Kloster Obermarchtal
Das Kloster Obermarchtal (lat. Abbatia Marchtallensis) ist ein ehemaliges reichsunmittelbares Prämonstratenser-Chorherrenstift und liegt in der Gemeinde Obermarchtal zwischen Ehingen und Riedlingen, östlich von Zwiefalten im Alb-Donau-Kreis. In Nachbarschaft liegt der Ort Untermarchtal mit dem gleichnamigen Vinzentinerinnen-Kloster.
Geschichte
Im Jahr 776 übertrugen die Nachkommen des Halaholf († vor 776) (Ahalolfinger) und der Hitta das von diesen gestiftete Petrus-Kloster der Abtei Sankt Gallen. 993 bestand das Kloster als ein von Hermann II., Herzog von Schwaben und seiner Ehefrau Gerberga den Aposteln Petrus und Paulus gewidmetes Kanonikerstift, das den Herzögen von Schwaben als Grablege diente. Am 1. Januar 995 wurde die erweiterte Klosterkirche von Bischof Gebhard II. konsekriert.
Im 12. Jahrhundert war Marchtal im Besitz einer Reihe von schwäbischen Adligen, darunter auch die Staufer und insbesondere Kaiser Friedrich I., wobei die häufigen Besitzwechsel einen Niedergang des Klosters zur Folge hatten.
1171 wurde das Kloster von Pfalzgraf Hugo II. von Tübingen dem Prämonstranserorden übertragen und damit quasi als Doppelstift für Männer und Frauen neu gegründet und mit ausreichendem Besitz ausgestattet; die Chorherren des neuen Klosters wurden aus der Abtei Mönchsrot in Rot an der Rot geholt.
- Erster Propst der Neugründung wurde Eberhard von Wolfegg aus dem Kloster Mönchsrot.
- Propst Meinhardt ließ 1204–1208 die Klostermauern erneuern.
- Propst Konrad (1226–1275) verbot 1273 die Neuaufnahme von Frauen, so dass das Doppelkloster bald zum Männerkloster wurde.
- Propst Walther II. ließ die alte Stiftskirche zu einer dreischiffigen Basilika erweitern, die am 2. Mai 1239 von Bischof Heinrich I. von Konstanz geweiht wurde.
Vom Ende des 13. Jahrhunderts bis 1420 war Marchtal Eigenstift des Bischofs von Konstanz.
Im Jahr 1440 wurde Marchtal zur Abtei erhoben und erlangte 1500 als Mitglied des Schwäbischen Reichsprälatenkollegiums die Reichsunmittelbarkeit. Der Abt erhielt 1609 das Recht zum Tragen der Mitra. Am 11. September 1701 wurde ein weiterer Neubau der Stiftskirche geweiht, nachdem dieser, nach der Flucht der Chorherren 1632 vor angreifenden Schweden, 1686 begonnen worden war. Die Baumeister des barocken Neubaus waren Michael Thumb und nach seinem Tod im Jahr 1690 sein Bruder Christian Thumb sowie Franz Beer von Bleichten. 1770 übernachtete Marie-Antoinette, Erzherzogin von Österreich aus dem Haus Habsburg-Lothringen auf ihrer Brautfahrt von Wien nach Paris im Kloster Marchtal. Von 1800 bis 1803 war Johann Nepomuk Schelble (1789–1837) Chorknabe in der Abtei. Einhergehend mit der Säkularisation mussten Abt Friedrich II. und der Konvent im Jahr 1802 alle Rechte und Einkünfte an das Haus Thurn und Taxis abtreten, die es als Teil des Reichsfürstentum Buchau verwalteten, bevor es 1806 im Zuge der Mediatisierung an das Königreich Württemberg fiel. Des Weiteren mussten sie 1803 das Stift räumen, damit es als Verwaltungszentrale der Thurn und Taxis für die in Oberschwaben neu erhaltenen Besitzungen genutzt werden konnte. Zudem wurde eine Mädchenrealschule mit Internat von den Salesianerinnen gegründet, nachdem jene 1919 den Nordtrakt bezogen.
1972 wurde die Klosteranlage der Thurn und Taxis von der Diözese Rottenburg-Stuttgart gekauft, um diese zur Akademie für Lehrerfortbildung, die 1978 eröffnet wurde, umzubauen sowie die Realschule der Salesianerinnen 1992 von der Stiftung Freie Katholische Schule der Diözese Rottenburg-Stuttgart übernommen.
Am 16. September 2001 wurde die Stiftskirche St. Peter und Paul vom Diözesanbischof Dr. Gebhard Fürst zum Münster erhoben.[1] Die Klosterkirche ist eines der bekannten Beispiele für den süddeutschen Barock.
Hexenverfolgung
In der Zeit der Hexenprozesse wurden im Bereich des Reichsklosters Hexenverfolgungen durchgeführt. Diese Hexenprozesse beginnen im 16. Jahrhundert und reichen bis ins 18. Jahrhundert. Dabei lassen sich drei Verfolgungswellen unterscheiden: zwischen 1586 und 1596, um 1627/1628 und zwischen 1745 und 1757.[2] Die Besonderheit an den Marchtaler Hexenprozessen ist die Verfolgungspanik noch Mitte des 18. Jahrhunderts, der 7 Frauen zum Opfer fielen. Mindestens 60 Todesurteile gegen vermeintliche magische Delinquenten lassen sich insgesamt aus den Marchtaler Hexenprozessakten nachweisen.[2]
Heutige Nutzung der Anlage
Die von einer Mauer umgebene Klosteranlage Obermarchtal mit der Kirche St. Peter und Paul, der ehemaligen Klausur und mit seinen Wirtschaftshäusern wird heute von der Kirchlichen Akademie der Lehrerfortbildung Obermarchtal der Diözese Rottenburg-Stuttgart als Tagungshaus genutzt. Ihr Innenhof war Ort der Ausstellung „Marchtaler Fenster - Neue Kunst“.[3] Der Nordflügel der Anlage beherbergt die Realschule und das Gymnasium des Studienkollegs. In der Kirche St. Peter und Paul finden Gottesdienste und Konzerte statt.
Ehemalige Klosterkirche Münster St. Peter und Paul
Pröpste und Äbte von Marchtal
Pröpste
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Äbte
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(Quelle:[4])
Bildergalerie
- Putte im Münster
- Fenster mit Rocaille-Schmuck am Kloster
- Chorgestühl im Münster
Literatur
- Max Müller, Rudolf Reinhardt, Wilfried Schöntag (Hrsg.): Marchtal. Prämonstratenserabtei – Fürstliches Schloß – Kirchliche Akademie. Festgabe zum 300jährigen Bestehen der Stiftskirche St. Peter und Paul (1692 bis 1992). Süddeutsche Verlagsgesellschaft, Ulm 1992, ISBN 3-88294-182-0.
- Maximilian Müller/Winfried Aßfalg: Ehemaliges Prämonstratenser-Stift St. Peter und Paul Marchtal. Großer Kunstführer. Kath. Kirchengemeinde St. Peter und Paul, Obermarchtal 1998, ISBN 3-00-003061-1
- Manuela Oberst: Exercitium, Propaganda und Repräsentation. Die Dramen-, Periochen- und Librettosammlung der Prämonstratenserreichsabtei Marchtal (1657 bis 1778) (= Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B: Forschungen; Bd. 179). Kohlhammer, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-17-020984-8.
- Lyndal Roper: Hexenwahn. Geschichte einer Verfolgung. München 2007.
- Wilfried Schöntag: Die Bistümer der Kirchenprovinz Mainz. Das Bistum Konstanz 6. Das reichsunmittelbare Prämonstratenserstift Marchtal. Germania Sacra, Dritte Folge 5, Berlin/Boston 2012, ISBN 978-3-11-025312-2 (Digitalisat)
Weblinks
- Kloster Obermarchtal. In: archINFORM.
- Website Kloster Obermarchtal. Abgerufen am 4. April 2018.
- Prämonstratenserabtei St. Peter Obermarchtal in der Datenbank Klöster in Baden-Württemberg des Landesarchivs Baden-Württemberg
- Geschichte und 300-Jahr-Feier (Memento vom 23. April 2007 im Internet Archive) (Bischöfliches Ordinariat der Diözese Rottenburg-Stuttgart)
- Website Studienkolleg Obermarchtal. Abgerufen am 4. April 2018.
Einzelnachweise
- Maximilian Müller, Winfried Aßfalg: Ehemaliges Prämonstratenser Stift St. Peter und Paul Marchtal. Hrsg.: Katholische Kirchengemeinde St. Peter und Paul. 2. Auflage. 2006, ISBN 3-00-003061-1, S. 56.
- Constanze Störk: "Mithin die natürliche Vernunft selbst dictiert, das es Hexen gebe". Hexenverfolgung in der Reichsabtei Marchtal 1586-1757. In: historicum.net. 2003, abgerufen am 4. April 2018.
- Marchtaler Fenster. In: Gemeinde Obermarchtal. Archiviert vom Original am 8. August 2016; abgerufen am 4. April 2018.
- Maximilian Müller, Winfried Aßfalg: Ehemaliges Prämonstratenser Stift St. Peter und Paul Marchtal. Hrsg.: Katholische Kirchengemeinde St. Peter und Paul. 2. Auflage. 2006, ISBN 3-00-003061-1, S. 56.