Le-Mans-Prototyp
Ein Le-Mans-Prototyp (kurz: LMP) ist ein speziell für den Automobilrennsport, insbesondere für Sportwagenrennen wie die 24-Stunden-Rennen von Le Mans, die United SportsCar Championship, European Le Mans Series und die World Endurance Championship, angefertigter Prototyp. Geschaffen vom Automobile Club de l’Ouest (ACO) sind sie die schnellsten Rennwagen mit geschlossenen Radkästen, die heute bei Rundkursrennen eingesetzt werden. Sie sind eine Klasse über den serienbasierten GT-Wagen angesiedelt. Ihre Kosten und ihre Technologie machen sie mit den Fahrzeugen der Formel 1 vergleichbar.
Obwohl sie gemeinhin als Le-Mans-Prototypen bekannt sind, wurden für diesen Fahrzeugtyp, je nach Rennserie, verschiedene Namen gebraucht. Seit 2004 werden sie in allen Klassen als Le-Mans-Prototypen (LMP) bezeichnet.
Geschichte
Den ersten Eindruck, was Le-Mans-Prototypen einmal werden würden, erhielt man beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 1992. Im Bestreben, die Anzahl der Teilnehmer über die kleine Kategorie der Gruppe-C-Wagen hinaus zu vergrößern, wurden die älteren Porsche 962 für die Kategorie 3 zugelassen. Außerdem wurden kleinere Rennwagen mit offenem Cockpit und normalen Straßenmotoren, wie sie auch in kleineren, nationalen Rennserien zum Einsatz kamen, in der Kategorie 4 zugelassen. Nur drei Fahrzeuge wurden angemeldet, die alle durch Defekte ausfielen.
Schließlich endeten sowohl die World Sportscar Championship als auch die All Japan Sports Prototype Championship und ließen den teuren Gruppe-C-Prototypen wenig Spielraum zu Wettbewerbseinsätzen außerhalb der 24 Stunden von Le Mans.
Mit dem Auslaufen der Gruppe C erlaubte der ACO, dass das erste Mal seit vielen Jahren wieder seriennahe Rennwagen zum Einsatz kommen durften.
1994 bis 1999: LMP1, LMP2 & LMPGT
1993 entwickelte der Automobile Club de l’Ouest ein neues Reglement als Nachfolger für die Gruppe C: die Le-Mans-Prototypen-Klasse (LMP) sowie die GT1-Klasse. Einmal die speziell entwickelten, hubraumstarken und normalerweise mit Turboladern ausgestatteten LMP1 und die LMP2, die kleinere seriennahe Motoren verwendete. Die GT1-Klasse war eigentlich seriennahen Fahrzeugen vorbehalten, die Rennwagen mussten ein Pendant auf der Straße haben, LMP-Prototypen betraf diese Regelung nicht. Der ACO verkündete auch, dass die Le-Mans-Prototypen bis 1994 die Gruppe-C-Wagen ersetzen sollten.
Nach 1999 trat ein neues Reglement in Kraft. Die bisherige GT1-Klasse wurde abgeschafft, als Ersatz die LMGTP-Klasse geschaffen. Nunmehr mussten für diese Prototypen-GT-Klasse keine Straßenfahrzeuge mehr gebaut werden.
2000 bis 2004: LMP900- & LMP675-Reglement
Im Jahr 2000 wurde ein neues Reglement für zwei Prototypen Klassen geschaffen: Einmal die „LMP900“ und die „LMP675“ Klasse. Beide Namen gehen auf das minimale Gewicht der jeweiligen Klasse zurück. Die Prototypen durften maximal 4650 mm lang, 1020 mm hoch und 2000 mm breit sein.[1]
Die LMP900 Fahrzeuge durften Motoren bis zu 6000 cm³ bei Normalen Ottomotoren und 4000 cm³ bei Turboaufgeladenen Motoren verwenden, die Zylinderanzahl war nicht begrenzt. Fahrzeuge der LMP675 Klasse durften bei normalen Ottomotoren maximal 8 Zylinder mit 3400 cm ³ Hubraum oder bei Turboaufgeladenen Motoren maximal 6 Zylinder mit 2000 cm³ Hubraum verbauen.
Beide Klassen waren sowohl für private Hersteller, als auch für Werke offen. So entwickelten in dieser Zeit Audi, Chrysler, Cadillac & Panoz Fahrzeuge nach dem LMP900-Reglement während MG ein Fahrzeug nach dem LMP675-Reglement baute.
2005 bis 2013: Neues LMP1- & LMP2-Reglement
Im Jahr 2004 begann der Automobile Club de l’Ouest mit der Umstrukturierung der zwei gesamtsiegfähigen Prototypen-Klassen LMP900 und LMP675 in eine hierarchisch Struktur mit schnelleren LMP1 für Werks- und professionelleren Privatteams und kostengünstigeren LMP2. Das Reglement trat 2005 in Kraft, alle älteren Prototypen durften mit Anpassungen als sogenannte 'Hybrids' bis 2006 weiter fahren.
2009 führte der ACO eine Reihe von Modifikationen sowohl am technischen Reglement ein. So durften ab 2009 LMP1-Le-Mans-Prototypen mit Energierückgewinnungssystemen an der Meisterschaft teilnehmen
Ab dem Jahr 2011 mussten alle LMP Fahrzeuge eine Finne am Heck besitzen, die das Überschlagen des Prototyps verhindern soll.
2014 bis heute: LMP1-Hybriden, kostengünstige LMP2 und neues LMP3-Reglement
Der Automobile Club de l’Ouest und die FIA begannen im Jahr 2012 mit der Ausarbeitung des LMP1-Reglements für das Jahr 2014. Die LMP1-Klasse wurde in zwei Kategorien aufgeteilt: LMP1-H und LMP1-L. Das Kürzel „H “ hinter den Namen steht für Hybrid und das Kürzel "L" für Leichtbau. In der LMP1-H-Kategorie sind die Hersteller seitdem verpflichtet, mit KERS-Prototypen an den Start zu gehen. Privatteams hingegen dürfen nur in der Hybridlosen LMP1-L-Klasse teilnehmen. In beiden Kategorien dürfen nur noch geschlossene Fahrzeuge teilnehmen.
Die verschiedenen Hybrid- und Motorensysteme werden mittels einer sogenannten Equivalence of Technology angeglichen, um eine Chancengleichheit zu gewährleisten. Die Angleichung erfolgt dabei über die pro Runde zur Verfügung stehende Energiemenge aus Hybrid- und mechanischem Motor.[2]
Im Jahr 2014 wurde auch die LMP3-Klasse angekündigt. Diese Klasse ist als kostengünstiger Einstieg in den Langstrecken- und Prototypensport gedacht. Um die Kosten im Rahmen zu halten, dürfen nur zertifizierte Hersteller LMP3-Fahrzeuge bauen, außerdem gibt es eine Kostenobergrenze für ein fahrbereites Chassis.
In der LMP2-Klasse sind ab 2016 aus Sicherheitsgründen nur noch Fahrzeuge mit geschlossenem Cockpit zugelassen. Um ein technisches Wettrüsten in der LMP2-Klasse zu vermeiden, dürfen ab 2017 nur noch vom Automobile Club de l’Ouest zertifizierte Hersteller teilnehmen. Auch wurden viele Bauteile vereinheitlicht, um die Kosten weiter im Rahmen zu halten, wie zum Beispiel ein Einheitsmotor und eine Einheitselektronik oder eine Kostenobergrenze für ein fahrbereites Fahrzeug.
Fahrzeugtypen
Man unterscheidet offene Le Mans Roadster (LMR) und geschlossene Le Mans Prototypen (LMP). Beide Fahrzeugtypen können in beiden Leistungsklassen, z. B. LMR1 oder LMR2, homologiert werden. Geschlossene Fahrzeuge müssen eine Windschutzscheibe, ein Dach und an jeder Seite eine Tür haben, also über ein geschlossenes Cockpit verfügen. Obwohl kein Passagiersitz eingebaut sein muss, ist die minimale Cockpitgröße so festgelegt, dass neben dem Fahrer ein Passagier Platz finden würde. Der dadurch entstehende freie Bereich im Cockpit wird meistens für Kühlung, Funk, Feuerlöscher und andere Elemente genutzt. Beim Roadster spielt der offene Bereich eine wichtige Rolle, weil oft der abgebende Fahrer im Cockpit „auf der Beifahrerseite“ verbleibt, um dem einwechselnden Fahrer beim Anschnallen etc. zu helfen.
LMP1
LMP1-Fahrzeuge verwenden innovative Technologien, wie beispielsweise verschiedene Arten von Energierückgewinnungssystemen. Das Reglement erlaubt eine freie Wahl aus Konzepten wie Front-, Mittel- oder Heckmotoren, Front- oder Standardantrieb, Otto- oder Dieselmotoren sowie Saug- oder Turbomotoren. Hybridsysteme sind erlaubt und können beispielsweise eingesetzt werden, um einen temporären Allradantrieb darzustellen.
In der LMP1-Klasse müssen Hersteller ein Hybridsystem verbauen, Privatteams hingegen dürfen dies nicht. Teilnahmeberechtigt sind LMP1-Fahrzeuge nur in der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft.
Technisches Reglement
Die Hauptregeln des Technischen Reglements (Stand: 2017[3]) sind unten aufgelistet:
LMP1-H (Werksteams) | LMP1 (Privatteams) | |
---|---|---|
Mindestgewicht | 878 kg | 833 kg |
Länge | max. 4650 mm | |
Höhe | max. 1050 mm | |
Breite | 1800 – 1900 mm | |
Verbrennungsmotor | Otto- oder Diesel-Viertakt-Hubkolbenmotor | |
Hubraum | nicht limitiert | 5.500 cm³ |
Anzahl der Zylinder | nicht limitiert | |
Aufladung | bis 4 bar | |
Energierückgewinnung | max. 2 Energy Recovery Systeme | nein |
Tank | 62,3 l Benzin oder 50,1 l Diesel | 75 l Benzin |
Reifendurchmesser | max. 28″ | |
Reifenbreite | max. 14″ |
Sonstiges
- LMP1: Die max. Kraftstoffdurchflussrate und die Kraftstoffenergie pro Runde sind limitiert. Bei den LMP1-H-Fahrzeugen muss festgelegt werden, wie viel Energie pro Runde zurückgewonnen werden soll (2-, 4-, 6- bzw. 8-MJ-Klasse).
- Biokraftstoffe sind in beiden Klassen erlaubt.
- Die Karosserie muss alle mechanischen Teile verdecken, sodass sie weder direkt von vorne, oben oder der Seite gesehen werden können.
LMP2
Die LMP2-Klasse ist unter der LMP1- und über der LMP3-Klasse angesiedelt. In der Vergangenheit durften offene und geschlossene Fahrzeuge in der LMP2-Klasse fahren, aus Sicherheitsgründen sind ab 2016 nur noch geschlossene Cockpits zugelassen.
Dadurch, dass Fahrzeuge der LMP1-Klasse nur in der FIA-Langstrecken-Weltmeisterschaft teilnehmen dürfen, stellt die LMP2-Klasse in vielen Rennserien die Top-Klasse dar. Seit dem Jahr 2017 sind nur noch Fahrzeuge von Automobile Club de l’Ouest zertifizierten Herstellern zugelassen.
Aktuell sind folgende Hersteller und Fahrzeuge zertifiziert:
Technisches Reglement
Die Fahrzeuge besitzen ein geschlossenes Cockpit und verwenden einen V8-Einheitsmotor, mit 4200 cm³ Hubraum, von der Firma Gibson Technology. Eine Einheitselektronik von Cosworth wird verwendet. Ein rennbereites Chassis darf nicht mehr als 483.000 € kosten. Außerdem muss jede Fahrerpaarung mind. einen Amateurfahrer aufweisen (Silver or Bronze license class).
Leergewicht: | 990 kg |
Länge: | 4750 mm[4] |
Breite: | 1900 mm |
Tankkapazität: | 75 L Benzin |
Bilderserie eines LMP2 von Lotus
Lotus LMP2 Werksrennwagen, Baujahr 2012, aus der John Player Special (JPS) Black & Gold Collection, bei den Hockenheim Historic 2021
LMP3
Die LMP3-Klasse ist als Einstiegsklasse in den Langstreckensport gedacht. Die Rennklasse wurde im Jahr 2014 vom Automobile Club de l’Ouest angekündigt[5], seit 2015 werden Rennen mit diesen Fahrzeugen ausgetragen. Die Fahrzeuge besitzen Einheitsteile: Das Getriebe kommt von X-Trac und die Fahrzeugelektronik von Magneti Marelli.
Nur vom Automobile Club de l’Ouest zertifizierte Hersteller dürfen Fahrzeuge der LMP3-Klasse herstellen.
Aktuell sind folgende Hersteller und Fahrzeuge zertifiziert: