die vergessenen Toten. Todesopfer des DDR-Grenzregimes in Berlin von der Teilung bis zum Mauerbau (1948–1961). Berlin 2016, S. 16–18.
  3. Standesamt Prenzlauer Berg: Todesurkunde Kurt Wolf. Nr. 278/1949.
  4. Standesamt Kreuzberg von Berlin: Todesurkunde Helmut Ryll. Nr. 577/1949.
  5. Gerhard Sälter, Johanna Dietrich, Fabian Kuhn: Die vergessenen Toten. Todesopfer des DDR-Grenzregimes in Berlin von der Teilung bis zum Mauerbau (1948–1961). Berlin 2016, S. 225–237.
  6. Gerhard Sälter, Johanna Dietrich, Fabian Kuhn: Die vergessenen Toten. Todesopfer des DDR-Grenzregimes in Berlin von der Teilung bis zum Mauerbau (1948–1961). Berlin 2016, S. 239–242.
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