Joseph Othmar von Rauscher
Joseph Othmar Ritter von Rauscher (* 6. Oktober 1797 in Wien; † 24. November 1875 ebenda) war von 1849 bis 1853 Fürstbischof von Seckau, von 1853 bis 1861 römisch-katholischer Erzbischof von Wien und von 1861 bis 1875 Fürsterzbischof von Wien, sowie von 1855 bis 1875 Kardinal mit der Titelkirche Santa Maria della Vittoria in Rom.
Leben
Joseph Othmar von Rauscher war der älteste Sohn des k. k. Regierungsrates Franz Seraph Ritter von Rauscher (1753–1837; erbländischer Adelsstand: 26. Mai 1808; Ritterstand: 12. Juli 1828),[1] Er studierte ab 1816 in Wien, und zwar zuerst Rechtswissenschaften. Dort lernte er Klemens Maria Hofbauer kennen und begann 1820 das Theologiestudium. Er empfing am 21. August 1823 die Priesterweihe. Ab 1825 war er Professor für Kirchengeschichte und Kirchenrecht im Lyzeum in Salzburg. Ab 1832 war er Direktor der orientalischen Akademie in Wien. Er wurde 1849 zum Fürstbischof von Seckau ernannt. Die Bischofsweihe spendete ihm der Salzburger Erzbischof Friedrich zu Schwarzenberg am 15. April 1849. Am 26. März 1853 erfolgte die Ernennung zum Erzbischof der Erzdiözese Wien und am 17. Dezember 1855 die Erhebung zum Kardinal. Er bekam die Titelkirche Santa Maria della Vittoria in Rom zugewiesen. Er gehörte der Kongregation der römischen und allgemeinen Inquisition, der Konzilskongregation, der Propaganda-Kongregation und der Sektion für außerordentliche Angelegenheiten des Staatssekretariates an.[2]
Er war maßgeblich am Zustandekommen des Konkordates zwischen der katholischen Kirche und dem Kaiserhaus beteiligt. Es wurde am 18. August 1855 unterzeichnet und beendete den Josephinismus.
1856 gründete er das Erzbischöfliche Knabenseminar in Wien VI.
Ab 1861 führte er auch den Titel Fürsterzbischof und hatte als Mitglied des Herrenhauses einen Sitz im Reichsrat.
1868 protestierte Franz Schmid, Bürgermeister der Kleingemeinde Unter-Lanzendorf bei Wien, gegen die Visitation des Erzbischofs in der Pfarrgemeinde Maria-Lanzendorf, da er die Ansicht vertrat, Othmar von Rauschers Kirchenpolitik stehe im Widerspruch zum neuen Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger. Die Wiener Kirchenzeitung antwortete mit zwei feindseligen Artikeln,[3] die sogar als Sonderdruck erschienen.[4]
Othmar von Rauscher sah sich als Verteidiger der kirchlichen Ehe und bezeichnete die Zivilehe in einem Hirtenbrief als „sündhaftes Konkubinat“.
Er nahm auch am Ersten Vatikanischen Konzil teil und war ein Führer der Inopportunisten, die gegen das Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes auftraten, weil sie es als nicht „opportun“ ansahen. Er reiste am 17. Juli 1870 (am Vortag der Beschlussfassung) aus Rom ab. Das Dogma selbst erkannte er an. Das Unfehlbarkeitsdogma war der Grund für die Aufhebung des Konkordats durch die Regierung im Jahr 1870.
Ausgezeichnet wurde er mit dem Großkreuz des St. Stephan-Ordens und dem Großkreuz des Leopold-Ordens.
Schriften (Auswahl)
- Geschichte der christlichen Kirche. Seidl, Sulzbach 1829. – Volltext online: Band 1/2, Band 2/2.
- Hirtenschreiben (Gratz). In: Wiener Zeitung, Nr. 181/1853 (Teil 1/2), 31. Juli 1853, S. 1806 f. (online bei ANNO). .
- Hirtenbriefe, Predigten, Anreden. Manz, Wien 1858. – Volltext online
- Der Papst und Italien: ein Hirtenschreiben. Gerhard, Leipzig 1860. (Beigefügte Werke: Villemain: Frankreich, das Kaiserreich und das Papstthum sowie Hippolyte Castille: Napoleon III. und der Klerus). – Volltext online
- Die weltliche Herrschaft des heiligen Stuhles. Rede, gehalten in der Versammlung der St. Michaels Bruderschaft am 25 Jänner 1863. Jacob & Holzhausen, Wien 1863. – archive.org.
- Der Staat ohne Gott. Hirtenschreiben an die Erzdiöcese Wien, erlassen am 25. Jänner 1865. Mayer, Wien 1865. – Volltext online
- Ansprache Sr. Eminenz des hochwürdigsten Herrn Kardinales Fürst-Erzbischofes von Wien, gehalten bei der Eidesleistung der freiwilligen Tiroler Scharfschützen in der Metropolitankirche bei St. Stephan am 12. Junius 1866 sowie Zweites Hirtenschreiben (…). Carl Sartori, Wien 1866. – archive.org.
- Gefahr und Rettung. Hirtenschreiben seiner Eminenz (…). (Zweite Auflage). Carl Sartori, Wien 1866. – archive.org.
- Die Ehe und das zweite Hauptstück des bürgerlichen Gesetzbuches. (Zweite Auflage). Braumüller, Wien 1868. – Volltext online
- Das allgemeine Concil von Vatican. Zwei Hirtenschreiben. Braumüller, Wien 1870. – Volltext online
Rezeption
Nach ihm benannt sind die Rauscherstraße im 2. und 20. Bezirk Leopoldstadt bzw. Brigittenau (1869), die Othmargasse (1869) und der dortige Kardinal-Rauscher-Hof im 20. Bezirk, sowie der Kardinal-Rauscher-Platz im 15. Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus (1891). Auch die Othmarkirche in Wien-Landstraße wurde aus Dank für seine Unterstützung dem heiligen Othmar geweiht.
Trivia
Am Abend des 24. April 1854 traute Erzbischof Rauscher in der Wiener Augustinerkirche das Kaiserpaar Franz Joseph I. und Elisabeth.[5] Rauscher habe dabei eine ungemein blumige, weitschweifige Ansprache gehalten, die ihm den Spitznamen „Erzbischof Plauscher“ eingetragen haben soll.[6]
Literatur
- Constantin von Wurzbach: Rauscher, Joseph Othmar Ritter von. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 25. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1873, S. 51–57 (Digitalisat).
- Nachruf: Josef Othmar Ritter v(on) Rauscher. In: Grazer Volksblatt, Beilage zu Nr. 279/1875, 5. Dezember 1875, S. 5 (unpaginiert) f. (online bei ANNO). .
- Georg Heller: Joseph Othmar Kardinal Rauscher, Fürst-Erzbischof von Wien. Woerl, Würzburg 1876. – archive.org.
- Johann Friedrich von Schulte: Rauscher, Joseph Othmar von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 27, Duncker & Humblot, Leipzig 1888, S. 449–457.
- Cölestin Wolfsgruber: Joseph Othmar Cardinal Rauscher, Fürsterzbischof von Wien. Sein Leben und sein Wirken. Herder, Freiburg im Breisgau 1888.
- Joseph Othmar Rauscher. In: Catholic Encyclopedia, Band 12/1911, Robert Appleton Company, New York 1913.
- Ernst Tomek: Kirchengeschichte Österreichs. Band 3: Das Zeitalter der Aufklärung und des Absolutismus. Tyrolia, Innsbruck/Wien 1959, OBV.
- Josef Wodka: Kirche in Österreich. Wegweiser durch ihre Geschichte. Herder, Wien 1959, OBV.
- K(urt) Adel, F(ranz) Loidl: Rauscher, Josef Othmar von. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 8, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1983, ISBN 3-7001-0187-2, S. 442 f. (Direktlinks auf S. 442, S. 443).
- Franz Loidl: Geschichte des Erzbistums Wien. Herold, Wien 1983, ISBN 3-7008-0223-4.
- Karl Hausberger: Joseph Othmar von Rauscher. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 7, Bautz, Herzberg 1994, ISBN 3-88309-048-4, Sp. 1411–1415.
- Johann Weißensteiner: Rauscher, Joseph Othmar von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 210 f. (Digitalisat).
Weblinks
- Eintrag zu Joseph Othmar von Rauscher im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
- Rauscher, Joseph Othmar von. In: Salvador Miranda: The Cardinals of the Holy Roman Church. (Website der Florida International University, englisch), abgerufen am 8. August 2016.
- Eintrag zu Joseph Othmar von Rauscher auf catholic-hierarchy.org; abgerufen am 8. August 2016.
Einzelnachweise
- Se(ine) Eminenz Cardinal Rauscher. In: Linzer Volksblatt für Stadt und Land, Nr. 272/1875 (VII. Jahrgang), 27. November 1875, S. 1 (unpaginiert). (online bei ANNO). .
- Annuario Pontificio, Ausgabe 1870, S. 74.
- Die Protestnote von Unter Lanzendorf. In: Wiener Kirchenzeitung. 29. August 1868, Nr. 35/1868, S. 547–550, online (Image 132);
Noch eine Antwort auf den Protest von Unter-Lanzendorf. In: Wiener Kirchenzeitung. 19. September 1868, Nr. 38/1868, S. 593 ff., online (Image 178). - Zwei Antworten auf den Protest von Unter-Lanzendorf. Zur Erinnerung an die kanonische Visitation der Pfarre Maria Lanzendorf durch Se(ine) Eminenz Cardinal Rauscher (…) am 9. und 10. September 1868. Ludwig Wagner, Wien 1868, OBV.
- Die Feierlichkeiten bei der Vermählung (…). In: Morgen-Post, Nr. 98/1854 (IV. Jahrgang), 25. April 1854, S. 1 f. (unpaginiert). (online bei ANNO). .
- Maria Schad: Elisabeth von Österreich. dtv, München 1998, ISBN 3-423-31079-0, S. 13 (online auf dtv.de, abgerufen am 11. März 2015).
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
---|---|---|
Roman Franz Xaver Sebastian Zängerle | Bischof von Seckau 1849–1853 | Ottokar Maria Graf von Attems |
Vincenz Eduard Milde | Erzbischof von Wien 1853–1875 | Johann Rudolf Kutschker |