Liste der Klassischen Philologen an der Karl-Ferdinands-Universität

Die Klassischen Philologen a​n der Karl-Ferdinands-Universität i​n Prag vertraten d​ie Fächer d​er Altertumswissenschaft, besonders Latinistik u​nd Gräzistik.

Geschichte

Die Karl-Ferdinands-Universität z​u Prag i​st die älteste Hochschule, d​ie im deutschsprachigen Raum gegründet wurde. Der Professor d​er Ästhetik u​nd klassischen Literatur vertrat d​ie Altertumskunde, a​ber die Professur w​ar bis Mitte d​es 19. Jahrhunderts v​on Ästheten u​nd Literaten, n​icht von Altertumswissenschaftlern i​m modernen Sinne besetzt.

Dies änderte s​ich durch d​ie Reform d​es österreichischen Bildungswesens i​m Jahr 1848. Im Zuge dessen w​urde ein philologisches Seminar z​ur Bildung d​er Gymnasiallehrer gegründet u​nd die Professur d​er klassischen Literatur Georg Curtius besetzt, d​er in Bonn u​nd Berlin studiert hatte. In d​er folgenden Zeit k​amen zu dieser Professur z​wei weitere Lehrstühle hinzu.

Nach d​er Annexion Tschechiens d​urch das Deutsche Reich i​m Jahr 1939 wurden f​ast alle bisherigen Dozenten u​nd Professoren entlassen u​nd deportiert (die sogenannte Sonderaktion Prag). Ihre deutschen Nachfolger wirkten n​och bis z​um Kriegsende a​n der Universität. Nach d​er Besetzung Tschechiens d​urch die Rote Armee 1945 w​urde das Institut für Klassische Philologie zusammen m​it der Deutschen Universität Prag geschlossen.

Angegeben s​ind in d​er ersten Spalte d​er Name d​er Person u​nd ihre Lebensdaten, i​n der zweiten Spalte w​ird der Eintritt i​n die Universität angegeben, i​n der dritten Spalte d​as Ausscheiden. Spalte v​ier nennt d​ie höchste a​n der Deutschen Universität Prag erreichte Position. An anderen Universitäten k​ann der entsprechende Dozent e​ine noch weitergehende wissenschaftliche Karriere gemacht haben. Die nächste Spalte n​ennt Besonderheiten, d​en Werdegang o​der andere Angaben i​n Bezug a​uf die Universität o​der das Seminar. In d​er letzten Spalte stehen Bilder d​er Dozenten, sofern welche vorhanden sind.

Liste der Klassischen Philologen

Wissenschaftler von bis Funktionen Bemerkungen Bild
August Gottlieb Meißner (1753–1807) 1785 1805 Ordinarius Professor der Ästhetik und klassischen Literatur; Schriftsteller; wechselte an das Gymnasium zu Fulda
Karl Agnel Schneider (1766–1835) 1805 1806 Vertretung Jurist in Prag, Schriftsteller und Dichter; Vertretung der Professur für Ästhetik und der klassischen Literatur; später Justizdirektor des Grafen Colloredo-Wallsee
Joseph Georg Meinert (1773–1844) 1806 1811 Ordinarius ursprünglich Gymnasiallehrer; Supplent der Ästhetik und der klassischen Literatur, später Professor der Ästhetik, Geschichte der Künste und Wissenschaften sowie der Philosophie
Alois Klar (1763–1833) 1806 1831 Ordinarius Professor der griechischen Philologie und der klassischen Literatur
Johann Heinrich Dambeck (1774–1820) 1812 1820 Ordinarius Schüler Meißners, Schriftsteller, Übersetzer aus dem Englischen und Italienischen; Professor der Ästhetik, Geschichte der Künste und Wissenschaften sowie der Philosophie
Anton Müller (1792–1843) 1826 1842 Ordinarius Professor der Ästhetik und klassischen Literatur; Schriftsteller und Lieddichter
Josef Wessely 1843 1844 Vertretung
Michael von Canaval (1798–1868) 1845 1848 Ordinarius Professor der Ästhetik und klassischen Literatur; Schriftsteller
Georg Curtius (1820–1885) 1849 1854 Ordinarius Professor der Klassischen Literatur, Vorreiter der griechischen Sprachforschung (Griechische Schulgrammatik, 1852), hielt Vorlesungen über vergleichende Formenlehre; 1851 Ordinarius; wechselte 1854 nach Kiel, 1861 nach Leipzig
Georg Bippart (1816–1892) 1852 1883 Extraordinarius Pindar- und Horaz-Forscher
Ludwig Lange (1825–1885) 1855 1859 Ordinarius Nachfolger Curtius’, Sprachwissenschaftler und Historiker, hielt Vorlesungen über vergleichende Syntax; wechselte als Ordinarius nach Gießen
Franz Hochegger (1815–1875) 1859 1860 Ordinarius Nachfolger Langes, trieb die Gymnasialreform voran; 1860 Direktor des Akademischen Gymnasiums in Wien
Alfred Ludwig (1832–1912) 1860 1871 Extraordinarius Nachfolger Hocheggers, Sprachforscher, Begründer der Indologie in Österreich; Professor für Klassische Philologie und Vergleichende Sprachenkunde, ab 1871 ausschließlich für Vergleichende Sprachwissenschaft
Jan Kvíčala (1834–1908) 1861 1882 Ordinarius Prager Curtius-Schüler, erster Professor tschechischer Nation; 1861 als Inhaber einer dritten (außerordentlichen) Professur berufen, 1867 zum Ordinarius ernannt; ging bei der Teilung der Universität 1882 an die Tschechische Universität
Gustav Linker (1827–1881) 1871 1881 Ordinarius Nachfolger Ludwigs; Sallust- und Cicero-Forscher
Otto Keller (1838–1927) 1881 1909 Ordinarius Nachfolger Linkers, Historiker und Philologe, forschte zur Metrik und Naturwissenschaft der Römer; 1909 emeritiert
Carl von Holzinger (1849–1935) 1883 1921 Ordinarius Nachfolger Bipparts, nicht habilitiert; zunächst Extraordinarius, 1887 Ordinarius; Aristophanes-Forscher
Alois Rzach (1850–1935) 1876 1923 Ordinarius Nachfolger Kvíčalas; zunächst Privatdozent, 1883 auf Wirken Kellers und Holzingers Extraordinarius, 1887 Ordinarius, 1923 emeritiert, weitere Lehrtätigkeit als Honorarprofessor; Hesiod-, Epen- und Orakelforscher
Siegfried Reiter (1863–1943) 1901 1938 Ordinarius 1901 in Prag habilitiert, 1913 Extraordinarius, 1922 Nachfolger Holzingers, 1933 emeritiert; Spezialist für hellenistische und christliche Autoren
Otto Plasberg (1869–1924) 1909 1911 Ordinarius Nachfolger Kellers, Cicero-Forscher; wechselte 1911 nach Straßburg
Alfred Klotz (1874–1956) 1911 1920 Ordinarius Nachfolger Plasbergs, Spezialist zur römischen Prosaliteratur; wechselte nach Erlangen
Theodor Hopfner (1886–1946) 1919 1945 Ordinarius 1919 Privatdozent, 1923 als Extraordinarius Nachfolger Rzachs, 1928 Ordinarius; Religionswissenschaftler und Orientalist
Edgar Martini (1871–1932) 1922 1932 Ordinarius Nachfolger Klotz’; Textkritiker und Photios-Forscher
Maximilian Adler (1884–1944) 1933 1939 Extraordinarius Lehrstuhlvertreter nach Martinis Tod, 1937 Extraordinarius; 1939 entlassen, 1942 nach Theresienstadt deportiert, 1944 in Auschwitz ermordet; Spezialist zur griechischen Philosophie (besonders der Stoa)
Artur Biedl (1904–1950) 1931 1938 Assistent Spezialist zur römischen Geschichtsschreibung, hielt Lehrveranstaltungen über griechische und römische Themen ab, ging 1938 als Gymnasiallehrer nach Teplitz
Anton Blaschka (1892–1970) 1939 1944 Privatdozent Mittellateiner, 1939 zur Unterstützung von Hopfner eingestellt; 1944 zur Wehrmacht eingezogen
Viktor Stegemann (1902–1948) 1940 1945 Ordinarius Nachfolger Reiters, Religionswissenschaftler; floh 1945 nach München
Viktor Pöschl (1910–1997) 1940 1942 Privatdozent Latinist; 1942 zur Wehrmacht eingezogen, ab 1948 an der Universität Graz

Erster Lehrstuhl (Ordinariat):

Zweiter Lehrstuhl (Extraordinariat, später Ordinariat):

Dritter Lehrstuhl (Extraordinariat, später Ordinariat):

Literatur

  • Franz Brunhölzl: Theodor Hopfner (1886–1945), Viktor Stegemann (1902–1948), Albert Rehm (1871–1949). In: Eikasmós 4, 1993, S. 203–216.
  • Martin Sicherl: Erinnerungen an Prag (1933–1937). In: Eikasmós 4, 1993, S. 85–94.
  • Martin Sicherl: Die Klassische Philologie an der Prager deutschen Universität 1849–1945. In: Schriften der Sudetendeutschen Akademie der Wissenschaften und Künste 20, 1999, S. 285–337 (gekürzte Fassung in: Eikasmós 14, 2003, S. 393–419).

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