Jet (Astronomie)
Ein kosmischer Jet beschreibt in der Astronomie einen gerichteten (kollimierten) Gas-Strom, meist von einem aktiven galaktischen Kern ausgehend. Manche Jets können sich über Lichtjahre hinaus strecken und mit beinahe Lichtgeschwindigkeit durch den Raum rasen.
Entstehung
Jets entstehen, wenn ein Objekt Gas aus einer rotierenden Scheibe ansammelt (akkretiert). Nur ein Teil des Scheibengases erreicht das Objekt, der andere Teil strömt senkrecht zur Rotationsebene vom Objekt weg. Die Kollimation kommt entweder geometrisch zustande durch den Innenrand der Akkretionsscheibe oder durch magnetische Felder.[1]
Für die Entstehung von Jets sind magnetohydrodynamische Prozesse bedeutend, wobei die Details noch nicht vollständig verstanden sind. Jets werden immer im Zusammenhang mit Akkretion beobachtet, dem Einfall von Materie aus der zirkumstellaren Umgebung oder von einem Begleitstern auf einen kompakten Stern. Dabei wird der Drehimpuls aus einer Akkretionsscheibe mit einem hochkollimierten magnetischen Ausfluss effektiv abgeführt. Nach heutiger Vorstellung wird die Energie und der Drehimpuls aus der Scheibe durch ein magnetisches Drehmoment extrahiert, welches durch ein aufgewickeltes magnetisches Feld in der Akkretionsscheibe entsteht. Wenn der Inklinationswinkel klein genug ist, können magnetische Kräfte die Materie entlang der Feldlinien beschleunigen. Jenseits des Alfvénpunktes wird die Materie auch durch die Lorentzkraft beschleunigt. Die Kollimation des Jets wird durch magnetische Kräfte aufgrund der toroidalen Struktur des Magnetfelds bzw. durch einen höheren Gasdruck in der Korona der Akkretionsscheibe erreicht.[2][3]
Vorkommen
Jets kommen bei praktisch allen aus einer Scheibe akkretierenden Objekten vor, von schwarzen Löchern (insbesondere in aktiven galaktischen Kernen) bis zu gerade entstehenden Protosternen. Die Jets von Quasaren können viele tausend Lichtjahre lang sein und sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit bewegen.
2007 wurde der bisher längste Jet entdeckt, der von einem supermassereichen schwarzen Loch in der aktiven Galaxie CGCG 049-033 ausstrahlt. Die Radiostrahlung des 1,5 Mio. Lichtjahre langen Jets zielt auf die nahe gelegene Galaxie ab. Gerieten Planeten in seine Schusslinie, würde das ihre Atmosphäre ionisieren und alles Leben auslöschen.[4]
Wenn Jets auf dichte interstellare Materie treffen, bilden sich Stoßfronten aus. Diese werden bei den Jets von Protosternen, T-Tauri-Sternen und Herbig-Ae/Be-Sternen Herbig-Haro-Objekte genannt.[5]
In der stellaren Astrophysik sind Jets auch bei wechselwirkenden Doppelsternsystemen wie symbiotischen Sternen, Röntgendoppelsternen und kataklysmischen Veränderlichen nachgewiesen worden.[6]
Scheinbare Überlichtgeschwindigkeit
Bei Jets, die sich mit wenigstens 70,7 Prozent = 1⁄ der Lichtgeschwindigkeit und in einem Winkelbereich zwischen −90° und +90° auf den Beobachter zubewegen, kann es sogar zu scheinbarer Überlichtgeschwindigkeit kommen. Dies ist so zu erklären, dass das Licht des sich nähernden Jets eine immer kürzere Zeit benötigt, um zum Beobachter zu gelangen. Dadurch sieht es für den Beobachter so aus, als bewege sich der Jet in transversaler Richtung überlichtschnell.
Jets, die sich nicht im oben genannten Winkelbereich bewegen, sich also vom Beobachter entfernen, erscheinen entsprechend langsamer, da das Licht in diesem Fall einen immer längeren statt kürzeren Weg zurücklegen muss. Bewegen sie sich hingegen in rein transversaler Richtung, so kann ihre reale Geschwindigkeit beobachtet werden.[7]
Strahlung
Im Falle aktiver Galaxien sind die Wolken vor allem im Radiobereich gut messbar. Zehn aktive Galaxienkerne (hauptsächlich Blazare) wurden von den Teleskopen EGRET und COMPTEL im hochenergetischen MeV- bis GeV-Bereich gemessen. Als Erklärung der Quelle dieser außergewöhnlich energiereichen Strahlung werden verschiedene Modelle diskutiert, u. a. die „niederenergetische“ Synchrotronstrahlung des Jets selbst, die durch den inversen Compton-Effekt durch Stoßprozesse mit hochenergetischen Jetelektronen in dieses Energieregime gestreut wird, oder aber Photonen, die von den Wolken in den Jet gestreut werden und dort ebenfalls eine Invers-Compton-Streuung zu höheren Energien erleiden.
Jets sind Quellen einer nicht isotropen Energieabstrahlung, da auf relativistische Geschwindigkeit beschleunigte Jets die meiste Energie in ihre Ausbreitungsrichtung abstrahlen. Nach aktuellen Hypothesen sind sowohl die langen Gamma Ray Bursts[8] als auch die Ultraleuchtkräftigen Röntgenquellen[9] keine isotropen Strahler mit Energien von bis 1052 erg (1045 J), sondern emittieren ihre nachgewiesene elektromagnetische Strahlung entlang einer Jetachse mit einer Ausdehnung von nur wenigen Grad.
Weblinks
Literatur
- A. Unsöld, B. Baschek: Der neue Kosmos. Springer Verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-42177-1.
- Somayeh Sheikhnezami et al.: Bipolar jets launched from magnetically diffusive accretion disks. I. Ejection efficiency vs field strength and diffusivity. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2012, arxiv:1207.6086v1.
- Christian Fendt, Somayeh Sheikhnezami: Bipolar jets launched from accretion disks. II. Formation of symmetric and asymmetric jets and counter jets. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2013, arxiv:1305.1263v1.
- Longest galactic jet. Abgerufen am 15. Juli 2021 (deutsch).
- L. Hartmann: Accretion Processes in Star Formation (Cambridge Astrophysics). Cambridge University Press, Cambridge 2008, ISBN 978-0-521-53199-3.
- S. N. Shore, M. Livio, E. P. J. van den Heuvel, Astrid Orr, H. Nussbaumer: Interacting Binaries: Saas-Fee Advanced Course 22. Lecture Notes 1992. Swiss Society for Astrophysics and Astronomy (Saas-Fee Advanced Courses). Springer Verlag, Berlin 1993, ISBN 978-3-540-57014-1.
- P. Schneider: Einführung in die Extragalaktische Astronomie und Kosmologie. Springer Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-540-25832-2.
- Jens Hjorth: The supernova/gamma-ray burst/jet connection. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2013, arxiv:1304.7736v1.
- P. Esposito, S. E. Motta, F. Pintore, L. Zampieri and L. Tomasella: Swift observations of the ultraluminous X-ray source XMMUJ004243.6+412519 in M31. In: Astrophysics. Solar and Stellar Astrophysics. 2012, arxiv:1210.5099.