Juodkrantė
Juodkrantė (Nehrungskurisch: Šatnūrta oder Šatnūrte, deutsch schwarze Küste, bis 1945: Schwarzort) ist mit rund 720 Einwohnern die zweitgrößte Siedlung auf der Kurischen Nehrung in Litauen. Es liegt ungefähr in der Mitte der litauischen Seite der Nehrung an der Regionalstraße KK 167 Klaipėda (Memel) – Selenogradsk (Cranz) und bildet zusammen mit dem benachbarten Einzelhof Alksnynė den Amtsbezirk Juodkrantės seniūnija der Gemeinde Neringa.
Juodkrantė/Schwarzort | |||
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Staat: | Litauen | ||
Bezirk: | Klaipėda | ||
Gemeinde: | Neringa | ||
Koordinaten: | 55° 33′ N, 21° 7′ O | ||
Einwohner (Ort): | 720 | ||
Zeitzone: | EET (UTC+2) | ||
Telefonvorwahl: | (+370) 469 | ||
Postleitzahl: | 93017 | ||
Status: | Ortschaft, Gemeinde Neringa | ||
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Geschichte
Schwarzort in Preußen, das 1429 erstmals namentlich erwähnt wurde, gehörte bis 1740 zum Hauptamt Memel im Kreis Samland. Die damaligen Hauptämter hatten etwa den Zuschnitt späterer (Land-)Kreise, die Kreise den späterer Regierungsbezirke.
Von 1740 bis 1795 war Schwarzort im Kirchspiel Karwaiten eingepfarrt. 1795 wurde die Kirche nach Schwarzort verlegt. Nach der Einteilung Preußens in Landkreise 1818 gehörte das Kirchspiel Schwarzort zum Amt Prökuls im Kreis Memel im Regierungsbezirk Königsberg.[1]
Schon seit Mitte des 19. Jahrhunderts waren Schwarzort wie Nidden Badeorte für viele Urlauber und teilweise auch als Kurort bekannt; seit 1858 fuhren die Dampfschiffe aus Memel und später auch aus Tilsit. Unter anderem hatten viele bekannte Schriftsteller ihre Sommerhäuser dort. So gab es dort auch eine Synagoge.
Der Berliner Landschaftsmaler Gustav Fenkohl (1872–1950) lebte in seinen Jugendjahren in Schwarzort.
1920 kam der nördliche Teil der Kurischen Nehrung zusammen mit dem nördlich der Memel gelegenen Teil Ostpreußens als Memelgebiet unter Völkerbundverwaltung und wurde kurz darauf von litauischen Freischärlern erobert. Obwohl mehr als ein Drittel der Bevölkerung litauischer Muttersprache war, stimmten bei Wahlen die allermeisten für deutsche Parteien. Nach jahrelangem Ausnahmezustand gab Litauen auf Druck der nationalsozialistischen Regierung im März 1939 das Memelland an das Deutsche Reich zurück. 1945 wurde es von der Sowjetunion erobert und der Litauischen Sowjetrepublik zugeschlagen. 1961 wurde aus den Dörfern der litauischen Nehrungsseite die Gemeinde Neringa gebildet.
Nach der Unabhängigkeit Litauens 1991 und dem EU-Beitritt 2004 hat sich Juodkrantė verstärkt dem Tourismus aus westlichen Ländern geöffnet.
Bernsteinfunde
Um 1855, 1860 und 1861 kam es zu Bernsteinfunden bei Baggerarbeiten im Kurischen Haff (heute Kuršių marios genannt). Durch die Firma Stantien & Becker wurde dann gezielt Bernstein durch Ausbaggerung gewonnen. In der Zeit von 1860 bis 1890 betrug die durchschnittliche jährliche Fördermenge 75 Tonnen[2]. Das trug zur schnelleren Entwicklung der Gemeinde bei. Der heutige Hafen entstand im Zuge dieser Bernsteinbaggerei.
1882 wurden bei Baggerarbeiten zur Erweiterung der Fahrrinne Königsberg-Memel 434 Bernsteinartefakte gefunden, die weitgehend während des Zweiten Weltkrieges verloren gingen. Die 17 erhaltenen Objekte sind Eigentum der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und werden in der Universität Göttingen aufbewahrt. Der Bernsteinschmuck, darunter zahlreiche Amulette, stammt aus der frühen Bronzezeit, etwa 2.200 v. Chr. Es handelt sich um die ältesten bekannten Bernsteinschnitzereien aus dem Ostseeraum.[3][4][5]
Der Bernsteinforscher Richard Klebs hat zusammen mit der Firma Stantien & Becker und dem Archaeologen Otto Tischler die Bernsteinfunde aus der Steinzeit Ostpreußens dokumentiert. Von einigen Figurinen wurden vor dem Zweiten Weltkrieg Gipskopien angefertigt, von zwei besonders herausragenden Objekten entstanden Bernsteinkopien, die von litauischen Bernsteinschnitzern hergestellt wurden.[6]
Sehenswürdigkeiten
In Juodkrantė gibt es unter anderem den Raganų Kalnas (deutsch Hexenberg), auf dem seit 1979 viele Holzstatuen zu den dazugehörigen litauischen Märchen aufgestellt wurden.
Kirche
Kirchengebäude
Im Zuge der Versandung Karwaitens (heute litauisch: Karvaičiai) zogen von dort zahlreiche Dorfbewohner nach Schwarzort, um hier eine neue Bleibe zu finden. Hier begannen die Einwohner gemeinsam mit einem Kirchenbau[7], der 1796 fertiggestellt wurde. Es handelte sich um eine kleine Holzkirche. Im Jahre 1878 jedoch ging das Gotteshaus in Flammen auf. Man errichtete einen Neubau in neogotischem Baustil mit Backsteinen mit Chor und Westturm, der 1885 eingeweiht wurde. Die Kirche hat die Kriegszeit überstanden. In der Zeit der Sowjetunion allerdings ging die alte Ausstattung verlustig, das Gebäude wurde zweckentfremdet als Speicher benutzt. Gegen Ende der 1980er Jahre begann man das Gebäude zu restaurieren, u. a. mit Glasmalereien an den Fenstern. Die Kirche fand vorübergehend Nutzung als Miniaturmuseum, bis sie seit 1989 wieder für gottesdienstliche Zwecke hergestellt wurde.
Kirchengemeinde
Die Einwohner Schwarzorts waren bis 1945 nahezu ausnahmslos evangelischer Konfession. Bis 1740 mit Memel (heute litauisch: Klaipėda) verbunden, gehörte das Dorf danach bis 1795 zum Kirchspiel Karwaiten, bevor dort Kirche und Dorf unter dem Dünensand begraben wurden. Seitdem bestand die Kirchengemeinde Schwarzort, die bis 1945 einen eigenen Pfarrer hatte. Das Kirchspiel war eingebettet in den Kirchenkreis Memel innerhalb der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union. Seit 1989 trifft sich in der Kirche wieder eine Gemeinde, die nunmehr zur Evangelisch-lutherischen Kirche in Litauen gehört.
Pfarrer (1787–1945)
In der Zeit der kirchlichen Eigenständigkeit Schwarzorts amtierten dort 22 evangelische Geistliche[8], wobei der letzte Pfarrer Karwaitens hier schon vorher wegen Versandung seines Pfarrhauses in Schwarzort seinen Wohnsitz nahm:
- Georg Benjamin Kuwert, 1787–1795
- Hermann Christian D. Wittich, 1796–1800
- Christoph Wilke, 1800–1812
- Gottfried Lebrecht Ostermeyer, 1812–1819
- Friedrich Ernst G. Kempfer, 1820–1823
- Georg Heinrich Rappolt, 1823–1828
- Carl Eduard Ziegler, 1828–1832
- Adolf Gustav Eduard Kuwert, 1832–1852
- Carl Eduard Copinus, 1852–1859
- Julius Otto Passarge, 1859–1864
- Rudolf Friedrich Th. Glogau, 1864–1866
- Anton Gustav Laudien, 1867–1870
- Emil August D. Hundertmark, 1870–1876
- Friedrich Otto Edwin Richter, 1877–1885
- Karl Orisch, 1886–1888
- Franz Karl Hugo Gregor, 1888–1893
- Otto Wilhelm Franz Petrenz, 1893–1894
- Louis Henrich Paul Lotto, ab 1897
- Martin Schencke, 1922–1927
- Emil Otto Bömeleit, 1927–1941
- Martin Kerschies, 1941–1945
Kirchenbücher
Einige Kirchenbücher des Kirchspiels Schwarzort sind erhalten und werden im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin-Kreuzberg aufbewahrt[9]:
- Taufen: Jahrgänge 1847 bis 1875, auch Namensverzeichnis 1746 bis 1938
- Trauungen: Jahrgänge 1819 bis 1874
- Bestattungen: Jahrgänge 1820 bis 1874, auch Namensverzeichnis 1820 bis 1913
Söhne und Töchter von Juodkrantė
- Martin Kakies (1894–1987), deutscher Lehrer und Publizist
Siehe auch
Literatur
- Mike Reich, Joachim Reitner: Aus der Königsberger Bernsteinsammlung : Schwarzorter Funde. Broschüre. Göttingen 2014. Online-Version
Weblinks
Einzelnachweise
- Alexander August Mützell, Leopold Krug: Neues topographisch-statistisch-geographisches Wörterbuch des Preussischen Staats, Band 3 (1821), S. 256
- B. Kosmowska-Ceranowicz: The tourist amber route to the Amber Coast. In Amber - Views - Opinions. Danzig, Warschau 2006. ISBN 83-912894-1-9.
- R. Klebs: Der Bernsteinschmuck der Steinzeit von der Baggerei bei Schwarzort und anderen Lokalitäten Preussens. In: Beiträge zur Naturkunde Preussens 5, Königsberg 1882
- U. Erichson und W. Weitschat: Baltischer Bernstein. Ribnitz-Damgarten 2008
- Dieter Quast: Zwischen Schmuck und Magie - Bernstein in der Steinzeit. In Die Bernsteinstraße, Sonderheft 4/2014 Archäologie in Deutschland, Darmstadt 2013, ISBN 978-3-8062-2708-6, S. 21.
- Encyclopedia Lituanica I:84-87, Boston 1970; zitiert in: Patty C. Rice: Amber - The Golden Gem Of The Ages. New York 1987
- Juodkrante - Schwarzort bei ostpreussen.net
- Friedwald Moeller, Altpreußisches evangelisches Pfarrerbuch von der Reformation bis zur Vertreibung im Jahre 1945, Hamburg, 1968, Seite 137
- Christa Stache, Verzeichnis der Kirchenbücher im Evangelischen Zentralarchiv in Berlin, Teil I: Die östlichen Kirchenprovinzen der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union, Berlin, 1992³, Seite 206