Johannes Conrad (Nationalökonom)
Johannes Conrad (* 28. Februar 1839 auf dem Gut Borkau im Kreis Mewe, Westpreußen; † 25. April 1915 in Halle (Saale)) war ein deutscher Nationalökonom.
Leben
Conrads Vater war Gutsbesitzer in Westpreußen. Seine Kindheit verlebte er auf dem väterlichen Gut Plochoczin. Conrad widmete sich anfangs der Landwirtschaft, studierte hierauf, durch körperliches Leiden zum Aufgeben der praktischen Tätigkeit gezwungen, Naturwissenschaften, schließlich in Berlin und Jena Staatswissenschaften. Während seines Studiums wurde er Conkneipant bei der Agronomia Jena, da er selbst nicht fechten konnte. Später gründete er in Halle eine Turnverbindung und erhielt mehrere Ehrenbänder anderer Studentenverbindungen.[1] Nach Vollendung seiner Studien machte er größere Reisen in Italien, England, Frankreich, Polen, Ungarn, habilitierte sich 1868 als Privatdozent in Jena, wurde 1870 zum außerordentlichen Professor ernannt und in demselben Jahr als Ordinarius nach Halle berufen. 1896 wurde er als korrespondierendes Mitglied in die Russische Akademie der Wissenschaften in Sankt Petersburg aufgenommen.[2] Seit 1909 war seine Gattin blind, was ihn schwer bedrückte; 1911 verlor er seine Ehefrau.
Von 1878 bis 1890 war er alleiniger Herausgeber der von Bruno Hildebrand 1862 in Jena begründeten Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, die er seit 1872 mitredigiert hatte.
1891 bis 1897 gab er gemeinsam mit Ludwig Elster, Wilhelm Lexis und Edgar Loening, die schon Conrads Jahrbüchern verbunden waren, das Handwörterbuch der Staatswissenschaften im Verlag Gustav Fischer in Jena heraus (2. Auflage 1898–1901; 3. Auflage. 1909–1911).
Conrad gehörte unter dem Vorsitz von Ernst Haeckel und zusammen mit Eberhard Fraas dem Preiskomitee des von Friedrich Alfred Krupp zum 1. Januar 1900 ausgeschriebenen Preisausschreibens zu der Frage „Was lernen wir aus den Prinzipien der Descendenztheorie in Beziehung auf die innenpolitische Entwickelung und Gesetzgebung der Staaten?“ an. Dieses mit aufsehenerregenden 30.000 Mark dotierte Preisausschreiben machte den Sozialdarwinismus im Deutschen Reich gesellschaftsfähig und machte ihn für die Politik attraktiv.[3][4]
Schriften
- Liebigs Ansicht von der landwirtschaftlichen Bodenerschöpfung. Jena 1864.
- Das Universitätsstudium in Deutschland. Jena 1884.
- Die Statistik der Landwirtschaftlichen Produktion.
- Findelanstalten.
- Rodbertus' Rentenprinzip.
- Agrarstatistische Untersuchungen. und andere Abhandlungen in den Jahrbüchern für Nationalökonomie und Statistik
- Ferner gab er seit 1877 die Sammlung von Arbeiten des staatswissenschaftlichen Seminars zu Halle heraus, welches unter seiner Leitung stand.
Literatur
- Wilhelm Meinhold: Conrad, Johannes. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 3, Duncker & Humblot, Berlin 1957, ISBN 3-428-00184-2, S. 335 (Digitalisat).
- Albert Hesse: Johannes Conrad. In: Historische Kommission für die Provinz Sachsen und für Anhalt (Hrsg.): Mitteldeutsche Lebensbilder. 3. Band: Lebensbilder des 18. und 19. Jahrhunderts. Selbstverlag, Magdeburg 1928, S. 497–506.
- Theophil Gerber: Persönlichkeiten aus Land- und Forstwirtschaft, Gartenbau und Veterinärmedizin – Biographisches Lexikon. NORA Berlin, 4. erw. Aufl. 2014, S. 123–124, ISBN 978-3-936735-67-3.
Weblinks
- Literatur von und über Johannes Conrad im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Eintrag zu Johannes Conrad im Catalogus Professorum Halensis
Einzelnachweise
- Max Mechow, Namhafte CCer, Historia Academica, Band 8/9, S. 34–35.
- Ausländische Mitglieder der Russischen Akademie der Wissenschaften seit 1724. Johannes Ernst Conrad. Russische Akademie der Wissenschaften, abgerufen am 23. September 2015 (russisch).
- Kurt Bayertz: Sozialdarwinismus in Deutschland 1860–1900. In: Eve-Marie Engels (Hrsg.): Charles Darwin und seine Wirkung. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2009, ISBN 978-3-518-29503-8, S. 200.
- Uwe Puschner: Sozialdarwinismus als wissenschaftliches Konzept und politisches Programm. In: Gangolf Hübinger: Europäische Wissenschaftskulturen und politische Ordnungen in der Moderne (1890–1970). Oldenbourg, München 2014, ISBN 978-3-486-71859-1, S. 111–113.