Karl-Erivan Haub
Karl-Erivan Warder Haub (russisch Карл-Эриван Уордер Хауб;[1] geboren am 2. März 1960 in Tacoma, Washington;[2] gestorben am 7. April 2018 laut gerichtlicher Todeserklärung vom 14. Mai 2021[3]) war ein Unternehmer mit deutscher, russischer und US-amerikanischer Staatsbürgerschaft.[4][5] Bis zu seinem Verschwinden am 7. April 2018 in Zermatt war er geschäftsführender und persönlich haftender Gesellschafter der Unternehmensgruppe Tengelmann.[6]
Leben
Als ältester Sohn der Eheleute Erivan (1932–2018) und Helga Haub, geborene Otto, wuchs er hauptsächlich in Wiesbaden auf. Er hatte zwei jüngere Brüder, Georg und Christian, und wurde in der Familie „Charly“ genannt.[7] Seit 1989 war er mit Katrin, geborene Haubold, verheiratet, der Tochter von Christoph Haubold, eines ehemaligen Managers von Rewe, der nach der Heirat seinen dortigen Vorstandsposten geräumt hatte. Haub hatte mit seiner Frau zwei Kinder, Zwillinge, und wohnte bis zu seinem Verschwinden mit seiner Familie in Köln. Er war in seiner Freizeit Skifahrer und lief Marathon.[8][9]
Neben einer Berufsausbildung zum Einzelhandelskaufmann in der Unternehmensgruppe Tengelmann absolvierte Haub an der Universität Sankt Gallen von 1978 bis 1983 ein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, das er als Diplom-Kaufmann abschloss.[10] Nach ersten Berufserfahrungen bei Nestlé Foods in Solon wechselte er 1986 zur Unternehmensberatung McKinsey in Düsseldorf. 1991 trat er in das familieneigene Unternehmen ein und war dort für den Aufbau Ost zuständig. Ein Jahr später wurde er Stellvertreter seines Vaters, des allein geschäftsführenden Gesellschafters.
1997 übernahm Haub die Verantwortung für das operative Geschäft in Europa. Nach dem Ausscheiden ihres Vaters im Jahr 2000 führten die Brüder Karl-Erivan und Christian W. E. Haub das Unternehmen als Komplementäre.
2007 wurde Haub zum Präsidenten des deutschen Family Business Network (FBN) gewählt und 2015 zum Chairman des FBN-International. Haub trieb im Familienunternehmen die Konsolidierung voran. Er stockte die Beteiligungen am Baumarktfranchise Obi auf, verkaufte einige Teile der Auslandsbeteiligungen der Handelskette Plus und fusionierte den deutschen Teil dieser Kette mit der Edeka-Tochter Netto Marken-Discount.[11]
2009 begann Haub, sich mit der Tochtergesellschaft Tengelmann Ventures im E-Commerce zu engagieren. Das Unternehmen investiert in Start-up-Unternehmen aus den Bereichen Consumer Internet, Marketplaces und Technologie und entwickelte sich mit rund 40 Beteiligungen zu einem der führenden Risikokapital-Investoren in Deutschland.
Verschollen
Am 7. April 2018 verschwand Haub während seines Trainings für das traditionsreiche, von der Schweizer Armee organisierte Skibergsteigrennen Patrouille des Glaciers im Matterhorn-Gebiet. Er galt als sehr erfahrener Skibergsteiger und hatte mehrfach an dem Rennen teilgenommen. Gegen 9:10 Uhr zeichnete eine Videokamera in der Bergstation Klein Matterhorn ihn letztmals auf; von dort verliert sich seine Spur.[12][13][14] Am 13. April teilte Haubs Familie mit, keine Hoffnung mehr zu haben, ihn noch lebend zu finden, da nach mehr als einer Woche „in den extremklimatischen Bedingungen eines Gletschergebietes“ praktisch keine Überlebenswahrscheinlichkeit mehr bestehe.[15] Eine Intensivierung der Suche war erst nach der Schneeschmelze möglich.[16]
Am 8. Juni 2018 fand für ihn und seinen im März verstorbenen Vater Erivan Haub eine Trauerfeier statt.[17] Im Oktober 2018 wurde die Suche „wegen fehlender Erfolgsaussichten“ eingestellt.[18]
Im Oktober 2020 beantragten seine Brüder zusammen mit der Warenhandelsgesellschaft Tengelmann beim Amtsgericht Köln, Karl-Erivan Haub für tot zu erklären.[19] Dadurch wurde ein Zerwürfnis zwischen den Brüdern und Haubs Ehefrau öffentlich bekannt, da Letztere eine Todeserklärung vermeiden wollte, um nicht mit ihren Kindern aus dem Gesellschafterkreis des Familienunternehmens ausscheiden zu müssen.[6][20] Am 18. Januar 2021 wurde bekannt, dass Georg Haub seinen Antrag auf Todeserklärung beim Amtsgericht Köln zurückgezogen habe, während die Anträge seitens Christian Haub und der Unternehmensgruppe Tengelmann aufrechterhalten blieben.[21]
Im November 2020 wurde spekuliert, dass Haub ein geheimes Doppelleben geführt habe und womöglich mit seiner Geliebten abgetaucht sei.[22] Haub hatte mehr als zehn Jahre lang eine Affäre mit einer russischen Geschäftsfrau aus Sankt Petersburg; er besaß neben der US-Bürgerschaft und seinem deutschen Pass auch einen der Russischen Föderation. Zwischen 2010 und 2015 wurden bei Tengelmann Unternehmensgelder in zweistelliger Millionenhöhe zweckentfremdet, die zum großen Teil in Russland verschwunden sein sollen. Prüfungen nach Verdachtsmeldungen der Revisionsabteilung habe Haub untersagt. Auch wurde bekannt, dass er Geschäftspartner, Leibwächter, Nachbarn und auch die Familie beschatten ließ; allein die Beschattung seines Bruders Georg durch eine Detektei aus Hannover kostete acht Millionen Euro.[23]
Am 16. März 2021 erließ das Amtsgericht Köln das Aufgebot und setzte eine Frist bis zum 12. Mai: Sollte sich bis dahin weder der Verschollene noch jemand anderes, der Wissen zu seinem Verbleib hat, melden, werde der Tag des Verschwindens als Todesdatum festgesetzt.[24] Das Amtsgericht Köln entschied nach Ablauf dieser Frist, ihn per 7. April 2018, 24:00 Uhr, für tot zu erklären, und veröffentlichte diese Entscheidung am 14. Mai 2021.[25] Die Todeserklärung wurde zuvor von seinem Bruder und danach auch von seiner Gattin und den Kindern beantragt.[26][27]
Weblinks
- Erich Reimann: Karl-Erivan Haub: „Wir müssen Opfer bringen – alle“. In: Stern, 9. Januar 2004.
Einzelnachweise
- deutsche Transkription: Karl-Eriwan Uorder Chaub
- Porträt Karl-Erivan Haub auf munzinger.de.
- Gericht erklärt verschollenen Tengelmann-Chef für tot. In: Spiegel Online. 14. Mai 2021, abgerufen am 14. Mai 2021.
- https://binz-partner.de/download/201230-bm.pdf (1,42 MB)
- Karl-Erivan W. Haub weiterhin vermisst. tengelmann.de, 13. April 2018.
- Anja Müller: Erbenstreit bei Tengelmann: Christian Haub legt Milliarden-Angebot vor. In: Handelsblatt, 13. Oktober 2020, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- Alfons Frese: 1,1 Milliarden Euro zum Abschied. In: Der Tagesspiegel, 14. Oktober 2020, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- Im Profil: Karl-Erivan Wander Haub. In: Manager Magazin, 21. September 2001, abgerufen am 18. September 2016.
- Staatsanwalt: »Wissen nicht, ob eine Straftat oder ein Bergunglück vorliegt«. In: Bild, 11. April 2018, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- Der Alumni-HSG Beirat Universität St. Gallen, 2008, S. 18: Karl-Erivan W. Haub.
- Edeka und Tengelmann schließen sich zusammen: Deutschland bekommt neuen Discountriesen. In: Handelsblatt, 16. November 2007, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- Video von der Live-Übertragung der Pressekonferenz in Zermatt am 11. April 2018 auf nau.ch, zuletzt abgerufen am 15. April 2018 (online).
- Weiterhin keine Spur von Tengelmann-Chef Haub. In: Tiroler Tageszeitung, 12. April 2018, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- Charlotte Theile, Michael Kläsgen: Unerbittlicher Kämpfer auf der Jagd nach Anerkennung. In: Süddeutsche Zeitung, 11. April 2018, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- Familie hält Karl-Erivan Haub für tot. In: Süddeutsche Zeitung, 13. April 2018, abgerufen am 27. April 2018.
- Vermisster Milliardär: Tengelmann-Chef bleibt verschollen. In: Der Spiegel. 15. April 2018, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- Trauerfeier für Karl-Erivan und Erivan Haub am 8. Juni 2018. In: WAZ, 25. Mai 2018, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- "Fehlende Erfolgsaussichten": Suche nach Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub eingestellt. In: SHZ, 11. Oktober 2018, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- Tengelmann: Brüder wollen Karl-Erivan Haub für tot erklären lassen. In: FAZ. 9. Oktober 2020, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- Michael Kläsgen: Was hinter dem Zerwürfnis im Tengelmann-Erbstreit steckt. In: Süddeutsche Zeitung, 13. Oktober 2020, abgerufen am 18. Oktober 2020.
- Handelsblatt online: Tengelmann-Miteigentümer zieht Antrag auf Todeserklärung für Karl-Erivan Haub zurück. 18. Januar 2021, abgerufen am 19. Januar 2021.
- n-tv NACHRICHTEN: Hat Tengelmann-Chef Haub seinen Tod vorgetäuscht? Abgerufen am 25. November 2020.
- Focus: Russische Geliebte, geheimes Doppelleben: Wilde Gerüchte um Tod des Tengelmann-Erben. Abgerufen am 30. Dezember 2020.
- Anja Müller, Volker Votsmeier: Richter könnten Ex-Tengelmann-Chef Karl Erivan Haub im Mai für tot erklären Artikel vom 16. März 2021 auf der Webseite handelsblatt.de. Abgerufen am 26. April 2021.
- Gericht erklärt Ex-Tengelmann-Chef für tot orf.at, 14. Mai 2021, abgerufen 14. Mai 2021.
- Vermisster Tengelmann-Milliardär: Das ungelöste Rätsel um Karl-Erivan Haub manager-magazin.de. 4. Februar 2021, abgerufen 14. Mai 2021.
- Drei Jahre nach Verschwinden: Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub für tot erklärt (Focus Online, 14. Mai 2021)