Kernkraftwerk Mochovce
Das Kernkraftwerk Mochovce (slowakisch Atómové elektrárne Mochovce, kurz EMO) liegt nahe dem ehemaligen Dorf Mochovce (Gemeinde Kalná nad Hronom) zwischen den Städten Nitra und Levice, in der Slowakei, etwa 120 km von Bratislava entfernt. Es verfügt über zwei aktive Reaktoren mit einer elektrischen Nettoleistung von jeweils rund 440 MW.
Kernkraftwerk Mochovce | ||
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Lage | ||
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Koordinaten | 48° 15′ 50″ N, 18° 27′ 25″ O | |
Land: | Slowakei | |
Daten | ||
Eigentümer: | Slovenské elektrárne a.s. | |
Betreiber: | Slovenské elektrárne a.s. | |
Projektbeginn: | 1983 | |
Kommerzieller Betrieb: | 29. Okt. 1998 | |
Aktive Reaktoren (Brutto): |
2 (940 MW) | |
Reaktoren in Bau (Brutto): |
2 (942 MW) | |
Eingespeiste Energie im Jahr 2017: | 6751,77 GWh | |
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme: | 116.180 GWh | |
Stand: | 17. September 2018 | |
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation. |
Über den Bau des Kraftwerks wurde von der Regierung der damaligen Tschechoslowakei 1978 entschieden, die Vorbereitungsarbeiten fingen 1981 an und der eigentliche Bau begann 1984.
Blöcke 1 und 2
Die Blöcke 1 und 2 besitzen jeweils eine installierte Leistung von 470 MW. Die Reaktoren sowjetischer Bauart wurden mit westlichen Steuerungs- und Überwachungssystemen ausgerüstet. Es kommen Druckwasserreaktoren vom sowjetischen Typ WWER-440/213 zum Einsatz. Wie bei diesem Typ üblich, sind sie als Zwillingsanlage gebaut. Nach 1990 mussten die Arbeiten wegen finanzieller Mängel zeitweilig gestoppt werden. Ans Netz gingen die ersten beiden Blöcke 1998 und 2000.
Im Jahr 2008 wurde nach einer Aufrüstung die Genehmigung erteilt, die Blöcke 1 und 2 von Mochovce mit der Leistung von 107 %, was zirka 466,4 MW entspricht, zu betreiben, da die Abschaltung des ersten Blocks im Kernkraftwerk Bohunice-V1 im Jahre 2006 zu einem Kapazitätsverlust im slowakischen Stromnetz geführt hat.[1]
Blöcke 3 und 4
Österreichische Unterlassungsklage
Die Politikerin Eva Glawischnig (Grüne) widmete ihre Dissertation an der Karl-Franzens-Universität in Graz dem Problem des grenznahen Kernkraftwerks und setzte diese Kenntnisse bei einer Klage gegen das in Österreich seit seiner Errichtung umstrittene Kernkraftwerk Mochovce „auf Unterlassung der Gefährdung durch radioaktive Immissionen“ auch gleich in die Tat um. Während das Bezirksgericht Wien-Hernals der Privatklage gegen den Kraftwerksbetreiber Slovenské Elektrárne a.s. stattgab, scheiterte ihre Klage in zweiter Instanz vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien im Juli 2005, „da Sicherheitsmängel nicht konkret nachweisbar“ sind.[2]
Fehlendes Containment
Mochovce gilt als technisch nicht mehr zeitgemäß – es ist das weltweit einzige AKW-Neubauprojekt, bei dem die Reaktoren über keinen Sicherheitsbehälter („Containment“) verfügen. Diese Einrichtung, die längst zum gängigen Standard in der Nukleartechnik gehört, soll bei einem schweren Störfall die Kernschmelze auffangen und so die Umgebung eines AKW vor radioaktiver Kontaminierung schützen. Einen Schutz gegen das Austreten von Radioaktivität durch radioaktive Dämpfe in Folge eines Störfalles besitzt der WWER-440/213 in Form eines „Confinement“.[3]
Wiederaufnahme des Baus
Die Arbeiten an den Blöcken 3 und 4 wurden in den 1990er Jahren aus Geldmangel eingestellt. Die halbfertigen Anlagen wurden konserviert. Am 15. Juli 2007 gab die Europäische Kommission die Stellungnahme zur Vollendung der Blöcke 3 und 4 des Kernkraftwerks ab. Die Kommission bemängelte erneut das fehlende Volldruckcontainment.[4] Die Europäische Kommission gab 2008 bekannt, dass die Auslegung von Mochovce 3 und 4 gegen Flugzeugaufprall der bewährten Praxis entspricht.[5]
Nach damaligen Planungen sollte die Vollendung der Blöcke 3 und 4 zirka 2,78 Milliarden Euro kosten. 2013 wurden bereits Baukosten in Höhe von 3,8 Milliarden Euro erwartet. Die Eigentümer haben am 31. Juli 2013 eine Mittelerhöhung um zunächst nur 260 Millionen Euro beschlossen.[6] Im Oktober 2016 gab Reuters die Baukosten für die beiden Reaktorblöcke mit 5,4 Milliarden Euro an.[7]
Der neue italienische Mehrheitseigentümer Enel des slowakischen Energiekonzerns SE (Slovenské Elektrárne a.s.) nahm die Bauarbeiten am 3. November 2008 an den Blöcken 3 und 4 wieder auf. Seit dem 11. Juni 2009 waren die Reaktoren 3 und 4 wieder offiziell in Bau.[8] Der Zeitplan sah vor, dass im Dezember 2012 Block 3, im ersten Halbjahr 2013 Block 4 ans Netz gehen sollten[9] Anfang 2012 wurden diese Termine zunächst auf Ende 2013 bzw. Mitte 2014 verlegt[10] Im Dezember 2012 wurde die Fertigstellung der Blöcke erneut verschoben, auf Ende 2014 (Block 3) und Mitte 2015.[11] Anfang 2013 ging ENEL davon aus, dass die beiden Blöcke nicht vor 2017 in Betrieb gehen werden.[12] Am 21. August 2013 hob das slowakische Höchstgericht die Genehmigung für den Bau des dritten und vierten Reaktors auf, da die vorgeschriebene Bürgerbeteiligung nicht erfolgt sei.[13] Noch am gleichen Tag erließ die staatliche Atomaufsichtsbehörde UJD eine Verfügung, die einen Baustopp ausschließt, da ansonsten „dem öffentlichen Interesse schwerer Schaden zugefügt würde“.[14] Gleichwohl verzögerte sich die Fertigstellung weiter: im Oktober 2016 erklärte Slovenské Elektrárne, dass Block 3 im Sommer 2018 und Block 4 im Sommer 2019 fertig werden könnte; es wurde dabei jedoch um Zustimmung zur Erhöhung des Budgets von 4,6 Milliarden Euro auf 5,4 Milliarden Euro gebeten. Auch wurde bekannt, dass der Mehrheitseigentümer Enel seine Beteiligung an die tschechische EPH verkauft hat.[15]
Im Rahmen von Ermittlungen um mögliche Korruption im Zusammenhang mit dem Kraftwerksbau wurden 2019 ein ehemaliger Chef der Betreiberfirma SE und ein Manager einer Zulieferfirma vorübergehend festgenommen. Am 2. März 2020 führte eine Spezialeinheit der slowakischen Polizei im Rahmen eines laufenden Strafverfahrens wegen schweren Betrugsverdachts eine Razzia durch. Nähere Informationen wurden vorerst nicht bekanntgegeben.[16]
Global 2000 hat eine Mängelliste erstellt:[17]
- Die Notstromgeneratoren sind 30 Jahre alt und es gab bei einem Test eine Explosion
- Es wurde minderwertiges Material in Hochdruck-Rohrleitungen verbaut
- Es wurden "unkontrollierte Bohrungen mit bis zu 10 cm Durchmesser und ein Meter Tiefe in den Wänden der hermetischen Kammern des Reaktors" vorgenommen
Am 13. Mai 2021 erlaubte die slowakische Atomaufsichtsbehörde UJD die Inbetriebnahme des dritten Reaktorblocks. Zugleich wurden auch Genehmigungen für den Umgang mit radioaktiven Abfällen, ausgebrannten Brennstäben sowie der vorzeitigen Benutzung des Baus erteilt.[18]
Daten der Reaktorblöcke
Das Kernkraftwerk besteht aus zwei in Betrieb befindlichen Blöcken, sowie zwei in Bau befindlichen Blöcken. Am 5. März 1993 wurde am gesamten Kernkraftwerk ein Baustopp angeordnet, der alle vier Blöcke betraf. Der Bau von Block 1 und 2 wurde am 14. Mai 1996 reaktiviert, der Bau von Block 3 und 4 am 11. Juni 2009.[8] Eine Betriebsaufnahme für Block 3 wird für 2021[veraltet] angestrebt und für Block 4 2023.[19]
Reaktorblock[8] | Reaktortyp | Nettoleistung[19] | Bruttoleistung[19] | Baubeginn | Netzsynchronisation | Kommerzieller Betrieb | Abschaltung |
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Mochovce-1 | WWER-440/213 | 435 MW | 470 MW | 13. Oktober 1983 | 4. Juli 1998 | 29. Oktober 1998 | (2028 geplant) |
Mochovce-2 | WWER-440/213 | 470 MW | 505 MW | 13. Oktober 1983 | 20. Dezember 1999 | 11. April 2000 | (2030 geplant) |
Mochovce-3 | WWER-440/213 | 440 MW | 471 MW | 27. Januar 1987; 1. Juni 2009 | |||
Mochovce-4 | WWER-440/213 | 440 MW | 471 MW | 27. Januar 1987; 1. Juni 2009 |
Weblinks
- AtomkraftwerkePlag: Mochovce (Slowakei)
- europaticker: Scharfe Kritik aus Wien (Memento vom 28. September 2007 im Internet Archive)
- Informationen des Betreibers (Memento vom 11. März 2007 im Internet Archive)
Quellen
- Mochovce fährt ab sofort mit 107 Prozent Leistung, krone.at am 17. Juni 2008, abgerufen am 7. Mai 2019.
- AKW-Mochovce-Klage von Glawischnig abgewiesen. In: derstandard.at. 18. Juli 2005, abgerufen am 7. Mai 2019.
- Grobe Sicherheitsmängel bei grenznahen AKWs, ORF, 13. April 2019.
- Kommission gibt Stellungnahme zu den Reaktorblöcken 3 und 4 des slowakischen Kern-kraftwerks Mochovce ab. In: europa.eu. 15. Juli 2008, abgerufen am 7. Mai 2019.
- Kernenergie: Weltreport 2008, S. 248–252. (PDF, 5 Seiten; 468 kB) Deutsches Atomforum, April 2009, S. 5, abgerufen am 7. Mai 2019.
- SE: Budget Increase for NPP Mochovce 3&4 (Memento vom 21. August 2013 im Webarchiv archive.today) In: seas.sk. 1. August 2013.
- Italy - Factors to watch on Oct. 28. In: Reuters. 28. Oktober 2016, abgerufen am 7. Mai 2019.
- Power Reactor Information System der IAEA: „Slovak Republic: Nuclear Power Reactors“ (englisch)
- Mochovce-Ausbau gestartet, OÖ-Nachrichten am 4. November 2008, abgerufen am 7. Mai 2019.
- Dostavba Mochoviec bude rok meškať. (slowakisch), Die Fertigstellung von Mochovce 3 und 4 verschiebt sich um ein Jahr, Pravda am 8. März 2012, abgerufen am 7. Mai 2019.
- AKW Mochovce 3 und 4 verzögert und teurer – Enel steigt aus französischem Atomprojekt aus. ots.at, 5. Dezember 2012, abgerufen am 7. Mai 2019.
- In Europa sagen Politiker weiterhin: Atomkraft ja bitte! dpa, 11. März 2013, abgerufen am 7. Mai 2019.
- Ausbau des AKW Mochovce von Höchstgericht gestoppt. Der Standard vom 21. August 2013, abgerufen am 7. Mai 2019.
- Mochovce-Ausbau geht trotz Urteil weiter, ORF.at vom 22. August 2013, abgerufen am 7. Mai 2019.
- Slovak Spectator: Mochovce will be more expensive and completed later (englisch), spectator.sme.sk am 4. November 2016, abgerufen am 7. Mai 2019.
- Polizeirazzia in Atomkraftwerk Mochovce. In: orf.at. 3. März 2020, abgerufen am 4. März 2020.
- https://www.heise.de/tp/features/Slowakei-AKW-ohne-Sicherheitsbehaelter-bekommt-Betriebserlaubnis-6046438.html?wt_mc=rss.red.tp.tp.atom.beitrag.beitrag
- Slowakische Atomaufsicht gab grünes Licht für Mochovce 3, ORF, 13. Mai 2021.
- AKW Mochovce, Technische Parameter (slowakisch, englisch), Slovenské elektrárne, as, abgerufen am 31. Dezember 2020