Karl Wilhelm Zitzmann
Karl Wilhelm Zitzmann (* 23. Oktober 1871 in Nürnberg; † 7. Dezember 1956 in Starnberg) war ein deutscher Kunstsammler. Er war geheimer Kommerzienrat und Ehrenbürger von Erlangen und Starnberg.
Leben und Wirken
Karl (auch: Carl) Zitzmann war der dritte Sohn eines Schuhmachermeisters und musste die Volksschule in Nürnberg als Armenschüler besuchen. Nach Abbruch einer Taschnerlehre begann er 1887 bei Schuckert & Co. als Bürodiener und war bis 1892 zum kaufmännischen Angestellten aufgestiegen.
1898 wechselte er zu Reiniger, Gebbert & Schall (RGS) in Erlangen, wo er später in der Starkstromabteilung tätig war. 1907 wurde RGS in eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Berlin (ab 1919/20 in Erlangen) umgewandelt, deren kaufmännische Leitung Zitzmann erhielt.[1] Die Firma produzierte vor allem Medizintechnik und Röntgengeräte. Nach Gründung der INAG (Industrie-Unternehmungen Aktiengesellschaft) als Holdinggesellschaft der RGS-Gruppe am 30. März 1921 übernahm Zitzmann den Posten des Generaldirektors.
Er gelangte zu Wohlstand, kaufte zusammen mit seiner Ehefrau Karoline im Jahre 1919[2] von der Vorbesitzerin Ellen Ammann eine Villa in Niederpöcking am Ufer des Starnberger Sees, die 1922 abgerissen und 1923 durch einen Neubau ersetzt wurde (von Architekt Otto Gruber, heute Baudenkmal, Ferdinand-von-Miller-Straße 7). Nach Einladungen dorthin, wurde 1922 der Erlangener Radiologe und Gynäkologie-Professor Hermann Wintz (der ebenfalls ein Kunstsammler war) mit Zitzmanns Tochter Pauline Heinrikce[3] verheiratet, wobei die Ehe nur bis 1925 währte[4]. Zitzmann legte eine Kunstsammlung an und unterstützte über lange Jahre auch wohltätige Zwecke, weshalb ihm bis 1923 einige Ehrungen zugesprochen wurden. So wurde ihm am 30. April 1923 zu seinem 25-jährigen Geschäftsjubiläum das Ehrenbürgerrecht der Stadt Erlangen verliehen, außerdem war er zum Dr. med. h. c., zum geheimen Kommerzienrat und am 21. Dezember 1923 zum Ehrenbürger der Stadt Starnberg ernannt worden.
Zitzmann verwendete Gewinne, teils noch aus der Kriegsproduktion, auch zur Erweiterung des Unternehmens um zahlreiche Firmen. Dieser Expansionskurs, mit zum Teil branchenfremden, oft unrentablen Tochterfirmen brachte den Gesamtkonzern nach Umstellung auf die Rentenmark im November 1923 in erhebliche Schwierigkeiten. Zitzmann, der nicht sonderlich zu Innovationen neigte, wurde für die Verschuldung des Konzerns mit rund sechs Millionen Goldmark persönlich verantwortlich gemacht und musste 1924 die Firma RGS verlassen, die nur durch einen Zusammenschluss mit der Siemens & Halske AG gerettet werden konnte, der Anfang 1925 durch die Gründung der Siemens-Reiniger-Veifa GmbH vollzogen wurde.
Von 1924 bis 1925 ließ Zitzmann daher zahlreiche Stücke seiner umfangreichen Kunstsammlung ohne Namensnennung (lediglich betitelt "Sammlung eines süddeutschen Kunstfreundes") beim Auktionshaus Paul Cassirer versteigern, darunter Werke von Daniel Chodowiecki, Carl Blechen, Anton Graff, Theodor Hosemann, Adolph Menzel, Johann Gottfried Schadow, Oskar Kokoschka[5], Max Liebermann[6], Lovis Corinth und Albert Weisgerber. Es wurde ein langwieriger Prozess wegen Veruntreuung gegen ihn eröffnet. Dieser Prozess wurde bis zum Reichsgericht weitergeführt und endete in letzter Instanz erst am 14. Dezember 1929 mit einem Urteil, das Zitzmann im Jahre 1930 sechs Wochen Haft und 80.000 Mark Geldstrafe einbrachte.
Nach seinem beruflichen Niedergang verbrachte Zitzmann seinen Lebensabend in Niederpöcking am Starnberger See, in einem Nebengebäude seiner einstigen Villa, die ab 1949 vom BJR genutzt und 1955 vom DGB übernommen wurde. Bis zu seinem Tode war er dort mit seiner Nachbarin Lilo Fürst-Ramdohr befreundet.
Literatur
- Versteigerung von 685 Zeichnungen Handzeichnungs-Sammlung eines süddeutschen Kunstfreundes, dabei Beiträge aus anderem Besitz. Deutsche Künstler des XVIII. Jahrhunderts, darunter eine ungewöhnlich reiche Auswahl von Daniel Chodowiecki. Umfangreiche Sammlung kostbarer deutscher Handzeichnungen des XIX. und XX. jahrhunderts: Klassizisten, Nazarener, Romantiker, Biedermeier, Idealisten, Realisten, Impressionisten. Hervorragende Arbeiten der bedeutenden ausländischen Künstler des XIX. und XX. Jahrhunderts: England, Frankreich, Holland, Schweiz. Mit einer Einführung von W. Kurth. Berlin, Amsler & Ruthardt, 1924.
- Gerhard Schober: Frühe Villen und Landhäuser am Starnberger See: zur Erinnerung an eine Kulturlandschaft Oreos 1998, S. 145 ff, S. 485. ISBN 9783923657537
- Frobenius, Wolfgang: Röntgenstrahlen statt Skalpell: die Universitäts-Frauenklinik Erlangen und die Geschichte der gynäkologischen Radiologie von 1914-1945, Band 26 von Erlanger Forschungen: Naturwissenschaften und Medizin. Universitätsbund Erlangen-Nürnberg, 2003, S. 121–129 ff., S. 151. ISBN 9783930357543
Weblinks
Einzelnachweise
- vgl. private Zitzmann-Ahnenforschungs-Website
- vgl. Schober 1998, S. 485
- Frobenius, Wolfgang: Röntgenstrahlen statt Skalpell: die Universitäts-Frauenklinik Erlangen und die Geschichte der gynäkologischen Radiologie von 1914-1945, Universitätsbund Erlangen-Nürnberg, 2003, S. 121–129 ff., S. 151
- 175 Jahre Frauenklinik Erlangen, Ausstellungstext (Memento des Originals vom 6. März 2016 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- vgl. ‚’Kokoschka, die Zeichnungen und Aquarelle 1897-1916’’, Eintrag Der Sähmann
- vgl. Versteigerungskatalog: Die Sammlung eines süddeutschen Kunstfreundes. Berlin, Cassirer & Helbing, 3./4. März 1925