Kernkraftwerk Angra
Angra, auch unter der Originalschreibweise Central Nuclear Almirante Álvaro Alberto (CNAAA) bekannt, ist das einzige kommerzielle Kernkraftwerk Brasiliens. Es liegt an der Praia de Itaorna in Angra dos Reis in der Provinz Rio de Janeiro. Der Standort zwischen den Metropolen Rio de Janeiro und São Paulo liegt in einer erdrutsch-gefährdeten Bucht an der Atlantikküste. Abklingbecken für alte Brennstäbe sind nur 50 Meter vom Meer entfernt.
Kernkraftwerk Angra | ||
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Lage | ||
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Koordinaten | 23° 0′ 30″ S, 44° 27′ 30″ W | |
Land: | Brasilien | |
Daten | ||
Eigentümer: | Eletrobrás Termonuclear S.A. - Eletronuclear | |
Betreiber: | Eletrobrás Termonuclear S.A. - Eletronuclear | |
Projektbeginn: | 1971 | |
Kommerzieller Betrieb: | 1. Jan. 1985 | |
Aktive Reaktoren (Brutto): |
2 (2007 MW) | |
Reaktoren in Bau (Brutto): |
1 (1350 MW) | |
Eingespeiste Energie im Jahr 2010: | 13.898,77 GWh | |
Eingespeiste Energie seit Inbetriebnahme: | 156.603,23 GWh | |
Website: | eletronuclear.gov.br | |
Stand: | 16. Mai 2011 | |
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation. |
Der Bau der Atomanlage geht zurück auf ein Abkommen zwischen der deutschen Bundesregierung und dem brasilianischen Militärregime im Jahr 1975. Das Kernkraftwerk besteht aus zwei Druckwasserreaktoren: Angra I mit einer installierten elektrischen Leistung von 626 MW (erste Netzsynchronisation 1982) und Angra II mit einer installierten elektrischen Leistung von 1.350 MW (erste Netzsynchronisation 2000). Ein dritter Reaktor, Angra III mit einer elektrischen Bruttoleistung von 1.405 MW, ist seit 1975 geplant. Die Arbeiten an diesem dritten Block wurden 1984 begonnen und zwei Jahre später aufgrund ökologischer Bedenken und finanzieller Probleme abgebrochen. Am 1. Juni 2010 wurden die Bauarbeiten für Angra III offiziell wieder aufgenommen.[1] Die Bundesregierung genehmigte für den Ausbau eine Hermesbürgschaft über 1,5 Milliarden Euro, die endgültige Kreditzusage steht allerdings noch aus.[2]
Angra I
Der Reaktor für Angra I ist ein Westinghouse-Druckwasserreaktor, den Brasilien in den USA kaufte. Der „Pleite-Meiler aus den Siebzigern“[3] war 1994 nur für 14 Tage in Betrieb.
Angra II
Der Druckwasserreaktor Angra II wurde mit deutscher Technologie gebaut (Siemens/KWU) und ging 2000 nach einer 25-jährigen Planungs- und Bauzeit ans Netz. 2001 gelangten 150 Liter radioaktives Wasser in den Atlantischen Ozean.
Angra III
Die Technik für Angra III wurde 1985 für 750 Millionen DM gekauft und seitdem eingelagert, dafür fallen jährlich 20 Millionen Dollar Kosten an.[4] Das einer beabsichtigten deutschen Hermes-Exportbürgschaft für Areva/Siemens in Höhe von 2,5 Milliarden Euro zu Grunde gelegte Gutachten aus dem Jahr 2010 wird von Umweltverbänden als „Gefälligkeitsgutachten“ kritisiert. So bleibe unklar, inwieweit die Anlage gegen Flugzeugabstürze gesichert sei, und es gäbe, so der Atomexperte Helmut Hirsch, „keine systematische Darstellung, welche Regeln und Richtlinien im Einzelnen inwieweit herangezogen wurden.“[5] Auch ein im Jahr 2012 vorgelegtes erweitertes Gutachten, das von Areva in Auftrag gegeben worden war, ließ die Beantwortung grundlegender Fragen offen, aus diesem Grund teilte die deutsche Bundesregierung im Mai 2012 mit, vorerst nicht über die gewünschte Kreditbürgschaft zu entscheiden.[6]
Im September 2014 wurde als neuer Fertigstellungstermin 2019 angegeben,[7] zuvor hatte man mit einer Inbetriebnahme im Jahr 2018 gerechnet. Streitigkeiten zu den Baukosten und ein damit zusammenhängender Abzug von Arbeitern, sowie die Umstellung der Technik des Kraftwerks von analogen Komponenten auf Digitaltechnik werden als Grund für die Verzögerung angeführt. Die Sicherheit der Anlage soll durch diese Maßnahmen erhöht werden.
2015 wurden die Bauarbeiten gestoppt.[8]
2017 gab die brasilianische Regierung bekannt, dass das Kraftwerk an private Investoren versteigert werden soll.[9]
Im Juni 2021 gewann ein Konsortium die Ausschreibung, den Meiler fertigzustellen, im November 2026 soll die Anlage in Betrieb gehen.[10]
Atompolitischer Kurs der brasilianischen Regierung
Die negativen Erfahrungen in Angra hatten zur Folge, dass Brasilien alle geplanten Bauten von Kernkraftwerken einstellte und auch keine neuen Planungen für Kernkraftwerke begann.
Am 8. Mai 2007 gab die brasilianische Bundesregierung jedoch bekannt, das seit 1986 eingefrorene Programm zum Bau von Angra III sowie vier weiteren Kraftwerksblöcken wieder aufzunehmen. Regierungsschätzungen zufolge belaufen sich die Kosten für die Fertigstellung von Angra III auf 7 Milliarden brasilianische Real (ca. 3 Milliarden €). Als Grund für die Wiederaufnahme des Atomprogramms nannte man Gefahren für die Versorgungssicherheit. Handlungsbedarf ergebe sich aus den problematischen Genehmigungsverfahren für zwei geplante Wasserkraftwerke im Bundesstaat Rondônia, für die aus Regierungssicht nur noch wenig Hoffnung besteht. Man wolle diese Erzeugungskapazität nicht mit Gaskraftwerken ersetzen, zum einen aus Klimaschutzgründen und zum anderen wegen der großen Unsicherheiten für die brasilianische Erdgasversorgung, die sich aus der politischen Situation im Hauptlieferland Bolivien ergeben.
2010 unterstützte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle den Atomkurs der brasilianischen Regierung bei einem Besuch im Land und setzte sich für die deutsche Atomwirtschaft ein. Die deutsche Bundesregierung stellte für den Reaktor Angra III eine Bürgschaft über 1,3 Milliarden Euro in Aussicht.[11] Bei der Genehmigung von Angra III versuchte der damalige Präsident Luiz Inácio Lula da Silva mit der Behauptung, er könne „garantieren, dass in Brasilien niemals das passiert, was in Tschernobyl passiert ist. Niemals.“[12] Bedenken zu zerstreuen.
Aufgrund der Nuklearkatastrophe von Fukushima will die Bundesregierung die deutsche 1,3-Milliarden-Euro-Exportbürgschaft für den Bau von Angra III erneut prüfen. Bei dem Projekt ist Siemens beteiligt; federführend ist der französische Atomkonzern Areva.[13]
Im September 2013 gab Mauricio Tolmasquim, Chef der staatlichen Energieplanungsbehörde, bekannt, dass die Regierung auf die Errichtung von vier neuen Kernreaktoren bis 2030 verzichten und stattdessen auf Windkraft setzen wolle.
- Modell von Angra II im Besucherzentrum
- Modell eines Reaktors im Besucherzentrum
- Baustelle des Block III im Mai 2015
Daten der Reaktorblöcke
Das Kernkraftwerk Angra hat insgesamt zwei fertiggestellte Blöcke:
Reaktorblock[1] | Reaktortyp | Netto- leistung |
Brutto- leistung |
Baubeginn | Netzsyn- chronisation |
Kommerzi- eller Betrieb |
Abschal- tung |
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Angra-1 | Druckwasserreaktor | 609 MW | 640 MW | 01.05.1971 | 01.04.1982 | 01.01.1985 | (2025 geplant) |
Angra-2 | Druckwasserreaktor (Vor-Konvoi) | 1275 MW | 1350 MW | 01.01.1976 | 21.07.2000 | 01.02.2001 | (2040 geplant) |
Angra-3 | Druckwasserreaktor | 1245 MW | 1405 MW | 01.06.2010 | - | (2026 geplant) | - |
Trivia
- 1977 produzierte Rainer Erler seinen Politthriller Plutonium, dessen Handlung verfremdet im Kraftwerk angesiedelt ist. Erler verwendete dabei Dokumentarfilmaufnahmen aus Angra.
Weblinks
- Offizielle Webseite des Betreibers (portugiesisch)
- AtomkraftwerkePlag: Angra (Brasilien)
- Atomenergiepolitik Brasiliens
- Kernkraft in Brasilien (Memento vom 13. Oktober 2007 im Internet Archive) (englisch)
- Bildergalerie der Süddeutschen Zeitung vom 11. März 2013: Reaktor Angra in Brasilien – Wir bauen uns ein Atomkraftwerk
- Does Brazil have the Bomb?. World Information Service on Energy. December 19, 1994.
Einzelnachweise
- Power Reactor Information System der IAEA: Brazil (englisch)
- Daheim aussteigen, im Ausland fördern Süddeutsche Zeitung vom 31. August 2011
- Frankfurter Rundschau vom 20. März 2010. S. 5
- Frankfurter Rundschau vom 20. März 2011 S. 5
- http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/gefaelligkeitsgutachten-fuers-akw/
- Malte Kreutzfeld: Bürgschaft für Brasiliens Angra 3: Dem AKW hilft nur noch ein Stresstest. In: die tageszeitung, 9. Mai 2012
- ANGRA 3 - ASSINADO CONTRATO DE MONTAGEM
- https://world-nuclear-news.org/Articles/Brazilian-consortium-wins-Angra-3-tender-with-USD5
- Brazil's Angra III nuclear project to be auctioned by 2018 -deputy minister. In: Reuters, 22. März 2017. Abgerufen am 21. Juli 2017.
- Angra 3 Nuclear Power Plant Critical Path Acceleration Plan (IEA.org, abgerufen am 5. Januar 2022)
- Berlin bürgt für Schrottreaktor Frankfurter Rundschau vom 18. März 2011
- zit. n. Frankfurter Rundschau vom 20. März 2011 S. 5
- fr-online.de vom 23. März 2011