König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog
Das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) ist eine zwischenstaatliche Organisation, die im Oktober 2011 von Saudi-Arabien, Österreich und Spanien gegründet wurde. Auch der Vatikan ist als beobachtendes Gründungsmitglied des Zentrums zugelassen. Diese erhalten regelmäßig Berichte darüber, was mit den finanziellen Mitteln des Zentrums passiert.[1] Zentrale Aufgabe des Zentrums ist es, Dialog als Mittel zur Konfliktvermeidung und Konfliktlösung weltweit einzusetzen sowie gegenseitiges Verständnis und Kooperation zu fördern[2] Das KAICIID arbeitet in aller Welt und verfügt über Schwerpunktprogramme in Myanmar, Nigeria, der Zentralafrikanischen Republik sowie im arabischen Raum.
König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog KAICIID | |
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Logo des König-Abdullah-Zentrums | |
Englische Bezeichnung | King Abdullah bin Abdulaziz International Centre for Interreligious and Intercultural Dialogue |
Status | aktiv |
Sitz der Organe | Wien, Österreich |
Generalsekretär | Faisal bin Abdulrahman bin Muammar (Generalsekretär) |
Gründung | 13. Oktober 2011 |
www.kaiciid.org |
Zu den Partnerorganisationen des KAICIID auf Projektebene zählen unter anderem die Weltpfadfinderorganisation, Caritas, die UN Allianz der Zivilisationen, die Afrikanische Union, UNESCO, UNDP oder die Organisation islamischer Staaten (OIC). Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des KAICIID stammen aus 29 unterschiedlichen Ländern. Rund 30 % der Mitarbeiter des Zentrums stammen aus Österreich, 5 % aus Saudi-Arabien und 4 % aus Spanien. Mehr als die Hälfte der Belegschaft ist weiblich.[3]
Die Eröffnung des Zentrums erfolgte am 27. November 2012 in Wien.[4] Am 12. Juni 2019 forderte der österreichische Nationalrat das Außenministerium Österreichs auf, das Amtssitz- und das Errichtungsabkommen für das König-Abdullah-Zentrum zu kündigen.
Geschichte
Am 13. Oktober 2011 wurde der Vertrag für die Einrichtung des Zentrums für interreligiösen und interkulturellen Dialog in Wien durch die Regierungen von Österreich, Spanien und Saudi-Arabien unterzeichnet.[5]
Das Zentrum selbst wurde dann am 27. November 2012 im Palais Sturany in Wien eröffnet. An der Eröffnungszeremonie nahmen Repräsentanten verschiedener Religionen teil. Die Feier war jedoch überschattet durch Proteste der österreichischen Grünen sowie zahlreichen österreichischen NGOs, die die mangelhafte Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien anprangerten und die Befürchtung äußerten, das KAICIID würde von Saudi-Arabien dazu missbraucht, den Wahhabismus in Europa zu verbreiten.[6]
So fand der Extremismusforscher Moussa Al-Hassan Diaw in saudischen Internetforen fremdenfeindliche Kommentare, die das von Christen, Hindus, Moslems und Juden geleitete Zentrum als Ort für Ungläubige hielten. Für Arabistik-Professor Stephan Procházka am Wiener Institut für Orientalistik stellte die Eröffnung des Zentrums ein innenpolitisches Risiko für König Abdullah dar. „Nach Saudi-Arabien dürfen Sie nicht einmal eine Bibel mitnehmen oder ein Kreuz. Für einen saudischen König ist das ein Bruch mit der Tradition, fast eine Revolution“.[1]
Am 12. Juni 2019 verabschiedete der österreichische Nationalrat mit breiter Mehrheit eine Initiative, in welcher das Außenministerium Österreichs ersucht wird, das Amtssitz- und das Errichtungsabkommen für das König-Abdullah-Zentrum zu kündigen. Wenig später gab das Außenministerium bekannt, dass es den Beschluss des Parlaments umsetzen werde und alle dafür nötigen rechtlichen Schritte prüfe.[7] Kritisiert wurde das etwa von der Journalistin und Nahostexpertin Gudrun Harrer in der Tageszeitung Der Standard, weil die Rechtspraktiken in Saudi-Arabien sich seit der Gründung des Zentrums nicht geändert hätten und „der Sinneswandel Österreichs [...] also nicht unbedingt nachzuvollziehen“ sei und damit „Österreichs Glaubwürdigkeit als internationaler Partner“ in Frage stehe.[8][9] In der Tageszeitung Die Presse wurde die Entwicklungen rund um das Zentrum als „Posse“ bewertet.[10]
Am 5. März 2021 erklärte KAICIID-Generalsekretär Faisal bin Abdulrahman bin Muammar, dass das Zentrum aus Wien in eine andere Stadt umziehen werde. Wohin war vorerst nicht bekannt. Als möglicher neuer Standort wurde Genf kolportiert.[11]
Mission
Das KAICIID mit Sitz in der österreichischen Bundeshauptstadt Wien hat zum Ziel, den interreligiösen und interkulturellen Dialog weltweit zu fördern. Zentrale Aufgabe des Zentrums ist es, religiöse Würdenträger und politische Entscheidungsträger zusammenzubringen, um multilaterale Initiativen des sozialen Zusammenhalts sowie Konfliktlösungen gemeinsam zu entwickeln und in der Folge umzusetzen. KAICIID unterstützt Experten und Organisationen in aller Welt, die in diesem Bereich tätig sind.[12]
Wichtig sind dem KAICIID nach eigener Darstellung die Themen Menschenrechte, Gerechtigkeit, Frieden und vor allem die Vermeidung des Missbrauchs von Religion als Mittel um Unterdrückung und Gewalt zu rechtfertigen.[13]
Partner
Das KAICIID arbeitet mit Partnerorganisationen in aller Welt zusammen. Zu diesen zählen insbesondere die UN Allianz der Zivilisationen, UNESCO, die Afrikanische Union, UNDP, das Büro der Vereinten Nationen für die Verhütung von Völkermord und für die Schutzverantwortung, Religions for Peace sowie die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC).[14] Auf Projektebene arbeitet das Zentrum auch mit der Weltpfadfinderorganisation, dem Roten Kreuz sowie der Caritas zusammen. Gemeinsam mit der Caritas, dem Roten Kreuz und Human Relief als Projektpartnern entwickelte KAICIID das „Toolkit“ für Flüchtlinge,[15] welches diesen die Integration in Österreich erleichtern soll. Das Toolkit bietet umfangreiche Informationen zu Gesundheitsdiensten, Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie Österreichs Rechtssystem.[16]
Rechtsstellung
Nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und dem KAICIID[17] genießt das Zentrum mit seinen Mitarbeitern vergleichbare Rechte und Privilegien wie sie einer Botschaft zukommen. So ist das Zentrum beispielsweise von Steuern und Zöllen (Art. 10) sowie von Sozialversicherungsbeiträgen (Art. 12) befreit und es unterliegt bis auf wenige Ausnahmen nicht der österreichischen Gerichtsbarkeit (Art. 5). Auch Hausdurchsuchungen am Sitz benötigen das Einverständnis des Zentrums (Art. 4).
Board of Directors
Die Mitglieder seines Direktoriums (Board of Directors) sind:
Öffentliche Kritik
In die Schlagzeilen geriet das Zentrum im Oktober 2014, als dessen stellvertretende Generalsekretärin Claudia Bandion-Ortner in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Profil Äußerungen tätigte,[19] die heftige Kritik in Politik, Justiz, Medien und NGOs, wie Amnesty International, hervorriefen.[20][21][22][23][24] Befragt über öffentliche Hinrichtungen in Saudi-Arabien, antwortete sie: „Das ist nicht jeden Freitag!“ Diese Aussage wurde zum Un-Spruch des Jahres 2014 gewählt.[25] Im Jänner 2015 wurde Bandion-Ortners Rücktritt von dieser Funktion – nach einem Gespräch mit Außenminister Sebastian Kurz – bekannt gegeben.[26]
Nachdem der saudi-arabische Blogger Raif Badawi wegen angeblicher „Beleidigung des Islams“ zu 1.000 Peitschenhieben verurteilt worden war, verdichtete sich die Kritik am Zentrum, weil dieses eine Kritik am saudischen Urteil unterließ. Sowohl das Urteil als auch die Untätigkeit des Zentrums empörten zahlreiche österreichische Politiker der SPÖ, der Grünen und der FPÖ sowie zahlreiche Vertreter der Zivilgesellschaft, die seither die Schließung des Zentrums fordern.[27] Mehrfach veranstalteten Die Grünen Mahnwachen für die Freilassung von Raif Badawi vor dem Sitz des Dialogzentrums.[28]
Liberale Muslime warnen vor dem Zentrum und seinen ihrer Meinung nach intransparenten Strukturen, da sie darin ein Einfallstor für radikale Islamisten sehen.[29][30]
Da das Zentrum an ein Mandat gebunden ist, welches von den Gründungsländern gemeinsam mit dem Vatikan vorgegeben wurde, äußert sich die Organisation nicht zu politischen oder gesellschaftlichen Ereignissen in spezifischen Staaten.[1][31]
Zu den prominentesten Unterstützern des Zentrums zählt unter anderem der frühere österreichische Bundespräsident Heinz Fischer.[32] Es sei nicht genug, „bei jeder Gelegenheit“ zu sagen, „Wir sind die Brückenbauer, die den Dialog forcieren“ – und „wenn dann eine Brücke da ist, eine so prominente Brücke, über die so viele gehen können, bleiben wir stehen und sagen, über diese Brücke gehe ich nicht“, so Fischer im Oktober 2019. Der Wiener Pastoraltheologe Paul Zulehner bezeichnete die mögliche Schließung des KAICIID in Wien als „schweren religionspolitischen Fehler“.[33]
Weblinks
- Zu Besuch beim Experiment des Königs, Reportage aus dem KAICIID von Christoph Zotter (nzz.at)
Einzelnachweise
- Christoph Zotter: Zu Besuch beim Experiment des Königs. In: NZZ Österreich. 29. Januar 2015, abgerufen am 27. Juni 2017.
- KAICIID Who we Are. Abgerufen am 20. Juli 2020.
- KAICIID: KAICIID Annual Report 2019-2019. In: Annual Report. KAICIID, 1. Januar 2020, abgerufen am 1. Juli 2020 (englisch).
- Abdullah-Zentrum eröffnet. In: orf.at. 26. November 2012. Abgerufen am 8. Oktober 2013.
- Rede von Vizekanzler Bundesminister Michael Spindelegger im König Abdullah Zentrum. Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten. Abgerufen am 8. Oktober 2013.
- Abdullah-Zentrum: Anzeige und Proteste zur Eröffnung. In: Die Presse. 26. November 2012. Abgerufen am 17. Oktober 2013.
- Plötzliches Aus für das Abdullah-Zentrum. In: Die Presse. 12. Juni 2019. Abgerufen am 14. Juni 2019.
- Gudrun Harrer: Diskussion über Abdullah-Zentrum: Lachnummer Österreich. In: Der Standard. Tageszeitung Der Standard, 30. Juni 2019, abgerufen am 1. Juli 2020 (deutsch).
- Gudrun Harrer: Abdullah Zentrum zieht ab: Wiens Geschenk an Genf. Der Standard, 19. Juni 2020, abgerufen am 29. Juli 2020.
- Christian Ultsch: Der Zahltag für die Abdullah-Posse kommt erst. In: diepresse.com. Die Presse, 20. Juni 2020, abgerufen am 22. Januar 2021.
- Abdullah-Zentrum KAICIID verlässt Österreich. In: Der Standard. 5. März 2021, abgerufen am 6. März 2021 (österreichisches Deutsch).
- was wir machen. Abgerufen am 1. Juli 2020.
- Homepage KAICIID. Abgerufen am 14. Juni 2019.
- KAICIID: Our Partners. Abgerufen am 29. Juli 2020 (englisch).
- KAICIIDs neues, kostenloses Toolkit trägt zu einer erfolgreichen langfristigen Integration in Europa bei, auf ots.at
- KAICIID: KAICIIDs neues, kostenloses Toolkit trägt zu einer erfolgreichen langfristigen Integration in Europa bei. In: Austrian Press Agency APA. Abgerufen am 29. Juli 2020.
- siehe RIS des Bundeskanzleramtes (Webseite auf www.ris.bks.gv.at, abgerufen am 27. Februar 2015)
- The Board of Directors, auf kaiciid.org. Abgerufen am 18. Juni 2015.
- profil.at: Interview mit Claudia Bandion-Ortner zum Alltag in Saudi-Arabien: „Nicht jeden Freitag wird geköpft“
- Salzburger Nachrichten: OLG soll Causa Bandion-Ortner prüfen
- orf.at: Ministerrat: Empörung über Bandion-Ortner
- orf.at: Aufregung um Bandion-Ortner
- diepresse.com: Anneliese Rohrer: Frau ohne Scham - Josef Pröll bitte melden
- profil.at: Amnesty fordert „Maßnahmen“ gegen Abdullah-Zentrum
- derStandard.at - "Situationselastisch" ist das Wort des Jahres. Artikel vom 3. Dezember 2014, abgerufen am 3. Dezember 2014.
- derStandard.at - Abdullah Zentrum: Bandion-Ortner tritt zurück. Artikel vom 17. Jänner 2015, abgerufen am 17. Jänner 2015.
- Nina Weissensteiner: Faymann über Abdullah-Zentrum: "Wir sollten aussteigen", Der Standard, 16. Jänner 2015
- Kurier: Mahnwache der Grünen vor Abdullah-Zentrum, 23. Jänner 2014
- AHVV Verlags GmbH.: Kritik an Privilegien: Liberale Muslime warnen vor König Abdullah Zentrum. In: Heute. Abgerufen am 12. April 2020.
- Initiative Liberaler Muslime Österreich - ILMÖ: König Abdullah Zentrum als Einfallstor für radikale Islamisten? ILMÖ fordert erhöhte Wachsamkeit der österreichischen Behörden. Gefahr der Unterwanderung Österreichs durch radikale Wahabiten und Muslimbrüder. OTS, 1. Dezember 2015, abgerufen am 10. April 2016.
- KAICIID Agreements. 27. Januar 2015, abgerufen am 29. Juli 2020 (englisch).
- Fischer verteidigt Auftritt bei Abdullah-Zentrum. In: ORF.at. ORF, abgerufen am 29. Juli 2020 (deutsch).
- KAICIID-Aus wäre „schwerer religionspolitischer Fehler“. In: Katholische Nachrichtenagentur Österreichs. Abgerufen am 29. Juli 2020.