Kreditscoring
Ein Kreditscore (von engl. to score -punkten, score – Punktestand) ist ein Zahlenwert auf Basis einer statistischen Analyse, der die Kreditwürdigkeit einer Person repräsentiert. Mit Kreditscoring versuchen Unternehmen die Kreditwürdigkeit von Kunden oder Partnerunternehmen nach einem vorgegebenen Verfahren mehr oder weniger automatisiert zu ermitteln.
Im allgemeineren Sinne bezeichnet Scoring die Verwendung eines Wahrscheinlichkeitswerts über ein bestimmtes zukünftiges Verhalten einer natürlichen Person zum Zweck der Entscheidung über die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses mit dieser Person (§ 31 BDSG).
Auf Basis von Kreditnehmer-Merkmalen wie „Kunde seit“, „Wohnort“, „Beruf“, „Sicherheiten“ werden Punkte vergeben, diese gewichtet und dann zu einer einzelnen Bonitäts-Note zusammengefasst, um mit diesem Gesamtscore die Kreditvergabe zu erleichtern. Ist die Bonität ausreichend, kann ein Kredit gewährt werden. Scores können allerdings nicht nur zur Kreditentscheidung an sich, sondern auch zur Festlegung von Zinssätzen und Kreditlinien dienen.
Motivation ist, Risiken zu vermeiden und auf Basis einer statistisch unterfütterten Methode objektivierte Entscheidungen zu erhalten. Je besser das zugrunde liegende Scoring-Modell die Wirklichkeit abbildet, desto weniger Kreditausfälle wird es geben. Scoring-Modelle und die dort einfließenden Merkmale müssen ständig gepflegt werden.
Die konkreten Regeln und Algorithmen einer Punktevergabe und -gewichtung werden "Scorekarte" genannt, nach dem gleichlautenden Begriff aus dem Sport. Es gibt verschiedene Techniken um geeignete Scorekarten zu entwickeln, wie etwa die Logistische Regression, Diskriminanzanalyse, Künstliche neuronale Netze und andere Data-Mining-Methoden.
Interne und externe Scores
Kreditscores können auf eigenen Daten eines Unternehmens (etwa Personenstammdaten, Kreditantragsdaten) beruhen oder externe Daten, etwa von Auskunfteien berücksichtigen.
Intern ermittelte Kreditscores müssen nicht mit externen Ratings übereinstimmen, so dass sich u. U. unterschiedliche Ausfallwahrscheinlichkeiten ergeben. Dies kann vielfältige Gründe haben:
- verschiedene Inputs
- verschiedene Informationsaggregationsverfahren
- verschiedene Ratingskalen
- Banken erstellen intern „point in time“-Ratings, d. h. eine Ausfallprognose für ein Jahr nach Beurteilungszeitpunkt, während externe Ratings auf einem „through the cycle“-Ansatz, d. h. einer Ausfallprognose über den Konjunkturzyklus beruhen.
Kreditscoring im Privatkundengeschäft
Kreditscoring wird als ein statistisches Verfahren von Kreditinstituten angewendet, um eine Risikoklassifizierung für private standardisierte Ratenkredite und Kleinkredite durchzuführen. Derartige Kredite werden üblicherweise unbesichert vergeben und ausschließlich auf die persönliche Bonität des oder der Kreditnehmer abgestellt.
Es wird bei der Bearbeitung von Ratenkrediten eine schnelle Kreditentscheidung angestrebt, wobei nur in einem geringen Maße die detaillierte Vermögenssituation des Kreditnehmers geklärt werden kann.
Es werden persönlichen Eigenschaften (wie etwa der Beruf, Arbeitgeber, Familienstand, Kontoführung im eigenen Haus, positive und negative Merkmale der SCHUFA-Auskunft) und wirtschaftlichen Verhältnisse (verfügbares Einkommen sowie Vermögensverhältnisse, erwartete Ausgaben) herangezogen. Bei eigenen Kunden kann auf Erfahrungen in deren Kundenbeziehung zurückgegriffen werden; durch den Kreditsachbearbeiter wird in traditioneller Form die Kreditwürdigkeitsentscheidung nach einem persönlichen Gespräch vorgenommen, die zwar auf einer subjektiven, intuitiven Beurteilung erfolgt, aber auch einen ganzheitlichen Eindruck liefert.
Die erfassten Merkmale werden durch eine Punktbewertung standardisiert (Kreditscoring). Bewertungsregeln, die die zu erhebenden Daten klassifizieren und einem Punktwert (dem Score) zuordnen, können in verschiedenen Verfahren niedergelegt sein. Neben eigenständigen Anwendungen sind Tabellenverarbeitungsprogramme oder papierbasierte Verfahrensbeschreibungen üblich.
Zulässigkeit gemäß § 28b BDSG
Am 1. April 2010 trat eine Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) in Kraft, der zufolge Scoring (§ 28b BDSG) zum Zweck der Entscheidung über die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses mit dem Betroffenen zulässig ist, wenn die verwendeten Daten nach einem wissenschaftlich anerkannten mathematisch-statistischen Verfahren nachweislich für die Entscheidung erheblich sind, im Fall von Auskunfteien eine Übermittlung der verwendeten Daten zulässig wäre, für die Berechnung nicht ausschließlich Anschriftendaten genutzt werden und im Fall der Nutzung von Anschriftendaten der Betroffene vorher über die Nutzung dieser Daten unterrichtet worden ist.
Auskunft gemäß § 34 BDSG
Seit dem 1. April 2010 sind Unternehmen, die Scoring verwenden, nach § 34 Abs. 2 BDSG verpflichtet, dem Betroffenen Auskunft über die in den letzten 6 Monaten ermittelten Wahrscheinlichkeitswerte, die zur Berechnung verwendeten Datenarten sowie das Zustandekommen und die Bedeutung der Wahrscheinlichkeitswerte einzelfallbezogen und nachvollziehbar in allgemein verständlicher Form zu geben.
Auskunfteien sind nach § 34 Abs. 4 verpflichtet, entsprechende Auskünfte über die in den letzten 12 Monaten an Dritte übermittelten Wahrscheinlichkeitswerte zu erteilen.
Situation nach der Datenschutz-Grundverordnung
Im April 2016 wurde die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verabschiedet. Seit Mai 2018 gilt diese unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten, ohne weitere Umsetzung in nationales Recht. Änderungen der Nationalstaaten sind nur eingeschränkt über sogenannte Öffnungsklauseln möglich. Die DSGVO wird bezüglich des Scoring den derzeitigen deutschen Datenschutz in einigen Bereichen deutlich absenken. So werden beispielsweise die Auskunftspflichten eingeschränkt, Geoscoring wird wieder zulässig und bestrittene Forderungen dürfen wieder übermittelt werden.[1] Letzteres könnte Verbraucher dazu nötigen, auch bei mangelhaften oder fehlenden Leistungen Rechnungen zu begleichen, um die Nachteile eines negativen Scores zu vermeiden.
Gleichzeitig mit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung trat für Deutschland mit § 31 des neuen Bundesdatenschutzgesetzes die ergänzende nationale Regelung für Scoring in Kraft.
Kreditscoring der Schufa
Die Schufa bietet ihren Kunden seit 1997 zusammen mit der Bonitätsauskunft über einzelne Verbraucher einen Scorewert auf Basis der bei ihr gespeicherten Daten an. Das ist ein Wert von 1 bis 100 %[2], der dem jeweiligen Verbraucher zugeordnet wird und die Wahrscheinlichkeit eines Kreditausfalles angibt. Je niedriger der Wert, desto größer die Ausfallwahrscheinlichkeit. Der Score-Wert ist abhängig vom Zweck, für den er angefragt wird – so erhalten beispielsweise Versicherungen andere Scorewerte als Mobilfunkanbieter. Jeder Verbraucher kann bei der Schufa die Scoreübermittlung zu seiner Person untersagen. Vielfach machen Unternehmen jedoch die Aufnahme einer Kundenbeziehung von einer positiven Schufa-Bewertung abhängig. Seit Anfang 2007 ist in der Eigenauskunft der Schufa der eigene Basis-Score-Wert in %-Werten zu sehen.
Die Schufa-Branchenscores wurden 2001 überarbeitet. Das Scoreverfahren basiert auf dem logistischen Regressionsmodell, das die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Zufallsereignisses mit zwei möglichen Ausgängen modelliert. Für das Verfahren von 2001 wurden ca. 6,7 Mio. anonymisierte Datensätze über eine „Reifezeit“ von 15 Monaten ausgewertet.[3] Von dem Branchenscore gibt es 7 verschiedene Arten. Diese sind: Hypothekenbank, Versandhandel, Handel, Telekommunikation, Genossenschaftsbanken und Sparkassen, Banken und die Schufa-Business-Line.
Seit 1. April 2010 konnten Verbraucher entsprechend § 34 Abs. 4 BDSG a. F. eine Auskunft über die historischen Wahrscheinlichkeitswerte – das heißt SCHUFA-Scores, die innerhalb der vergangenen 12 Monate an Schufa-Vertragspartner beauskunftet wurden – erhalten.
Zu den Merkmalen, welche die Schufa berücksichtigt, zählen beispielsweise Einträge über offene Kredite und über rechtsgültig gewordene Mahn- oder Vollstreckungsbescheide.
Die Schufa hält die Einzelheiten zur Berechnungsformel und zu den einfließenden statistischen Merkmalen ihres Scoring-Systems geheim.
Bis zum Jahr 2001 ist das Einholen einer Eigenauskunft als negatives Merkmal in das Scoring eingeflossen; nach massiven Protesten stellte die Schufa diese Praxis nach eigenen Angaben ein.
Aus den vom Kreditgeber so erfragten und maschinell ermittelten Daten wird eine Risikoklassifizierung ermittelt und die Kreditentscheidung vorbereitet.
Kreditrating im Firmenkundengeschäft
Im Firmenbereich werden die wirtschaftlichen Daten weitergehend analysiert; dabei steht die Analyse des Jahresabschlusses zur Informationsaufbereitung und -auswertung im Vordergrund. Tendenzaussagen werden getroffen sowie qualitative, zukunftsorientierte Faktoren berücksichtigt (bspw. das Potenzial des Humankapitals). Anschließend wird eine Ratingeinstufung vorgenommen. Im Ergebnis ähneln die von Banken berücksichtigten Risikofaktoren denen der großen Ratingagenturen. Sie berücksichtigen die finanzielle Situation, die Marktstellung sowie die Managementqualität. Eine langjährige Beziehung zum Kreditnehmer (Hausbankbeziehung) kann den Banken einen Informationsvorteil gegenüber Rating-Agenturen geben, welche nur über externe Informationen verfügen.
Vor- und Nachteile
Das Kreditscoring-Modell weist gegenüber konventionellen Verfahren Vor- und Nachteile auf:
Vorteile
- Standardisierung, persönliche Präferenzen des Kreditsachbearbeiters werden ausgeschaltet
- Empirisch validierbar (objektiv nachvollziehbar)
- EDV-technische Verfeinerung möglich
- Für die Kreditgeber (die nicht unbedingt Banken sein müssen, da das Verfahren auch bei der Warenfinanzierung einsetzbar ist) wird der Kreditentscheidungsprozess durch Automatisierung wirtschaftlicher.
- Beschleunigung der Kreditentscheidung
- Zeit- und Kostenersparnis
Nachteile
- Die persönliche Erfahrung der Kreditsachbearbeiter fließt nicht ein. Eine langjährige Geschäftsbeziehung zum Kreditnehmer stellt oftmals einen Informationsvorteil dar. Der Kreditsachbearbeiter entscheidet über seinen ganzheitlichen Eindruck vom Kreditnehmer. Einige technische Scoringlösungen berücksichtigen allerdings derartige Daten.
- Die Daten sind eventuell problematisch (Datenschutz)
- Die Entscheidung wird eventuell auf Basis veralteter oder fehlerhafter Daten getroffen (Datenqualität)
- Weitergabe oder Handel mit Daten sind möglich
- Abfrage ohne Kundeneinverständnis
- unzureichende Berücksichtigung qualitativer personenbezogener Daten
- ständige Aktualisierung nötig
Literatur
- Meike Kamp, Thilo Weichert: Forschungsprojekt Scoringsysteme zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit - Chancen und Risiken für Verbraucher -, erstellt vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) im Auftrag des BMVEL bzw. der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) vom 15.05. – 25.11.2005
- Kerstin Dittert: Scoring: Der Blick in die Kristallkugel (= Schriftenreihe Digitalisierung. Band 1). epubli, Berlin 2017, ISBN 978-3741884849.
- Andreas Henking, Christian Bluhm, Ludwig Fahrmeir: Kreditrisikomessung. Statistische Grundlagen, Methoden und Modellierung. Springer, Berlin u. a. 2006, ISBN 3-540-32145-4.
- Rothmann, Robert; Sterbik-Lamina, Jaro; Peissl, Walter (2014): “Credit Scoring in Österreich”; Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ITA/ÖAW); Studie im Auftrag der Bundesarbeiterkammer (AK Wien); ITA-Projektbericht Nr.: A66. ISSN 1819-1320
Weblinks
- Spiegel: Die neue Klassengesellschaft, Spiegel Verbraucherschutz, 21. April 2008
- Stern: Kundenscoring: Datendiebe in der Warteschleife
- Schufa-Grundlagenseite zum Thema "Scoring", Storing-Wissen.de
- Zeige mir dein Konto, und ich sag dir, wer du bist, in: derStandard.at (18. September 2014) von Karin Krichmayr.
Einzelnachweise
- Scoring: Rückschritt beim Datenschutz verhindern | VZBV. Abgerufen am 1. Februar 2017.
- FinanceScout24: Schufa-Score: Kennen Sie Ihren Score & die Bedeutung? In: FinanceScout24. 7. Mai 2015 (financescout24.de [abgerufen am 14. November 2016]).
- R. Hüls, A. Henking (2003): „Mit Scoring zu mehr Ertrag“ in „Bank und Markt“, Heft 03/2003